Rheinische Post Langenfeld

„Ohne Pferd ist eben auch keine Lösung“

Helena Hackländer saß bereits im Sattel, da konnte sie noch nicht richtig gehen. Ein halbes Jahr nur schaffte sie es, mal nicht zu reiten. Inzwischen sammelt die 30-Jährige aus dem Bergischen Land Titel auf dem Rücken der Pferde – und hat ihr Hobby zum Be

- VON THERESA DEMSKI

RHEIN-BERG Gerade hat sie mit Conthana eine Runde gedreht. Die Stute steht nun zufrieden in der Stallgasse und lässt sich von Helena Hackländer putzen. „Pferde sind keine Trainingsg­eräte“, sagt die 30-Jährige, während sie das Tier absattelt. „Conthana ist ein Freund.“Und dann lacht sie: Das habe nichts mit Wendy-Romantik zu tun. Bis Pferd und Mensch Vertrauen zueinander fassen: „Das ist ein langer Weg“, sagt Helena Hackländer. Und dann führt sie ihre Stute in die Box, verabschie­det sich mit einem Klopfen und sieht zu, wie Conthana zufrieden ihren Kopf in die Sonne streckt.

Helena Hackländer wird an diesem Tag noch auf vielen Pferderück­en sitzen und mit vielen verschiede­nen Tier-Charaktere­n zu tun haben. Denn sie hat ihr Hobby zum Beruf gemacht – und bildet Pferde nicht mehr nur nach Feierabend aus. Und sie sammelt dabei Erfolge bei nationalen und internatio­nalen Wettkämpfe­n.

„Im Grunde kann ich mich an keine Zeit in meinem Leben ohne Pferde erinnern“, sagt sie. Das sei so ein Familiendi­ng. An ihrem Elternhaus habe es einen kleinen Stall gegeben. Sie konnte kaum laufen, da saß sie schon zum ersten Mal im Sattel. Mit fünf Jahren nahm sie am erstenWett­kampf teil – ihre Schwester führte das Pony „Nemo“, auf dem alle Geschwiste­r reiten lernten. Nach der Schule und den Hausaufgab­en ging es zum Stall: „Das gehörte einfach dazu – dieVerantw­ortung, die Arbeit und das Reiten.“Alle drei Schwestern lernten im Reit- und Fahrverein Dhünn Reiten und Voltigiere­n.

Schon damals nahm sie das erste Mal an einer Deutschen Meistersch­aft teil – in zwei Diszipline­n, dem Springreit­en und dem Gruppen-Voltigiere­n. „Das Voltigiere­n hat mich sehr geprägt“, sagt sie heute. Der Blick über den Tellerrand des Reiters, die Athletik und Körperbehe­rrschung und der Teamsport: Davon zehre sie heute noch. Mit 14 entschied sie sich dann trotzdem, ihre Zeit und Kraft nur noch dem Springreit­en zu widmen. „Beides war einfach zu viel“, sagt sie. Die Entscheidu­ng trug Früchte: Helena Hackländer machte sich als Springreit­erin einen Namen, wurde erst in den Landes-, später in den Bundeskade­r berufen. Damals war sie gerade 17. Sie nahm an Deutschen Jugendmeis­terschafte­n teil, brachte Top-Ten-Ergebnisse mit und wurde bei der Junioren-Europameis­terschaft 2009 Fünfte im Einzel. „Es gab einen Monat, da war ich nicht mehr als acht Tage in der Schule“, erzählt sie. Aber weil sie auf dem Weg zu den Wettkämpfe­n viel Zeit zum Lernen und für Hausaufgab­en hatte, stimmten die Schulleist­ungen trotzdem.

Mit 21 zog sie die Notbremse: Leistungsd­ruck und der Rhythmus der Wettkämpfe hatten lang genug ihr Leben bestimmt. „Zum ersten Mal saß ich nicht mehr auf dem Pferd“, sagt sie heute, „ich wusste damals erstmal gar nicht, was man so mit seiner Zeit macht.“Helena Hackländer begann zu studieren, nach einem halben Jahr setzte sie sich wieder auf ein Pferd. „Im Feierabend“, sagt sie, „ohne Pferd ist eben auch keine Lösung.“Sie machte erst den Bachelor, dann den Master in Wirtschaft­swissensch­aften und trat eine Vollzeitst­elle an. „Aber inzwischen war ich schon wieder deutlich öfter im Stall“, erinnert sie sich. Damals kam ein befreundet­er Reiter auf sie zu, der die Stute Conthana entdeckt hatte. „Das Pferd passt zu dir“, sagte er zu Helena Hackländer. Die siebenjähr­ige Stute war noch grün, völlig unerfahren, aber sie zeigte viel Potenzial. „Zwei Jahre habe ich mir an ihr die Zähne ausgebisse­n“, sagt die heute 30-Jährige und lacht, „aber ich wollte nicht aufgeben und wir sind zusammenge­wachsen.“Mit Conthana feiert Helena Hackländer heute wieder unglaublic­he Erfolge: Zusammen waren die beiden bei den Deutschen Meistersch­aften der Damen, heute gehört sie zu den Top 20 in Deutschlan­d, in diesem Jahr holten sie den Großen Preis von Lohmar über S***.

Und Conthana brachte auch einen Stein ins Rollen. Denn Helena Hackländer verbrachte immer mehr Zeit auf dem Rücken der Pferde.„Irgendwann habe ich mir die Frage gestellt: Büro oder Stall? Bei einem von beidem musste ich kürzer treten.“Sie entschied sich für die Pferde: Heute arbeitet sie Teilzeit im Wermelskir­chener Unternehme­n „Hippovibe“, das Pferdemana­gementsoft­ware vertreibt. Die meiste Zeit des Tages verbringt sie bei den Pferden – als selbststän­dige Bereiterin und Springtrai­nerin. Sie geht mit Tieren den Weg der Grundausbi­ldung, stellt sie auf Reitturnie­ren vor oder korrigiert Fehlentwic­klungen. Und sie gibt Springunte­rricht. Ihre Philosophi­e: „Jedes Tier ist anders und jedes Tier braucht ein anderes Training, um Fortschrit­te zu machen.“Dressur, Springen und Weide: Alles hat seine Zeit.

Auch nach all den Jahren fällt Helena Hackländer übrigens gelegentli­ch vom Pferd. „Erst Montag wieder“, sagt sie und lacht. Da müsse jeder Reiter mit rechnen, auch mit Erfahrung im Gepäck. Jedes Pferd habe eben einen anderen Charakter. Und wenn man fällt? „Dann steht man halt wieder auf“, sagt Helena Hackländer. Alte Reiter-Weisheit.

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FOTOS: THERESA DEMSKI; BERND RÖTTGER Erfolgsduo: Helena Hackländer und Stute Conthana sind zu einem besonderen Team zusammenge­wachsen. Sie gehören im Turnierspo­rt (kl. Foto) zu den Top 20 in Deutschlan­d.

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