Unbesiegbare Schönheit
In Berlin lässt es sich wandeln auf den Spuren berühmter Künstler, darunter Donatello. Ein Rundgang durch die aktuellen Ausstellungen in der Bundeshauptstadt.
BERLIN Der junge Mann ist von aufreizender Lässigkeit. Ein cooler Typ, der seinen nackten Körper zur Schau stellt. Ein selbstbewusstes Lächeln umspielt seinen Mund. Die linke Hand stemmt er kokett in die Hüfte, die rechte umklammert sein blutiges Schwert. Soeben hat der Jüngling mit dem neckischen Hut, der die provozierende Nacktheit seines Körpers mehr betont als verdeckt, den übermächtig erschienenen Feind besiegt. Jetzt macht er sich über ihn lustig, stellt seinen Fuß auf den abgeschlagenen Kopf. Seht her, scheint er sagen zu wollen, nicht Kraft und Gewalt machen mich stark und unbesiegbar, sondern die Schönheit, die ihren reinsten Ausdruck findet in der zeitlosen Kunst.
Gemäldegalerie Donatellos nackter „David“– vor 600 Jahren geschaffen und seither als künstlerisches Wagnis eines notorischen Erneuerers bestaunt – ist einer von vielen Höhepunkten einer grandiosen Ausstellung. Mit rund 90 Arbeiten, darunter viele Hauptwerke, die Italien vorher noch nie verlassen haben, präsentiert die Berliner Gemäldegalerie Donatello in üppiger Großzügigkeit als „Erfinder der Renaissance“. Der immense Einfluss von Donatello (1386–1466) auf die Kunst der Renaissance wurde kaum
je so klar. Bis heute wissen wir wenig über den in Florenz geborenen Sohn eines Wollkämmers, der mit 17 in die Werkstatt von Lorenzo Ghiberti eintritt und schon bald mit eigenen Werken auf sich aufmerksam macht, mit den fast vergessenen Traditionen der Antike spielt und sie neu erfindet. Seine Werke zeigen ihn als wagemutigen Kunst-Revolutionär, der sich mit einem frivol tanzenden „Amor-Attis“und den „Spiritelli“, den kleinen Geistern, die Gott und dieWelt in Grund und Boden lachen, über die Eitelkeit seiner Gönner erhebt und ihnen die Schönheit der Kunst als Gegengift zum schnöden Mammon ins Ohr träufelt.
Neue Nationalgalerie Nur einen Steinwurf davon entfernt erleben wir die „Wiederentdeckung eines vergessenen Künstlers“: In der Neuen Nationalgalerie, dieser Ikone moderner Architektur aus Stahl und Glas, werden erstmals seit fast einem halben Jahrhundert wieder Werke von Sascha Wiederhold (1904–1962) gezeigt. Der in Münster geboreneWiederhold, der in Düsseldorf studierte, in Berlin zum Kreis von HerwarthWaldens„Der Sturm“gehörte, der unter den Nazis in die Innere Emigration abtauchte, konnte nach dem Krieg nie wieder an die Kraft seiner kreativen Experimente anknüpfen, die zwischen expressiver Wucht und Dada irrlichtern:
überall wirbeln Formen und Farben durcheinander, werden Raum und Mensch in andere Dimensionen überführt und psychedelische Seherlebnisse angestrebt. Mehr als 60 großformatige Bilder und Plakate, Zeichnungen und Buchcover entreißen diesen wundersamen Künstler, der in Armut und fern vom Kunstbetrieb einsam verstarb, dem Vergessen und würdigen sein Werk.
Deutschen Kinematik Dort ist dem Film-BerserkerWerner Herzog zum 80. Geburtstag eine große Ausstellung gewidmet: Mithilfe unzähliger Dokumente und Requisiten,VideoBotschaften und Kino-Sequenzen kann man in die „Wernerwelt“– so Nicole Kidman – abtauchen. Herzog, der „radikale Träumer“, wie ihn Thomas von Steinaecker in seinem Porträtfilm nennt, wird in seinen widersprüchlichen Facetten umkreist. Natürlich ist die Absicht, den Mythos des alpinen Urgesteins Herzog, den es vor vielen Jahren nach Hollywood verschlug, zu entschlüsseln, aussichtslos. Vielleicht hilft die Lektüre seiner Erinnerungen weiter.
Martin Gropius Bau Dort leuchtet die Bildhauerin Louise Bourgeois die dunklen Ecken der lädierten Psyche aus:„TheWoven Child“konzentriert sich auf die textilen Arbeiten der 1911 in Paris geborenen Künstlerin. Alles dreht sich um Nadel und Faden und untrennbare Verbindungen. Es geht in den abstrakten Stoffzeichnungen und figurativen Skulpturen um Identität und Sexualität, Schuld und Vergebung, die Beziehung zur Mutter. Im Zentrum: die Skulptur „Die Spinne“, eine klaustrophobische Fantasie über das Trauma des Daseins in vergitterten Räumen, behütet und bewacht von der fordernden Liebe und den dürren Beinen einer Spinnen-Mutter. Grandios.