Ein Aufschrei gegen das System
Das Rechtsbündnis in Italien um Giorgia Meloni hat die Parlamentswahl für sich entschieden und kann mit absoluter Mehrheit regieren. Und doch kommt die Wahl keinem Plebiszit für die Ultrarechten gleich. Die Wahl Melonis und ihrer postfaschistischen „Brüder Italiens“ist der jüngste Aufschrei gegen das System, aber nicht der erste. Und das ist Melonis politische Achillesferse. Die Italienerinnen und Italiener haben sie gewählt, weil sie am Ende ihres Lateins sind. Nicht Melonis politische Ansichten und Herkunft, sondern Abscheu gegen die Politiker sind der Grund für das Wahlergebnis.
Alle populistischen Parteien der vergangenen Jahre in Italien haben Erfolge erlebt, sind dann aber brutal abgestürzt – wie jetzt die Fünf-Sterne-Bewegung. Die heute klar linken Populisten taten sich 2018 mit den Rechtspopulisten der Lega von Matteo Salvini zusammen. Salvini ging brutal gegen Migranten und Hilfsorganisationen vor. Auch er stürzte am Sonntag ab. Die Moral aus der Geschichte: Wer in Italien an die Regierung kommt, zieht früher oder später den Kürzeren bei den Wählern. Das gilt auch für Giorgia Meloni. Sie war die letzte Wahl der Italienerinnen und Italiener, die sich einfache Lösungen versprechen. Der Erfahrung nach werden auch sie sich in einiger Zeit enttäuscht von der aktuellen Retterin abwenden. Das ist der Teufelskreis der italienischen Politik.
Das Ansehen der Politiker ist in Italien grundsätzlich schlecht. Das ist ein Effekt der populistischen Politik selbst – und der Illusionen der Wähler und Wählerinnen, die stets denjenigen belohnen, der am meisten verspricht. Dann platzt die Illusion, und die jeweilige Anti-System-Kraft kommt zum Zug. Diesen Kreislauf erlebt Italien nun bereits zum dritten Mal. Italiens Probleme sind viel zu komplex, als dass sie im Handumdrehen gelöst werden könnten. Diese Erfahrung muss auch die strahlende Siegerin vom Sonntag machen.