Selbstverteidigung für Behördenmitarbeiter
Gewalttaten nehmen zu: Ein landesweites Netzwerk soll die Mitarbeiter im öffentlichen Dienst vor Angriffen schützen.
Am Klinikum Leverkusen werden Mitarbeiter regelmäßig Opfer von übergriffigen Patienten – wie in vielen anderen Krankenhäusern auch. „Seit der Pandemie flippen die Patienten schneller aus – und das aus nichtigen Gründen“, sagt Chefarzt Marc Busche. Er selbst sei schon attackiert worden. „Ich musste einen Patienten wegschubsen, um Distanz zu ihm zu schaffen. Der Grund: Der Patient wollte nicht auf ein Rezept warten“, berichtet der Chefarzt. „30 Minuten Wartezeit waren ihm zu viel, sodass er völlig ausgeflippt ist.“
Die rund 900.000 Beschäftigten des öffentlichen Dienstes in NRW werden immer häufiger während ihrer Arbeitszeit verbal und körperlich attackiert – insbesondere im Gesundheitswesen nehmen die Fälle deutlich zu. So hat es laut NRWInnenministerium im vergangenen Jahr 9000 erfasste Fälle von „Widerstand oder Angriff auf die Staatsgewalt“gegeben. NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) sprach von einem „traurigen Anstieg“in dem Bereich. „Leider sagen uns die Zahlen, dass Menschen im öffentlichen
Dienst öfter zur Zielscheibe werden als wir glauben“, so Reul.
Zu den Opfern zählten unter anderem Feuerwehrleute, Polizisten, Mitarbeiter in Ämtern, Busfahrer,
Krankenschwestern und Pfleger. „Das sind alles Menschen, die uns retten und uns schützen und dafür sorgen, dass wir gut durch den Tag kommen“, betonte Reul. Er bezog sich explizit auch auf die Übergriffe auf Rettungskräfte in der Silvesternacht. Der Innenminister sagte: „Menschen, die gerufen wurden, um zu helfen, die da waren, um zu retten, mussten sich am Ende selbst retten“, fügte Reul hinzu.
Damit die Beschäftigten sich im Ernstfall wehren und richtig verhalten können, gibt es in NRW das Präventionsnetzwerk „Sicher im Dienst“. Darin sind landesweit mehr als 350 Behörden, Institutionen und Verbände aus allen Bereichen des öffentlichen Dienstes vertreten. Die Beteiligten tauschen sich über ihre Erfahrungen im Umgang mit Gewalt aus und lernen in polizeilichen Selbstverteidigungskursen, sich zu wehren, sollte etwa ein Kunde in einem Jobcenter übergriffig werden. „Es ist wichtig zu wissen, wie man in einer solchen Situation reagiert und sich schützt“, sagt Kriminalhauptkommissar Frank Böttcher von der Polizei Recklinghausen. In dem sogenannten Berufsspezifischen Interventions- und Sicherheitskonzept, kurz Bius genannt, wird unter anderem gezeigt, wie man Kopf und Hals mit einem schnellen Handgriff vor Schlägen schützt – dem sogenannten Haubenblock. Wichtig sei auch immer ein stabiler Stand und Schlagdistanz zum Gegenüber. „Man muss auch vorher im Kopf haben: Wohin und wie kann ich flüchten?“, erklärt der Polizeiexperte für Selbstverteidigung.
Am Klinikum Essen erhalten die Mitarbeiter mittlerweile Kurse in Selbstverteidigung. „Auch die Krankenschwestern“, sagt Chefarzt Busche. „Patienten wehren sich zum Beispiel schon, wenn ihnen die Krankenschwester nicht passend erscheint. Dabei können sie dann verbal und körperlich ausfallend werden“, sagt Jessica Odenthal vom Gesundheitsmanagement des Klinikums Leverkusen.