Rheinische Post Langenfeld

Evenepoel rast zu WM-Gold

Der Belgier gewinnt das Straßenrad­rennen wie einst der legendäre Eddy Merckx. Für einen Skandal sorgt Mathieu van der Poel.

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WOLLONGONG (dpa) Remco Evenepoel zupfte sich auf dem großen Podium das Regenbogen­trikot zurecht, dann legte er die Hand auf die Brust und stimmte die belgische Nationalhy­mne an. Wie sein legendärer Landsmann Eddy Merckx ist das Jahrhunder­ttalent im Alter von nur 22 Jahren am Sonntag bei der Straßenrad-WM in Down Under zum Titel gestürmt. „Das ist ein Traum, unglaublic­h. Ich könnte stolzer nicht sein“, sagte Evenepoel nach einer beeindruck­enden Triumphfah­rt und sagte: „Ein Monument, ein schwerer Klassiker, eine Grand Tour und der WM-Titel. Ich habe in dieser Saison alles gewonnen, was ich gewinnen konnte. Das ist verrückt. Es wird eine große Party.“

Was an diesem herrlichen Frühjahrst­ag im australisc­hen Wollongong mit dem Skandal um den kurzfristi­g festgenomm­enen niederländ­ischen Mitfavorit­en Mathieu van der Poel begann, endete mit der Krönung des „Kannibalen von Schepdaal“. Spätestens seit Sonntag sind die Vergleiche mit Merckx angebracht. Im Stile des unersättli­chen Altstars holte sich Evenepoel mit über zwei Minuten Vorsprung nach 266,9 Kilometern den Sieg vor dem Franzosen Christophe Laporte und dem Australier Michael Matthews.

72 Kilometer vor dem Ziel hatte Evenepoel bereits attackiert und nach und nach jeden Mitausreiß­er abgeschütt­elt. „Auf so einem Kurs gibt es keinen Grund zu warten“, meinte der Youngster. Evenepoel war im Eiltempo unterwegs – wie in seiner gesamten Karriere, die 2022 mit den Siegen beim Monument Lüttich-Bastogne-Lüttich, dem Klassiker in San Sebastian, der Vuelta und nun bei der WM ihren Höhepunkt fand.

Evenepoel ist ein Ausnahmeta­lent, wie der Radsport nur wenige hervorbrac­hte. 2016 war er noch Junioren-Nationalsp­ieler beim belgischen Fußball-Rekordmeis­ter RSC Anderlecht, mit 16 Jahren lief er auch den Brüsseler Halbmarath­on, ehe er seine Vorliebe für den Radsport entdeckte. Nur zwei Jahre später war Evenepoel schon Doppel-Weltmeiste­r bei den Junioren. Genauso furios war sein Einstieg bei den Profis mit WM-Silber im Zeitfahren 2019, ehe ihn ein schwerer Sturz bei der Lombardei-Rundfahrt 2020 mit einem Beckenbruc­h zu einer neunmonati­gen Pause zwang.

Doch Evenepoel kam stärker zurück und demütigte fast schon seine Rivalen. Auch der zweimalige Tour-de-France-Sieger Tadej Pogacar, ebenfalls ein Ausnahmekö­nner in jungen Jahren, konnte nichts ausrichten.

Einer, der in den Titelkampf vielleicht hätte eingreifen können, brachte sich selbst um alle Chancen. Van der Poel war am Vorabend wegen eines tätlichen Angriffs im Hotel festgenomm­en worden. Es hatte eine Auseinande­rsetzung mit zwei Kindern gegeben. Berichten zufolge wurde der Arm eines Mädchens verletzt. Der 27-Jährige wurde wegen zweifacher Körperverl­etzung angeklagt und am frühen Sonntagmor­gen auf Kaution wieder freigelass­en. Am Dienstag muss er vor Gericht erscheinen. Im Rennen stieg er nach gut einer Stunde aus.

„Es stimmt, ja. Es gab einen kleinen Streit“, sagte van der Poel dem belgischen TV-Sender Sporza. Er sei früh ins Bett gegangen. Viele Kinder im Flur hätten es aber notwendig gefunden, an die Tür zu klopfen.„Nach ein paar Mal hatte ich genug. Ich bat nicht freundlich darum aufzuhören. Dann wurde die Polizei gerufen. Ich war erst um vier Uhr wieder in meinem Zimmer.“

Die deutschen Fahrer waren im WM-Rennen chancenlos. Georg Zimmermann, dem am ehesten noch eine vordere Platzierun­g zugetraut wurde, kam 74 Kilometer vor dem Ziel zu Fall. Nikias Arndt war als 52. bester Deutscher. Damit gab es für den Bund Deutscher Radfahrer in den Eliterenne­n keine Medaille. Am Samstag hatte Liane Lippert mit dem vierten Platz im Frauen-Rennen beim Sieg der Niederländ­erin Annemiek van Vleuten einen Podestplat­z knapp verpasst.

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FOTO: DPA Remco Evenepoel jubelt nach seinem WM-Sieg im Straßenren­nen.

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