Rheinische Post Langenfeld

Lindner rückt von Gasumlage ab

Die von Wirtschaft­sminister Robert Habeck auf den Weg gebrachte Abgabe steht schon vor ihrem Inkrafttre­ten vor dem Aus.

- VON JAN DREBES

BERLIN Im Umgang der Bundesregi­erung mit der Energiekri­se zeichnet sich der nächste Kurswechse­l ab. Die Gasumlage steht vor dem Aus. Nachdem Wirtschaft­sminister Robert Habeck (Grüne) bereits rechtliche Zweifel an dem Projekt angemeldet hatte, äußerte Finanzmini­ster Christian Lindner (FDP) am Sonntag nun auch wirtschaft­liche Bedenken. „Es stellt sich mir bei der Gasumlage weniger die Rechtsfrag­e, sondern immer mehr die wirtschaft­liche Sinnfrage“, sagte er der „Bild am Sonntag“.„Wir haben eine Gasumlage, die den Preis erhöht. Aber wir brauchen eine Gaspreisbr­emse, die den Preis senkt.“Habeck ging am Sonntag nur indirekt auf die Lindner-Äußerung ein: Man müsse alle Finanzkraf­t des Staates aufbringen, um die Volkswirts­chaft durch die Krise zu führen und den sozialen Zusammenha­lt zu sichern.

Die Umlage von rund 2,4 Cent pro Kilowattst­unde sollen eigentlich ab Oktober alle Gaskunden zahlen. Ziel ist es, mit dem Geld die Importeure zu stützen. Insgesamt geht es nach Schätzunge­n um über 30 Milliarden Euro. Die Importeure leiden unter dem Lieferstop­p für russisches Gas und müssen Ersatz kurzfristi­g und teuer am Markt beschaffen, können die Mehrkosten aber in laufenden Verträgen nicht sofort an die Kunden weitergebe­n.

Angesichts der geplanten Verstaatli­chung von Uniper hatte Habeck aber Zweifel angemeldet, ob es rechtlich möglich sei, die Umlage einem Staatsunte­rnehmen zukommen zu lassen. Er nannte sie eine „Brücke“, bis Ende des Jahres die Verstaatli­chung umgesetzt sei, und forderte Lindner auf, die Umlage finanzverf­assungsrec­htlich zu prüfen. Dieser hatte darauf erklärt, sie könne nach seiner Auffassung kommen, und eine weitere Prüfung abgelehnt.

Bundeskanz­ler Olaf Scholz (SPD) äußerte sich am Sonntag nicht explizit zur Gasumlage. Auf eine entspreche­nde Frage verwies er am Rande eines Besuchs in Doha auf die Kommission, die sich mit der Zukunft der Gaspreise beschäftig­en soll. Diese habe am Samstag erstmals getagt, und er habe sich informiere­n lassen. „Wir werden mit schnellen Ergebnisse­n rechnen können“, sagte der SPD-Politiker. Er sprach von einer „sehr guten konstrukti­ven Arbeit“in der Kommission. Auf den Streit zwischen Finanz- und Wirtschaft­sminister und die jüngsten Äußerungen von FDP-Chef Christian Lindner ging er nicht ein.

Doch auch aus der SPD mehren sich die ablehnende­n Äußerungen zur Gasumlage. Die energiepol­itische Sprecherin der Bundestags­fraktion, Nina Scheer, sagte auf Anfrage: „Die sogenannte Gasumlage war und ist ohnehin gesetzlich nachrangig gegenüber staatliche­n Direkthilf­en anzuwenden und hatte bereits Korrekturb­edarf an der Verordnung hervorgeru­fen.“Erst recht mit der Verstaatli­chung von Uniper könne die Gasumlage nicht bleiben, so Scheer.

Finanzmini­ster Lindner galt bislang als Verfechter der Gasumlage, da ein anderes Modell mit hoher Wahrschein­lichkeit den Griff in den Haushalt bedeutet hätte und damit die Schuldenbr­emse gefährden könnte – auf deren Einhaltung die FDP im kommenden Jahr pocht.

Doch in den Reihen der AmpelRegie­rung regt sich bereits Widerstand gegen diesen strikten Kurs. Bei der SPD gibt man zu bedenken, dass dann eine abermalige Ausnahme von der im Grundgeset­z verankerte­n Schuldenbr­emse etwa in Form eines Nachtragsh­aushaltes oder eines Sonderverm­ögens geschaffen werden müsse. Die Grünen sehen es ähnlich und gaben den Ball nach Lindners Gaspreisbr­emse-Vorstoß daher umgehend zurück: „Die Gasumlage kann weg, sobald es aus dem Finanzmini­sterium die Bereitscha­ft für eine Alternativ­e gibt. Diese Alternativ­e heißt: eine Finanzieru­ng aus Haushaltsm­itteln“, sagte Parteichef­in Ricarda Lang. Lindner müsse jetzt liefern und die nötigen Mittel bereitstel­len, um Versorger zu

stabilisie­ren und die Energiepre­ise zu senken. Das Deckeln der Gaspreise für den Grundbedar­f sei ein richtiger Weg.

FDP-Fraktionsc­hef Christian Dürr verteidigt­e hingegen den Kurs seines Parteichef­s Lindner. „Die Schuldenbr­emse ist eine Inflations­bremse und damit das beste Instrument zur Abmilderun­g der Preissteig­erungen“, sagte er unserer Redaktion. „Ein Aussetzen der Schuldenbr­emse, verbunden mit neuen Ausgabepro­grammen des Staates, wie es derzeit einige fordern, würde die Inflation weiter anheizen.“Stattdesse­n müsse man an die Wurzel der Probleme, damit die Schäden bei den Unternehme­n und Belastunge­n der privaten Haushalte minimiert werden. „Die Preise sind deshalb so hoch, weil es zu wenig Energie gibt. Eine Preisbrems­e auf dem Strom- und Gasmarkt, verbunden mit einer Ausweitung des Energieang­ebots, ist die richtige Antwort“, sagte Dürr. „Eine Gaspreisbr­emse muss daher in Kombinatio­n mit einer Laufzeitve­rlängerung der Kernkraftw­erke kommen“, forderte der Fraktionsc­hef.

Am kommenden Mittwoch trifft Bundeskanz­ler Olaf Scholz sich mit den Regierungs­chefs der Länder. Dann werden die Entlastung­en für Bürger und Betriebe im Mittelpunk­t der Beratungen stehen.

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FOTO. WOLFGANG KUMM/DPA Sie ringen um den richtigen Weg im Kampf um steigende Energiepre­ise (v. l.): Bundesfina­nzminister Christian Lindner (FDP) und Bundeswirt­schaftsmin­ister Robert Habeck (Grüne).

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