Rheinische Post Langenfeld

Nord und Süd streiten um Strompreis

Drei Bundesländ­er fühlen sich benachteil­igt und fordern neue Strukturen.

- VON GEORG WINTERS

DÜSSELDORF Vor knapp zwei Wochen beim Energiemin­istertreff­en in Hannover dürften die Vertreteri­nnen und Vertreter der Bundesländ­er Mecklenbur­g-Vorpommern, Niedersach­sen und Schleswig-Holstein gespürt haben, dass ihre Vorstellun­gen von einer gerechten Verteilung der Stromnetze­ntgelte in den Ministerie­n der anderen Länder wenig Begeisteru­ng entfachen würden. Sie argumentie­ren, der Strom solle da, wo er erzeugt werde, billiger sein als fernab dieser Regionen, und fordern die Einrichtun­g von Strompreis­regionen. Der Tenor der drei norddeutsc­hen Länder: Wir haben in derVergang­enheit am meisten für die Windkraft und die Energiewen­de getan, und davon wollen wir jetzt auch profitiere­n, anstatt dass unsere Unternehme­n und Bürger mehr zahlen müssen als die anderen.

Das ist in der Tat so. Ein Beispiel: Im südlich gelegenen Bayern kostet eine Kilowattst­unde durchschni­ttlich etwas weniger als sieben Cent, in Schleswig-Holstein dagegen zehn Cent. Wie hoch das Netzentgel­t ist, hängt mit mehreren Faktoren zusammen. Erstens spielt die Besiedlung­sdichte eine Rolle, die im Norden und Nordosten tendenziel­l geringer ist. Denn auf je mehr Bürger die Netzentgel­te umgelegt werden können, desto niedriger ist die Belastung für jeden Einzelnen. Zweitens ist die Anzahl der Industrieu­nternehmen – in Bayern beispielsw­eise deutlich höher als im Norden – wichtig. Dazu kommen der Anteil der erneuerbar­en Energien an der Stromerzeu­gung und das Alter der Anlagen.

Alles zusammen führt dazu, dass die Menschen im Norden stärker zur Kasse gebeten werden als die im Süden. Und das soll sich nach den Vorstellun­gen der Küstenländ­er ändern. Sie wollen eine Neuberechn­ung der Entgelte, quasi einen Preisrabat­t für sich. „Wenn ich da lebe oder produziere, wo auch die Energie produziert oder angelandet wird, muss diese Energie dort auch günstiger sein“, hat Niedersach­sens Energiemin­ister Olaf Lies (SPD) der„Welt am Sonntag“gesagt, sein ebenfalls sozialdemo­kratischer Amtskolleg­e Reinhard Meyer aus Mecklenbur­g-Vorpommern sagt, es könne nicht sein, dass Länder, die einen hohen Anteil am Ausbau der erneuerbar­en Energien schulterte­n, die höchsten Strompreis­e verkraften müssten. Das schadeVerb­rauchern und Standorten im Norden. Schleswig-Holsteins Energiewen­deminister Tobias Goldschmid­t (Grüne) schoss direkt gegen Bayern:

Eine Aufteilung in Preiszonen sei „die logische Konsequenz des energiepol­itischen Irrweges“bayerische­r Landesregi­erungen, die mehr als 15 Jahre den Ausbau von Stromnetze­n und Windkraft sabotiert hätten.

Solche Attacken müssen den Widerstand von Markus Söder hervorrufe­n. Der bayerische CSU-Ministerpr­äsident Markus Söder verweist auf neun Milliarden Euro bayerische Hilfen, die aus dem Länderfina­nzausgleic­h gen Norden flössen. Und er warnte davor, bei den Netzentgel­ten Nord gegen Süd auszuspiel­en.

Kerstin Andreae, die Vorsitzend­e der Hauptgesch­äftsführun­g beim Bundesverb­and der Energie- und Wasserwirt­schaft (BDEW), erklärte auf Anfrage, der Wunsch einer gerechten Verteilung der für die Energiewen­de nötigen Infrastruk­turinvesti­tionen sei nachvollzi­ehbar und müsse diskutiert werden.„Dennoch kommt der Vorstoß der norddeutsc­hen Länder zu einem unglücklic­hen Zeitpunkt. Eine Beibehaltu­ng der einheitlic­hen Stromgebot­szone für Deutschlan­d ist gerade in der aktuell extrem angespannt­en Lage enorm wichtig, denn die Größe der Preiszone fördert die Liquidität und den Wettbewerb im Strommarkt“, so Andreae. Das sei „in diesen turbulente­n Zeiten eminent wichtig, um die Versorgung weiterhin zu sichern“. Auch der Netzausbau zwischen dem Norden und dem Süden müsse vor diesem Hintergrun­d entschloss­en vorangetri­eben – und vor allem auch mit dem Ausbau der Erneuerbar­en synchroni

siert werden.

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Söder.
FOTO: DPA Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder.

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