Schienennetze vor der Wiederbelebung
Laut Verkehrs- und Fahrgastverbänden könnten 277 Bahnstrecken in Deutschland reaktiviert werden.
BERLIN Das Interesse am Neun-Euro-Ticket hat gezeigt: Viele Menschen sind bereit, häufiger mit der Bahn zu fahren – wenn die Voraussetzungen gegeben sind. Denn laut dem Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) und dem Interessenverband Allianz pro Schiene haben zahlreiche Städte und Gemeinden nach wie vor keinen Zugang zum Bahnnetz. An Potenzial mangle es jedoch nicht. Am Montag präsentierten die Verbände in Berlin eine aktualisierte Liste an stillgelegten Schienenstrecken im deutschen Eisenbahnnetz, die wiederbelebt werden könnten.
„In praktisch allen Regionen Deutschlands gibt es Reaktivierungspotenzial“, sagte der VDVGeschäftsführer Eisenbahn, Martin Henke. Das bedeutet, dass der Personen- und Güterverkehr auf zuvor ungenutzten Gleisen wieder aufgenommen werden kann. DieVerbände schlagen eine Reaktivierung von 277 Strecken mit einer Länge von insgesamt 4573 Kilometern vor. Dadurch könnten allein 332 Städte und Gemeinden – und damit 3,4 Millionen Einwohner – wieder Anschluss an das Bahnnetz erhalten. Dafür müssten Gleis- und Bahnsteiganlagen gegebenenfalls modernisiert sowie Leit- und Sicherungstechnik erneuert werden. Für die Hälfte der Strecke, rund 2187 Kilometer, empfehlen die Verbände eine Elektrifizierung über Oberleitungen.
Seit der Unterzeichnung des Koalitionsvertrags im vergangenen Jahr, in dem die Reaktivierung festgeschrieben wurde, sei jedoch kein einziger Kilometer in Deutschland wiederbelebt worden, so Dirk Flege, Geschäftsführer der Allianz pro Schiene. Das Problem: Es fehlt an Geld. Zum einen gebe es zu wenig Unterstützung des Bundes für die
Länder beim Schienenpersonennahverkehr. Die Mittel, die hierfür zur Verfügung gestellt wurden, die sogenannten Regionalisierungsmittel, seien ausschließlich für Preismaßnahmen wie das Neun-EuroTicket verwendet worden.„Aber die Qualität und Menge des Angebotes, die müssen parallel auch ausgeweitet werden“, gab Flege zu bedenken.
Darüber hinaus gibt es laut den Verbänden keinerlei Finanzierung vom Bund für die Reaktivierung von Strecken, die für den Güterverkehr besonders wichtig seien. Denn:„Die Wirtschaft drängt mit aller Macht auf die Schiene“, wie Flege sagte. Deshalb müsse auch der Güterverkehr stärker in die Reaktivierung des Streckennetzes einbezogen werden – und zwar mit eigenem Budget.