Illegal gefangener Fisch auf dem Tisch
Häufig gelangt Ware aus problematischer Quelle in den Handel, wie der Europäische Rechnungshof jetzt herausfand.
LUXEMBURG/BRÜSSEL Klar, es gibt sie, die Kontrollen, die in der gesamten Europäischen Union bewirken sollen, dass frische Fische aus ordnungsgemäßer Herkunft ihren Weg in die Kühltheken antreten. Mit 1200 Patrouillenbooten, 14.400 Inspektoren und 76 Flugzeugen verfolgen die Mitgliedstaaten den Fisch bei seinem Fang auf See, im Hafen, beim Transport und auf den Märkten.
Und doch berichtet der Europäische Rechnungshof nun von Schätzungen, wonach jeder neunte bis fünfte Fisch illegaler Herkunft ist. Trotz der Kontrollsysteme landeten„solche Erzeugnisse immer noch auf dem Tisch der Bürgerinnen und Bürger“, warnte die zuständige Prüferin Eva Lindström am Montag bei der Vorstellung des 61-seitigen Berichtes.
Für das Überleben der Ökosysteme und der vom Aussterben bedrohten Arten ist das eine denkbar schlechte Nachricht. Denn die EU-Bürger haben global den größten Appetit auf Fisch. Das erhöht die Gefahr von Überfischung der Weltmeere. Und vor dem Hintergrund, dass das Zurückwerfen von sogenanntem Beifang mit geringer Überlebenschance eine weitverbreitete Praxis ist, dürfte das Dunkelfeld der Artenbedrohung noch größer sein, als es die Fischverkaufsstatistiken erahnen lassen. Nach entsprechenden Untersuchungen spricht auch die EU-Kommission von„umfangreichem, illegalem und nicht dokumentiertem Rückwurf in verschiedenen Meeresbecken“. Daher kommt Lindström als Ergebnis eingehender Prüfungen zu dem Befund:„Die Mechanismen sind nicht so effizient, wie sie sein könnten.“
Ein Hauptgrund liege darin, dass die Mitgliedsländer die Mechanismen sehr uneinheitlich anwendeten. So würden etwaVerstöße gegen die EU-Vorschriften in Zypern, Litauen und Estland mit 200 Euro geahndet und mit mehr als 7000 Euro in Spanien. Das verleite dann die problematisch agierenden Fischer dazu, vor allem diejenigen Häfen zur Anlandung zu nutzen, in denen nicht so engmaschig kontrolliert werde und die Strafen in keinem Verhältnis zum Profit stünden.
Dabei zeigten die EU-einheitlichen Sanktionen gegen Drittländer mit auffälliger Häufung illegaler
Praktiken vereinzelt durchaus Wirkung. Die EU könne den kompletten Fischimport aus derartigen Regionen mit einer Gelben Karte und damit zusätzlichen Auflagen oder mit einer Roten Karte und damit komplettem Importverbot belegen. In den meisten betroffenen Drittstaaten seien die Karten „Anstoß für Reformen“gewesen.
Bei den schweren Verstößen gegen EU-Vorgaben liegen fehlende Fangdaten mit 34 Prozent an erster Stelle. Auf Platz zwei geht es bei 24 Prozent der festgestellten größeren Verstöße um das Fischen in einem Schongebiet, in einer Schonzeit oder in nicht erlaubten Tiefen. Auf Rang drei liegt mit 13 Prozent der Fälle die Verwendung von verbotenem oder nicht bestimmungsgemäßem Fanggerät.
Vor allem bei der Digitalisierung hinken die Mitgliedstaaten der Europäischen Union nach dem Befund der Prüfer den Kontrollmöglichkeiten hinterher: Seit Einführung einer Fangbescheinigungsregelung habe sich die Rückverfolgbarkeit der Fischereierzeugnisse durchaus verbessert. Doch laufe das Verfahren auf der Basis von Papierformularen. Das erhöhe das Betrugsrisiko. „Eine einzige elektronische Datenbank auf EU-Ebene wäre weitaus wirkungsvoller“, stellen die Prüfer fest. Zwar habe die Europäische Kommission inzwischen ein EUweites IT-System entwickelt, das dabei helfen könne, Betrug leichter aufzudecken und Kontrollen zu automatisieren, doch werde dies bislang„von keinem einzigen EU-Land genutzt“.