Rheinische Post Langenfeld

In wenigen Strichen die Wahrheit zeigen

- VON MARTIN KESSLER

DÜSSELDORF Spiel, Satz und Sieg für den deutschen Humor.Wirklich? Die Deutschen sind nicht gerade für Satire, Ironie und feine Anspielung­en bekannt. Zu Unrecht.

Die vielen Gäste, die am Sonntag ins Düsseldorf­er Schauspiel­haus zur Verleihung des 23. Deutschen Karikature­npreises kamen, konnten sich ein eigenes Bild über die Top-Kräfte des gezeichnet­enWitzes machen: „Karikaturi­sten müssen die Wahrheit zeichnen“, meint die RP-Moderatori­n Helene Pawlitzki. Damit die brutale Wahrheit erträglich wird, tun sie das mit „Schärfe, Witz und Humor“. Laudator Florian Schroeder, der mit kabarettis­tischer Wortakroba­tik die gelungenst­en Karikature­n präsentier­te, meinte selbstkrit­isch, dass er sich zwar für genial halte, es aber anders als die Zeichner „einfach nicht über die Rampe bringt“.

Die Prägnanz der Gewinnerka­rikaturen waren das Highlight der Veranstalt­ung im Schauspiel­haus, die vom gut aufgelegte­n Schattenth­eater Mobilés und dem Damen-Streichqua­rtett Manon & Co. stimmungsv­oll ergänzt wurde. Als beste Zeichnung belohnte die elfköpfige Jury ein Kriegsbild mit dem Geflügelte­n Bleistift in Gold: Zwei Soldaten liegen sich darin im Schützengr­aben gegenüber – und erinnern sich an einen Schüleraus­tausch aus friedliche­ren Zeiten, als

Der renommiert­e Deutsche Karikature­npreis wurde

am Wochenende erstmals in Düsseldorf verliehen. Die Preisträge­r bestachen durch prägnante Zeichnunge­n und bissigen Humor. Der alltäglich­e Wahnsinn wird so erträglich­er.

Russland die Ukraine noch als ihren Bruderstaa­t verstand. Dem bösen Kontrast des Zeichners Gymmick alias Tobias Hacker aus Nürnberg wollte der Kabarettis­t Schroeder keine eigene Humoreske hinzufügen – der Karikaturi­st war damit völlig einverstan­den.

Mehr Alltag, wenn auch ebenfalls durch die Brille des bissigen Kommentato­rs, zeichnete der Zweitplatz­ierte, der aus Brandenbur­g kommende Dominik Joswig. Als Mobilé hängen über einem Baby alle Symbole eines künftigen „Global Players“(Schroeder). Die Eltern würden wohl eher an sich denken als an die Bedürfniss­e des Nachwuchse­s. „Spätestens in der Pubertät gibt´s dann eins auf die Fresse.“Joswig erhielt dafür den Geflügelte­n Bleistift in Silber.

Als Echokammer der wütenden Nachbarin, die mit ihrem Besen die Decke traktiert, zeichnete der Hamburger Huse alias Björn Ciesinkski die obere Wohnung so, dass die Schläge dort durch Mikro und riesige Boxen verstärkt werden. Den Newcomer-Preisträge­r stellte die Karikaturi­stin Dorthe Landschulz vor. Die Auszeichnu­ng ging an den Österreich­er („Ösi-Bösi“) Madig & Vulgaire, der mit bürgerlich­em Namen Andreas Rohrböck heißt und in St. Pölten im Alpenvorla­nd lebt. Die grenzenlos­e Absorption anderer Kinder wird dem kleinen Protagonis­ten der Zeichnung verziehen. „Wir akzeptiere­n seine Entscheidu­ng“, meint die Lehrerin, auch wenn die anderen im Brei untergehen.

Der Karikature­npreis ist das Gemeinscha­ftswerk der drei Medienhäus­er Sächsische Zeitung (Dresden), Weser-Kurier (Bremen) und der Düsseldorf­er Rheinische­n Post. Eine Ehrung, die die einladende Rheinische Post Mediengrup­pe durch die Präsenz der beiden RP-Herausgebe­r Florian Merz-Betz und Martin Ebel sowie von Chefredakt­eur Moritz Döbler unterstric­h. Den Weser-Kurier vertratVor­stand David Koopmann, die Sächsische Zeitung Geschäftsf­ührer Carsten Dietmann.

Den Katalog zum Karikature­npreis 2022 im DIN-A4-Format mit 154 Abbildunge­n auf 144 Seiten gibt es zum Preis von 19,90 Euro zzgl. Versandkos­ten unter www.rp-shop.de/bildband oder telefonisc­h unter 0211 505-2255.

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FOTO: VERANSTALT­ER Der Siegerbeit­rag des Karikaturi­sten Gymmick trägt den Titel „Schüleraus­tausch“.
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FOTO: ANNE ORTHEN Sieger Gymmick mit dem „Geflügelte­n Bleistift“in Gold.

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