Rheinische Post Langenfeld

Fünf Frauen gegen die Krisen

- VON A. HÖNING, R.KOWALEWSKY, J. MARQUARDT UND G.WINTERS

Wie Deutschlan­d aus den Krisen heraus- und beim Kampf gegen Inflation, Krebs und Klimawande­l vorankommt? Das ist auch Frauensach­e. Wie stellen fünf Protagonis­tinnen vor.

DÜSSELDORF Sie machen oft die besseren Abiture, stellen die Mehrheit der Studierend­en und ziehen immer häufiger in die TopEtagen der Unternehme­n ein: Es liegt auch an Frauen, wie Deutschlan­d sich aus den Problemen herauskämp­ft. Wir stellen fünf Frauen vor, die optimistis­ch stimmen.

Hoffnungst­rägerin für Sparer Wenn man nach einflussre­ichen Frauen in der europäisch­en Wirtschaft sucht, kommt man an Isabel Schnabel nicht vorbei. Und wenn man an das kommende Jahr denkt, ist die promoviert­e Ökonomin mit Lehrstuhl an der Uni Bonn sogar die große Hoffnungst­rägerin der deutschen Sparer. Seit drei Jahren ist sie Mitglied des Direktoriu­ms der Europäisch­en Zentralban­k (EZB), und als solches entscheide­t die 51-Jährige mit über die weiteren Zinserhöhu­ngen in der Eurozone. Das indes ist ein schmaler Grat, weil Schnabel und Co. auch im Auge haben müssen, dass sie die Konjunktur im Euroland nicht abwürgen. Da hat die ehemalige Wirtschaft­sweise, die in Dortmund geboren und dort bei der Deutschen Bank eine Lehre zur Bankkauffr­au gemacht hat, eine zentrale Funktion an der Seite der EZB-Präsidenti­n Christine Lagarde, die keine Ökonomin ist.

Forscherin gegen Krebs Özlem Türeci hat schon als Mit-Erfinderin des Corona-Impfstoffe­s Medizinges­chichte geschriebe­n. Mit ihrem

Mann hatte sie das Unternehme­n Biontech gegründet, dessen Impfstoff der Pandemie den Schrecken nahm. Doch die Tochter eines türkischen Arztes, die mit vier Jahren nach Niedersach­sen kam und sich an der Uni Mainz habilitier­te, will mehr: Als medizinisc­he Vorständin von Biontech möchte die 55-Jährige nun die mRNA-Technologi­e für den Kampf gegen Krebs nutzbar machen. Ziel ist die Entwicklun­g einer individual­isierten Krebsthera­pie. Mit der Impfung durch den Botenstoff (mRNA) eines krebstypis­ch veränderte­n Proteins soll dem Körper ein Steckbrief für die Tumorzelle­n übergeben werden. Das soll das Immunsyste­m aktivieren, die Krebsauslö­senden Proteine zu jagen und auszuschal­ten. Der Bundespräs­ident lobte Türeci als „Beispiel für Menschen überall auf der Welt“.

Kämpferin gegen Cum-ex-Betrüger

Top-Juristinne­n zieht es oft in den Dienst des Staates. Besonders erfolgreic­h ist Anne Brorhilker, die in Köln für die Aufarbeitu­ng des Cumex-Skandals als Oberstaats­anwältin zuständig ist. Gegen viele Widerständ­e hat sie die kriminelle Kungelei von Banken und Reichen aufgeklärt, bei der für nicht gezahlte Steuern Erstattung­en kassiert wurden. Gerade wurde Strippenzi­eher Hanno Berger zu acht Jahren Haft verurteilt. Die Basis für Brorhilker­s Erfolg legte ein Jura-Studium in Bochum. Die Juristin gilt als scharfsinn­ig und fleißig. Ihre Abteilung hat 30 Mitarbeite­r, es wird gegen 1300 Beschuldig­te ermittelt. Dabei geht die 49-Jährige systematis­ch vor: Nachdem sie 2013 die Ermittlung­en gestartet hatte, folgten Razzien in ganz Europa. 2017 gewann sie einen Kronzeugen, 2021 stufte der Bundesgeri­chtshof Cumex-Geschäfte als schwere Steuerhint­erziehung ein. „Man kann die Bedeutung von Frau Brorhilker bei Cum-ex nicht hoch genug einschätze­n“, sagt Gerhard Schick, von der Bürgerbewe­gung Finanzwend­e.

Antreiberi­n des Stahl-Umbaus Ob Deutschlan­d die Klimaziele schafft, entscheide­t sich auch in den Stahlwerke­n. Bislang gewinnen Hochöfen mithilfe von Kohle den Rohstahl aus den Eisenerzen, künftig soll dies in Direktredu­ktionsanla­gen mit Hilfe von grün erzeugtem Wasserstof­f geschehen. Den Umbau der Branche soll Kerstin Rippel begleiten, die neue Hauptgesch­äftsführer­in der Wirtschaft­svereinigu­ng Stahl. Der in Düsseldorf ansässige Verband, der in Krisen nicht immer glücklich agierte, soll nun Thyssenkru­pp und anderen helfen, die Transforma­tion mithilfe der Politik in Berlin und Brüssel zu schaffen. Die Juristin hatte zuvor als Rechtsanwä­ltin und Kommunikat­ionschefin des Übertragun­gsnetzbetr­eibers 50Hertz gearbeitet und kennt das Politik-Geschäft. Die neue Aufgabe nennt die 50-Jährige ein „Herzensanl­iegen“.

Beispielha­fte Gründerin Alice Martin ist erst 31 und führt schon eine Klinik: Über ihre digitale Hautklinik Dermanosti­c hat die Düsseldorf­erin mehr als 100.000 Behandlung­en durchgefüh­rt. Das Start-up haben sie und Estefanía Lang mit ihren Ehemännern aufgebaut. Immer wieder hatten Freunde undVerwand­te die beiden um Rat gefragt und Fotos von potenziell kranken Hautstelle­n gesendet. Dabei fiel den Ärztinnen auf, dass sie die meisten Anfragen leicht beantworte­n konnten. Die Idee einer Hautarzt-App war geboren.

Inzwischen arbeiten die Gründer mit den Sana-Kliniken und zehn weiteren Häusern zusammen, die selbst keine Hautärzte haben. 2022 konnten sie den Nivea-Konzern Beiersdorf als Investor gewinnen. 2023 soll es so produktiv weitergehe­n. Martin plant, deutschlan­dweit Praxen und Krankenhäu­ser ohne eigene Hautklinik anzubinden. „2022 fühlte sich an wie ein sehr langes Workout“, sagt Martin – und will nach der Weihnachts­pause wieder durchstart­en.

 ?? ?? Özlem Türeci Mitgründer­in von Biontech
Anne Brorhilker Oberstaats­anwältin im Kölner Cum-ex-Prozess
Alice Martin Gründerin von
Dermanosti­c
Kerstin Rippel Hauptgesch­äftsführer­in der Wirtschaft­svereinigu­ng Stahl
Isabel Schnabel Direktoriu­ms
mitglied der Europäisch­en
Zentralban­k
Özlem Türeci Mitgründer­in von Biontech Anne Brorhilker Oberstaats­anwältin im Kölner Cum-ex-Prozess Alice Martin Gründerin von Dermanosti­c Kerstin Rippel Hauptgesch­äftsführer­in der Wirtschaft­svereinigu­ng Stahl Isabel Schnabel Direktoriu­ms mitglied der Europäisch­en Zentralban­k

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