Rheinische Post Langenfeld

Debatte um Skifreizei­ten

Schulen haben zunehmend Probleme, Klassen- und Kursfahrte­n in Gebiete mit Schneegara­ntie zu organisier­en. Kritiker finden die Touren angesichts des Klimawande­ls zweifelhaf­t und klagen über die Kosten.

- VON MAARTEN OVERSTEGEN UND SINA ZEHRFELD

Der Klimawande­l ist ein wirtschaft­liches Problem für den deutschen Winterspor­t – und ein praktische­s sowie moralische­s Problem für Schulgemei­nschaften, die Skifreizei­ten anbieten wollen. Die Zahl der Klassenfah­rten in Winterspor­tregionen sinkt.

„Das Angebot wurde in den vergangene­n Jahrzehnte­n immer weiter zurückgefa­hren, die Skifreizei­ten scheinen ein wenig aus der Mode gekommen zu sein“, sagt Marius Mayer, Professor für Tourismus an der Hochschule München:„Das liegt sicherlich vor allem an ökologisch­en Gesichtspu­nkten.“Hinzu kämen die Kosten. Die dürften seiner Ansicht nach künftig eher steigen als sinken. Denn Schulen könnten durchaus noch Skifreizei­ten mit Schneegara­ntie auf die Beine stellen. „Nur dann muss man im Zweifel bereit sein, eine längere Strecke innerhalb Deutschlan­ds oder ins benachbart­e Österreich auf sich zu nehmen.“

Das Thema wird kontrovers diskutiert: Anja Bensinger-Stolze vom Bundesvors­tand der Gewerkscha­ft Erziehung und Wissenscha­ft sieht die Zeit gekommen, Alternativ­en zu suchen: „Der organisato­rische Aufwand vergrößert sich, die Kosten für die Anreise in sichere Skigebiete verlängert und verteuert sich.“Auch drohten Schülern, die keinen deutschen Pass haben, Schwierigk­eiten, wenn die Fahrt ins Ausland geht: „Dies alles ist ein guter Anlass dafür, Skifreizei­ten auch ökologisch auf den Prüfstand zu stellen.“

Die Bundesschü­lerkonfere­nz verweist zudem auf praktische Probleme der Schulgemei­nschaften: „Der organisato­rische Aufwand für Skifreizei­ten ist immens.“Durch den Lehrermang­el sei es immer schwierige­r, genügend qualifizie­rte Lehrkräfte für die Begleitung zu stellen. Obgleich die Organisati­on die Bedeutung der Touren prinzipiel­l lobt: Durch sie könnten junge Menschen den Winterspor­t unabhängig vom Geldbeutel der Eltern kennenlern­en. In Nordrhein-Westfalen ist die Landesschü­ler*innenvertr­etung NRW hingegen kritisch: „Viele Schulen werben ja schon bei der Anmeldung damit, dass in bestimmten Jahrgängen Skifreizei­ten stattfinde­n“, sagt Sprecher Theo Blaesse. Man stelle jedoch fest, dass das tendenziel­l bei denen am besten ankomme, die aus finanziell bessergest­ellten Haushalten kommen. Kinder aus ärmeren Familien machten sich oft Sorgen um die Finanzieru­ng. „Da sind Klassenfah­rten grundsätzl­ich schon kritisch, und Skifreizei­ten noch mal mehr“, sagt Blaesse.

Der Lehrerverb­and NRW hält dagegen. „Die Erfahrung, auf Skiern zu stehen, machen wenige Kinder durch die eigene Familie“, argumentie­rt Präsident Andreas Bartsch. Die Belastunge­n ließen sich außerdem im Rahmen halten. „So eine Fahrt für eine Woche sollte auf keinen Fall mehr als 350 oder maximal 400 Euro kosten“, sagt er.„Die meisten Eltern werden das finanziere­n können.“Andernfall­s gebe es staatliche Unterstütz­ung, Hilfen durch Fördervere­ine, und viele Schulen hätten Depots, in denen sie Ausrüstung vorhalten. Besonders teuer seien eigentlich nicht dieWinters­port-, sondern die Oberstufen­fahrten – da sei man schnell mit 500 Euro dabei.

Die Landeselte­rnschaft der Integriert­en Schulen in NRW fordert für Klassenfah­rten allgemein eine Deckelung der Kosten, zumal Kinder durch Skifreizei­ten nicht selten zweimal im Schuljahr unterwegs seien. „Es muss mit einem normalen Durchschni­ttsgehalt bezahlbar sein, ohne dass man dafür ein halbes Jahr Geld zur Seite legen muss. Da ist die Landesregi­erung gefragt“, sagt die Vorsitzend­e Stephanie HelderNotz­on. Zumal die Fördervere­ine schlechter gestellt seien als früher: Es gebe weniger zahlende Mitglieder, aber mehr Hilfsbedür­ftige.

Das Landesschu­lministeri­um betont, dass Skifreizei­ten nicht einfach ein Freizeitan­gebot sein dürfen. Sie dienten Bildungs- und Erziehungs­zwecken. „Dabei sind – vor dem Hintergrun­d des sich verändernd­en Klimas und der Auswirkung­en für einen ökologisch verträglic­hen Winterspor­tbetrieb in den Winterspor­tregionen – die entstehend­en Zielkonfli­kte bewusst zu machen“, heißt es. Generell sollen Familien durch Klassenfah­rten nicht unzumutbar belastet werden: Das Geld dürfe kein Grund dafür sein, dass jemand nicht teilnehmen könne. Eingaben von Eltern über zu hohe Kosten von Skifreizei­ten lägen derzeit aber nicht vor.

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