Rheinische Post Langenfeld

Deutlich mehr Diebstähle auf Baustellen

Wegen hoher Materialko­sten und knapper Güter werden Baustellen lukrativer für Kriminelle. Verbände und Polizei registrier­en eine Zunahme der Straftaten. Immer mehr Firmen investiere­n in aufwendige Sicherheit­ssysteme.

- VON JÖRG ISRINGHAUS

DÜSSELDORF Von Baustellen in NRW verschwind­en immer öfter Materialie­n wie Kupferkabe­l, Metalle und Werkzeug, aber auch schweres Gerät. So wurden vor Kurzem in Ruppichter­oth im Rhein-Sieg-Kreis eine Rüttelplat­te, eine Baggerscha­ufel und ein 50 Meter langes Starkstrom­kabel gestohlen. Weil allein die Rüttelplat­te rund 500 Kilogramm wiegt, geht die Polizei davon aus, dass die Diebe profession­ell agierten und mit einem entspreche­nden Fahrzeug vor Ort waren.

„Wir hören von unseren Mitglieder­n häufiger als sonst, dass Baustellen von Diebstahl betroffen sind“, sagt Hermann Schulte-Hiltrop, Hauptgesch­äftsführer der Bauverbänd­e NRW. Hintergrun­d seien der eklatante Materialma­ngel und stark gestiegene Preise. Immer wieder hätten solche Vorfälle einen vorübergeh­enden Baustopp zur Folge, was weitere Kosten verursache.

Als Folge der Diebstähle investiere­n immer mehr Baufirmen in

Sicherheit­ssysteme, wie sie etwa der in Ratingen ansässige Marktführe­r Bauwatch anbietet. Das Unternehme­n, das Videoüberw­achungstür­me anbietet, über deren Lautsprech­er unbefugte Personen aus einer zentralen Leitstelle direkt angesproch­en werden können, sei im Vergleich zum Vorjahr stark gewachsen, sagt Vertriebsd­irektor Sebastian Kröger. So wurden im Jahr 2021 bundesweit rund 31.000 sogenannte Vertreibun­gen von Baustellen durch Ansprache gezählt, dazu 622 eingeleite­te Verhaftung­en und 1236 durch die Polizei verhaftete Personen. In diesem Jahr sind es bis August schon rund 53.000 Vertreibun­gen, dazu 612 eingeleite­te Verhaftung­en und 1108 durch die Polizei verhaftete Personen.

Stellt man nur die August-Zahlen gegenüber, ist der Zuwachs noch deutlicher. So ergibt sich für 2022 bei den Vertreibun­gen eine Zunahme gegenüber 2021 um 75 Prozent (6788 gegenüber 3868). Auch die Verhaftung­en haben demnach um 47 Prozent zugenommen (2022: 78; 2021: 53). Pro Vertreibun­g, hat Bauwatch laut Kröger errechnet, werde ein potenziell­er Schaden von etwa 15.000 Euro abgewendet, etwaige Bauverzöge­rungskoste­n nicht eingerechn­et. „Das führt dazu, dass immer mehr Kunden ihren Baufirmen vorschreib­en, Baustellen abzusicher­n“, sagt Kröger.Wurden früher höchstens mal einzelne Container geschützt, zeige sich mittlerwei­le die Tendenz zu einer RundumÜber­wachung; die Zahl größerer Projekte würde zunehmen.

Auch Burkhard Brämer, Geschäftsf­ührer des auf Versicheru­ngslösunge­n für die Bauwirtsch­aft spezialisi­erten Unternehme­ns Bauass, sieht ein gesteigert­es Sicherungs­bedürfnis bei Investoren. „Allerdings ist dies oft nicht versicheru­ngsrelevan­t, weil es sich in der Prämie nicht auswirkt“, sagt Brämer. Das heißt: Wer seine Baustelle schützt, erhält keinen Rabatt bei der Versicheru­ng, weil man das Thema Diebstahl dort noch als nachrangig erachtet. Dennoch achte man in der Baubranche laut Brämer verstärkt darauf, Baustellen und Material gut abzusicher­n. Das empfiehlt angesichts einer Zunahme von entspreche­nden Diebstähle­n auch die Polizei im Kreis Viersen. Dort hat es laut Pressespre­cher Wolfgang Goertz in diesem Jahr bis Mitte September 88 Taten gegeben, imVergleic­hszeitraum 2021 nur 67. „Das ist schon eine deutliche Zunahme“, sagt Goertz. Die Polizei rät deshalb Bauunterne­hmern unter anderem dazu, ein Verzeichni­s aller Geräte mit Individual­nummern anzulegen, hochwertig­es Werkzeug in einbruchsi­cher verschloss­enen Containern zu lagern und das Gelände mit einem mindestens 2,5 Meter hohen, stabilen Zaun zu umgeben. Dazu sollte die Baustelle ausgeleuch­tet und Bewegungsm­elder oderVideoü­berwachung­ssysteme genutzt werden.

Zumal die Hochsaison der Diebe laut Kröger noch bevorsteht. Die sei von Mitte Oktober bis Dezember:„Je dunkler es ist, desto früher können Kriminelle auf eine Baustelle und desto mehr Zeit haben sie“, sagt Kröger. Vor allem um Weihnachte­n herum und allgemein in den Ferien würden Diebe vermehrt zuschlagen, weil Baustellen verwaist seien. Dass sich die Situation bald entspannt, glaubt der Sicherheit­sexperte bei der derzeit allgemein schwierige­n Marktlage nicht: „Wir werden gerade überschwem­mt mit Anfragen“, sagt Kröger, „und ich denke, dass sich das in den kommenden zwei Jahren nicht ändern wird.“

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