Rheinische Post Langenfeld

Illegal gefangener Fisch auf dem Tisch

Häufig gelangt Ware aus problemati­scher Quelle in den Handel, wie der Europäisch­e Rechnungsh­of jetzt herausfand.

- VON GREGOR MAYNTZ

LUXEMBURG/BRÜSSEL Klar, es gibt sie, die Kontrollen, die in der gesamten Europäisch­en Union bewirken sollen, dass frische Fische aus ordnungsge­mäßer Herkunft ihren Weg in die Kühltheken antreten. Mit 1200 Patrouille­nbooten, 14.400 Inspektore­n und 76 Flugzeugen verfolgen die Mitgliedst­aaten den Fisch bei seinem Fang auf See, im Hafen, beim Transport und auf den Märkten.

Und doch berichtet der Europäisch­e Rechnungsh­of nun von Schätzunge­n, wonach jeder neunte bis fünfte Fisch illegaler Herkunft ist. Trotz der Kontrollsy­steme landeten„solche Erzeugniss­e immer noch auf dem Tisch der Bürgerinne­n und Bürger“, warnte die zuständige Prüferin Eva Lindström am Montag bei der Vorstellun­g des 61-seitigen Berichtes.

Für das Überleben der Ökosysteme und der vom Aussterben bedrohten Arten ist das eine denkbar schlechte Nachricht. Denn die EU-Bürger haben global den größten Appetit auf Fisch. Das erhöht die Gefahr von Überfischu­ng der Weltmeere. Und vor dem Hintergrun­d, dass das Zurückwerf­en von sogenannte­m Beifang mit geringer Überlebens­chance eine weitverbre­itete Praxis ist, dürfte das Dunkelfeld der Artenbedro­hung noch größer sein, als es die Fischverka­ufsstatist­iken erahnen lassen. Nach entspreche­nden Untersuchu­ngen spricht auch die EU-Kommission von„umfangreic­hem, illegalem und nicht dokumentie­rtem Rückwurf in verschiede­nen Meeresbeck­en“. Daher kommt Lindström als Ergebnis eingehende­r Prüfungen zu dem Befund:„Die Mechanisme­n sind nicht so effizient, wie sie sein könnten.“

Ein Hauptgrund liege darin, dass die Mitgliedsl­änder die Mechanisme­n sehr uneinheitl­ich anwendeten. So würden etwaVerstö­ße gegen die EU-Vorschrift­en in Zypern, Litauen und Estland mit 200 Euro geahndet und mit mehr als 7000 Euro in Spanien. Das verleite dann die problemati­sch agierenden Fischer dazu, vor allem diejenigen Häfen zur Anlandung zu nutzen, in denen nicht so engmaschig kontrollie­rt werde und die Strafen in keinem Verhältnis zum Profit stünden.

Dabei zeigten die EU-einheitlic­hen Sanktionen gegen Drittlände­r mit auffällige­r Häufung illegaler

Praktiken vereinzelt durchaus Wirkung. Die EU könne den kompletten Fischimpor­t aus derartigen Regionen mit einer Gelben Karte und damit zusätzlich­en Auflagen oder mit einer Roten Karte und damit komplettem Importverb­ot belegen. In den meisten betroffene­n Drittstaat­en seien die Karten „Anstoß für Reformen“gewesen.

Bei den schweren Verstößen gegen EU-Vorgaben liegen fehlende Fangdaten mit 34 Prozent an erster Stelle. Auf Platz zwei geht es bei 24 Prozent der festgestel­lten größeren Verstöße um das Fischen in einem Schongebie­t, in einer Schonzeit oder in nicht erlaubten Tiefen. Auf Rang drei liegt mit 13 Prozent der Fälle die Verwendung von verbotenem oder nicht bestimmung­sgemäßem Fanggerät.

Vor allem bei der Digitalisi­erung hinken die Mitgliedst­aaten der Europäisch­en Union nach dem Befund der Prüfer den Kontrollmö­glichkeite­n hinterher: Seit Einführung einer Fangbesche­inigungsre­gelung habe sich die Rückverfol­gbarkeit der Fischereie­rzeugnisse durchaus verbessert. Doch laufe das Verfahren auf der Basis von Papierform­ularen. Das erhöhe das Betrugsris­iko. „Eine einzige elektronis­che Datenbank auf EU-Ebene wäre weitaus wirkungsvo­ller“, stellen die Prüfer fest. Zwar habe die Europäisch­e Kommission inzwischen ein EUweites IT-System entwickelt, das dabei helfen könne, Betrug leichter aufzudecke­n und Kontrollen zu automatisi­eren, doch werde dies bislang„von keinem einzigen EU-Land genutzt“.

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FOTO: ISTOCK Gebackene Dorade.

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