Deutlich mehr Diebstähle auf Baustellen
Wegen hoher Materialkosten und knapper Güter werden Baustellen lukrativer für Kriminelle. Verbände und Polizei registrieren eine Zunahme der Straftaten. Immer mehr Firmen investieren in aufwendige Sicherheitssysteme.
DÜSSELDORF Von Baustellen in NRW verschwinden immer öfter Materialien wie Kupferkabel, Metalle und Werkzeug, aber auch schweres Gerät. So wurden vor Kurzem in Ruppichteroth im Rhein-Sieg-Kreis eine Rüttelplatte, eine Baggerschaufel und ein 50 Meter langes Starkstromkabel gestohlen. Weil allein die Rüttelplatte rund 500 Kilogramm wiegt, geht die Polizei davon aus, dass die Diebe professionell agierten und mit einem entsprechenden Fahrzeug vor Ort waren.
„Wir hören von unseren Mitgliedern häufiger als sonst, dass Baustellen von Diebstahl betroffen sind“, sagt Hermann Schulte-Hiltrop, Hauptgeschäftsführer der Bauverbände NRW. Hintergrund seien der eklatante Materialmangel und stark gestiegene Preise. Immer wieder hätten solche Vorfälle einen vorübergehenden Baustopp zur Folge, was weitere Kosten verursache.
Als Folge der Diebstähle investieren immer mehr Baufirmen in
Sicherheitssysteme, wie sie etwa der in Ratingen ansässige Marktführer Bauwatch anbietet. Das Unternehmen, das Videoüberwachungstürme anbietet, über deren Lautsprecher unbefugte Personen aus einer zentralen Leitstelle direkt angesprochen werden können, sei im Vergleich zum Vorjahr stark gewachsen, sagt Vertriebsdirektor Sebastian Kröger. So wurden im Jahr 2021 bundesweit rund 31.000 sogenannte Vertreibungen von Baustellen durch Ansprache gezählt, dazu 622 eingeleitete Verhaftungen und 1236 durch die Polizei verhaftete Personen. In diesem Jahr sind es bis August schon rund 53.000 Vertreibungen, dazu 612 eingeleitete Verhaftungen und 1108 durch die Polizei verhaftete Personen.
Stellt man nur die August-Zahlen gegenüber, ist der Zuwachs noch deutlicher. So ergibt sich für 2022 bei den Vertreibungen eine Zunahme gegenüber 2021 um 75 Prozent (6788 gegenüber 3868). Auch die Verhaftungen haben demnach um 47 Prozent zugenommen (2022: 78; 2021: 53). Pro Vertreibung, hat Bauwatch laut Kröger errechnet, werde ein potenzieller Schaden von etwa 15.000 Euro abgewendet, etwaige Bauverzögerungskosten nicht eingerechnet. „Das führt dazu, dass immer mehr Kunden ihren Baufirmen vorschreiben, Baustellen abzusichern“, sagt Kröger.Wurden früher höchstens mal einzelne Container geschützt, zeige sich mittlerweile die Tendenz zu einer RundumÜberwachung; die Zahl größerer Projekte würde zunehmen.
Auch Burkhard Brämer, Geschäftsführer des auf Versicherungslösungen für die Bauwirtschaft spezialisierten Unternehmens Bauass, sieht ein gesteigertes Sicherungsbedürfnis bei Investoren. „Allerdings ist dies oft nicht versicherungsrelevant, weil es sich in der Prämie nicht auswirkt“, sagt Brämer. Das heißt: Wer seine Baustelle schützt, erhält keinen Rabatt bei der Versicherung, weil man das Thema Diebstahl dort noch als nachrangig erachtet. Dennoch achte man in der Baubranche laut Brämer verstärkt darauf, Baustellen und Material gut abzusichern. Das empfiehlt angesichts einer Zunahme von entsprechenden Diebstählen auch die Polizei im Kreis Viersen. Dort hat es laut Pressesprecher Wolfgang Goertz in diesem Jahr bis Mitte September 88 Taten gegeben, imVergleichszeitraum 2021 nur 67. „Das ist schon eine deutliche Zunahme“, sagt Goertz. Die Polizei rät deshalb Bauunternehmern unter anderem dazu, ein Verzeichnis aller Geräte mit Individualnummern anzulegen, hochwertiges Werkzeug in einbruchsicher verschlossenen Containern zu lagern und das Gelände mit einem mindestens 2,5 Meter hohen, stabilen Zaun zu umgeben. Dazu sollte die Baustelle ausgeleuchtet und Bewegungsmelder oderVideoüberwachungssysteme genutzt werden.
Zumal die Hochsaison der Diebe laut Kröger noch bevorsteht. Die sei von Mitte Oktober bis Dezember:„Je dunkler es ist, desto früher können Kriminelle auf eine Baustelle und desto mehr Zeit haben sie“, sagt Kröger. Vor allem um Weihnachten herum und allgemein in den Ferien würden Diebe vermehrt zuschlagen, weil Baustellen verwaist seien. Dass sich die Situation bald entspannt, glaubt der Sicherheitsexperte bei der derzeit allgemein schwierigen Marktlage nicht: „Wir werden gerade überschwemmt mit Anfragen“, sagt Kröger, „und ich denke, dass sich das in den kommenden zwei Jahren nicht ändern wird.“