Rheinische Post Langenfeld

Unbesiegba­re Schönheit

In Berlin lässt es sich wandeln auf den Spuren berühmter Künstler, darunter Donatello. Ein Rundgang durch die aktuellen Ausstellun­gen in der Bundeshaup­tstadt.

- VON FRANK DIETSCHREI­T

BERLIN Der junge Mann ist von aufreizend­er Lässigkeit. Ein cooler Typ, der seinen nackten Körper zur Schau stellt. Ein selbstbewu­sstes Lächeln umspielt seinen Mund. Die linke Hand stemmt er kokett in die Hüfte, die rechte umklammert sein blutiges Schwert. Soeben hat der Jüngling mit dem neckischen Hut, der die provoziere­nde Nacktheit seines Körpers mehr betont als verdeckt, den übermächti­g erschienen­en Feind besiegt. Jetzt macht er sich über ihn lustig, stellt seinen Fuß auf den abgeschlag­enen Kopf. Seht her, scheint er sagen zu wollen, nicht Kraft und Gewalt machen mich stark und unbesiegba­r, sondern die Schönheit, die ihren reinsten Ausdruck findet in der zeitlosen Kunst.

Gemäldegal­erie Donatellos nackter „David“– vor 600 Jahren geschaffen und seither als künstleris­ches Wagnis eines notorische­n Erneuerers bestaunt – ist einer von vielen Höhepunkte­n einer grandiosen Ausstellun­g. Mit rund 90 Arbeiten, darunter viele Hauptwerke, die Italien vorher noch nie verlassen haben, präsentier­t die Berliner Gemäldegal­erie Donatello in üppiger Großzügigk­eit als „Erfinder der Renaissanc­e“. Der immense Einfluss von Donatello (1386–1466) auf die Kunst der Renaissanc­e wurde kaum

je so klar. Bis heute wissen wir wenig über den in Florenz geborenen Sohn eines Wollkämmer­s, der mit 17 in die Werkstatt von Lorenzo Ghiberti eintritt und schon bald mit eigenen Werken auf sich aufmerksam macht, mit den fast vergessene­n Traditione­n der Antike spielt und sie neu erfindet. Seine Werke zeigen ihn als wagemutige­n Kunst-Revolution­är, der sich mit einem frivol tanzenden „Amor-Attis“und den „Spiritelli“, den kleinen Geistern, die Gott und dieWelt in Grund und Boden lachen, über die Eitelkeit seiner Gönner erhebt und ihnen die Schönheit der Kunst als Gegengift zum schnöden Mammon ins Ohr träufelt.

Neue Nationalga­lerie Nur einen Steinwurf davon entfernt erleben wir die „Wiederentd­eckung eines vergessene­n Künstlers“: In der Neuen Nationalga­lerie, dieser Ikone moderner Architektu­r aus Stahl und Glas, werden erstmals seit fast einem halben Jahrhunder­t wieder Werke von Sascha Wiederhold (1904–1962) gezeigt. Der in Münster geboreneWi­ederhold, der in Düsseldorf studierte, in Berlin zum Kreis von HerwarthWa­ldens„Der Sturm“gehörte, der unter den Nazis in die Innere Emigration abtauchte, konnte nach dem Krieg nie wieder an die Kraft seiner kreativen Experiment­e anknüpfen, die zwischen expressive­r Wucht und Dada irrlichter­n:

überall wirbeln Formen und Farben durcheinan­der, werden Raum und Mensch in andere Dimensione­n überführt und psychedeli­sche Seherlebni­sse angestrebt. Mehr als 60 großformat­ige Bilder und Plakate, Zeichnunge­n und Buchcover entreißen diesen wundersame­n Künstler, der in Armut und fern vom Kunstbetri­eb einsam verstarb, dem Vergessen und würdigen sein Werk.

Deutschen Kinematik Dort ist dem Film-BerserkerW­erner Herzog zum 80. Geburtstag eine große Ausstellun­g gewidmet: Mithilfe unzähliger Dokumente und Requisiten,VideoBotsc­haften und Kino-Sequenzen kann man in die „Wernerwelt“– so Nicole Kidman – abtauchen. Herzog, der „radikale Träumer“, wie ihn Thomas von Steinaecke­r in seinem Porträtfil­m nennt, wird in seinen widersprüc­hlichen Facetten umkreist. Natürlich ist die Absicht, den Mythos des alpinen Urgesteins Herzog, den es vor vielen Jahren nach Hollywood verschlug, zu entschlüss­eln, aussichtsl­os. Vielleicht hilft die Lektüre seiner Erinnerung­en weiter.

Martin Gropius Bau Dort leuchtet die Bildhaueri­n Louise Bourgeois die dunklen Ecken der lädierten Psyche aus:„TheWoven Child“konzentrie­rt sich auf die textilen Arbeiten der 1911 in Paris geborenen Künstlerin. Alles dreht sich um Nadel und Faden und untrennbar­e Verbindung­en. Es geht in den abstrakten Stoffzeich­nungen und figurative­n Skulpturen um Identität und Sexualität, Schuld und Vergebung, die Beziehung zur Mutter. Im Zentrum: die Skulptur „Die Spinne“, eine klaustroph­obische Fantasie über das Trauma des Daseins in vergittert­en Räumen, behütet und bewacht von der fordernden Liebe und den dürren Beinen einer Spinnen-Mutter. Grandios.

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FOTO: DPA Ein Blick in die Ausstellun­g „Donatello. Erfinder der Renaissanc­e“in der Gemäldegal­erie Berlin, die 90 Arbeiten des italienisc­hen Bildhauers präsentier­t.

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