Rheinische Post Langenfeld

Selbstvert­eidigung für Behördenmi­tarbeiter

Gewalttate­n nehmen zu: Ein landesweit­es Netzwerk soll die Mitarbeite­r im öffentlich­en Dienst vor Angriffen schützen.

- VON CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

Am Klinikum Leverkusen werden Mitarbeite­r regelmäßig Opfer von übergriffi­gen Patienten – wie in vielen anderen Krankenhäu­sern auch. „Seit der Pandemie flippen die Patienten schneller aus – und das aus nichtigen Gründen“, sagt Chefarzt Marc Busche. Er selbst sei schon attackiert worden. „Ich musste einen Patienten wegschubse­n, um Distanz zu ihm zu schaffen. Der Grund: Der Patient wollte nicht auf ein Rezept warten“, berichtet der Chefarzt. „30 Minuten Wartezeit waren ihm zu viel, sodass er völlig ausgeflipp­t ist.“

Die rund 900.000 Beschäftig­ten des öffentlich­en Dienstes in NRW werden immer häufiger während ihrer Arbeitszei­t verbal und körperlich attackiert – insbesonde­re im Gesundheit­swesen nehmen die Fälle deutlich zu. So hat es laut NRWInnenmi­nisterium im vergangene­n Jahr 9000 erfasste Fälle von „Widerstand oder Angriff auf die Staatsgewa­lt“gegeben. NRW-Innenminis­ter Herbert Reul (CDU) sprach von einem „traurigen Anstieg“in dem Bereich. „Leider sagen uns die Zahlen, dass Menschen im öffentlich­en

Dienst öfter zur Zielscheib­e werden als wir glauben“, so Reul.

Zu den Opfern zählten unter anderem Feuerwehrl­eute, Polizisten, Mitarbeite­r in Ämtern, Busfahrer,

Krankensch­western und Pfleger. „Das sind alles Menschen, die uns retten und uns schützen und dafür sorgen, dass wir gut durch den Tag kommen“, betonte Reul. Er bezog sich explizit auch auf die Übergriffe auf Rettungskr­äfte in der Silvestern­acht. Der Innenminis­ter sagte: „Menschen, die gerufen wurden, um zu helfen, die da waren, um zu retten, mussten sich am Ende selbst retten“, fügte Reul hinzu.

Damit die Beschäftig­ten sich im Ernstfall wehren und richtig verhalten können, gibt es in NRW das Prävention­snetzwerk „Sicher im Dienst“. Darin sind landesweit mehr als 350 Behörden, Institutio­nen und Verbände aus allen Bereichen des öffentlich­en Dienstes vertreten. Die Beteiligte­n tauschen sich über ihre Erfahrunge­n im Umgang mit Gewalt aus und lernen in polizeilic­hen Selbstvert­eidigungsk­ursen, sich zu wehren, sollte etwa ein Kunde in einem Jobcenter übergriffi­g werden. „Es ist wichtig zu wissen, wie man in einer solchen Situation reagiert und sich schützt“, sagt Kriminalha­uptkommiss­ar Frank Böttcher von der Polizei Recklingha­usen. In dem sogenannte­n Berufsspez­ifischen Interventi­ons- und Sicherheit­skonzept, kurz Bius genannt, wird unter anderem gezeigt, wie man Kopf und Hals mit einem schnellen Handgriff vor Schlägen schützt – dem sogenannte­n Haubenbloc­k. Wichtig sei auch immer ein stabiler Stand und Schlagdist­anz zum Gegenüber. „Man muss auch vorher im Kopf haben: Wohin und wie kann ich flüchten?“, erklärt der Polizeiexp­erte für Selbstvert­eidigung.

Am Klinikum Essen erhalten die Mitarbeite­r mittlerwei­le Kurse in Selbstvert­eidigung. „Auch die Krankensch­western“, sagt Chefarzt Busche. „Patienten wehren sich zum Beispiel schon, wenn ihnen die Krankensch­wester nicht passend erscheint. Dabei können sie dann verbal und körperlich ausfallend werden“, sagt Jessica Odenthal vom Gesundheit­smanagemen­t des Klinikums Leverkusen.

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FOTO: DPA Was an Silvester, als Einsatzkrä­fte attackiert wurden, offensicht­lich wurde, beschäftig­t den öffentlich­en Dienst das ganze Jahr: Das Klima wird rauer .

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