Rheinische Post Langenfeld

Schwimmen lernen im Neoprenanz­ug

Um Energie zu sparen, senken viele Bäder die Wassertemp­eratur. Das hat auch Folgen für die ohnehin knappen Schwimmkur­se und die kleinsten Teilnehmer.

- VON KIRSTEN JÖHLINGER UND JULIA MAYER

DÜSSELDORF „Die Kinder frieren“, sagt Claudia Stockfleit-Schwarzer, Betreiberi­n der Duisburger Schwimmsch­ule „Swimming Turtles“. Wie in vielen anderen Bädern in Nordrhein-Westfalen wurde die Wassertemp­eratur auch in den Bädern gesenkt, in denen ihre Schüler schwimmen lernen. Die Häuser sollen Energie sparen, und die Schwimmleh­rer müssen damit umgehen.

Rund 26 Grad warm ist das Wasser nun in vielen Bädern in Nordrhein-Westfalen. Um Gas zu sparen, haben die meisten Betreiber auch die Raum- und Duschtempe­raturen um ein Grad gesenkt. Laut der Deutschen Gesellscha­ft für das Badewesen lässt sich durch die Absenkung der Wassertemp­eratur um zwei Grad und die Erhöhung der Luftfeucht­igkeit auf etwa 64 Prozent bereits einViertel derWärmeen­ergie einsparen. Der Gesamtener­gieverbrau­ch eines Standardha­llenbades liege im Mittel bei etwa zwei Millionen Kilowattst­unden im Jahr, sagt Michael Weilandt, stellvertr­etender Geschäftsf­ührer der Deutschen Gesellscha­ft für das Badewesen. Mehr als drei Viertel davon werden für Wärme verbraucht.

Auch das Wasser, in dem Stockfleit-Schwarzer unterricht­et, hat 26 Grad – und ist damit etwa zwei Grad kälter als vor der Energiekri­se. „Den Kindern haben wir empfohlen, einen Neoprenanz­ug zu tragen“, sagt Stockfleit-Schwarzer. Normalerwe­ise sei sie gegen diese Anzüge in Schwimmkur­sen, weil sie einen trügerisch­en Auftrieb suggeriert­en und die Bewegungsf­reiheit einschränk­ten. Jetzt aber seien die Anzüge die beste Lösung. „In den Anfängerku­rsen bewegen sich die Kinder nicht durchgängi­g. Sie sollen auch einfach mal das Gesicht ins Wasser legen, und dann wird ihnen natürlich kalt“, sagt die Schwimmleh­rerin.

Sie achte zwar darauf, dass die Kinder vor den Kursen kälter duschten, um sich an die Temperatur zu gewöhnen. Das löse aber nicht jedes Problem. Seitdem das Wasser kälter ist, bekämen ihre Schwimmsch­üler häufiger Krämpfe, meistens in den Füßen. Andere weigerten sich ganz, ins Wasser zu gehen – „oder sie wollen nach fünf Minuten wieder raus“.

Dabei sind Schwimmkur­se besonders für Kinder wichtig. Schon vor der Corona-Pandemie und dem Bäder-Lockdown galten laut Deutscher Lebens-Rettungs-Gesellscha­ft (DLRG) nur rund 40 Prozent der Zehnjährig­en als sichere Schwimmer. Laut Berufsverb­and der Kinder- und Jugendärzt­e liegt die Grenze für die Wassertemp­eratur bei Kindern bei 25 Grad. „Aufgrund der ungünstige­nVerhältni­sse von Körpergröß­e und Körperober­fläche kommt es schneller zum Auskühlen, je jünger das Kind ist“, erklärt ein Sprecher. Die DLRG hält 26 Grad für Kinderkurs­e gerade noch für vertretbar. Sollten Bäder die Temperatur weiter senken, sei aber ein anderes Ausbildung­skonzept nötig, mit weniger Zeit im Wasser.

Nicole von Gehlen, Schwimmleh­rerin aus Wülfrath, verändert deshalb schon jetzt ihre Kurse. Für Babys unter sechs Monaten bietet sie derzeit gar keine Kurse mehr an. „Für die ist das Wasser zu kalt“, sagt sie. Anfängerku­rse für Kinder und Babyschwim­men für ältere Kleinkinde­r unterricht­e sie weiter, zum Beispiel in Heiligenha­us. Auch dort kommen Kinder nun im Neoprenode­r anderen Schwimmanz­ügen zum Unterricht, wie beispielsw­eise Nicole Tummes mit ihrem einjährige­n Sohn Phil. „Es ist aber schwer, in so einem Anzug tauchen zu lernen“, gibt von Gehlen zu bedenken.

Sie sorgt sich um die Sicherheit: „Wir müssen da jetzt durch. Sonst erziehen wir uns viele Nichtschwi­mmer“, sagt sie. „Wenn jetzt wegen irgendeine­r Wassertemp­eratur ein Schwimmbad schließen müsste, wäre das eine Riesenkata­strophe.“Die Warteliste­n seien schon lang.

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Babyschwim­men.
FOTO: STEPHAN KÖHLEN Nicole Tummes‘ Sohn Phil trägt einen Schwimmanz­ug zum Babyschwim­men.

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