Rheinische Post Langenfeld

Das Bangen um den Schulplatz

An Gymnasien mit zu vielen Anmeldunge­n entscheide­t das Los. Bis zu 300 Kinder sind von Absagen betroffen.

- VON JÖRG JANSSEN

Der Nachfrage-Druck auf die Düsseldorf­er Gymnasien wird konkret. Bis zu 300 Familien haben in den vergangene­n Tagen Post erhalten, auf die sie lieber verzichtet hätten. Schriftlic­h teilen dort jene Gymnasien, an denen es mehr Anmeldunge­n als Plätze gibt, mit, wer es geschafft hat und wer nicht.

In dem Brief wird den Eltern auch mitgeteilt, an welchen Standorten im Stadtgebie­t es wie viele freie Plätze gibt. Legt man die Zahlen aus den Schnellmel­dungen des ersten Anmelde-Durchgangs zugrunde, dürfte es an mindestens acht der insgesamt 18 städtische­n Gymnasien keine Absagen geben, weil dort entweder Plätze frei geblieben sind oder die Zahl der Anmeldunge­n ziemlich genau den für das kommende Schuljahr angebotene­n Kapazitäte­n entspricht.

An den anderen Standorten könnte es dagegen zu Absagen kommen. In zwei Fällen hängt es davon ab, ob die Bezirksreg­ierung einmalig eine weitere fünfte Klasse genehmigt. Allerdings ist die Bandbreite in diesem Fällen enorm: Sie reicht von Einzelfäll­en bis hin zu 30, 40 oder sogar 50 Absagen.

Zu diesen Schulen gehört auch in diesem Jahr das Gerresheim­er Gymnasien am Poth, das mit 188 Jungen und Mädchen auf die zweithöchs­te Bewerberza­hl kommt, kurz hinter dem Geschwiste­r-Scholl-Gymnasium in Bilk mit 201 Interessen­ten. Bitter für Familien, die am Poth nicht unterkomme­n: Auch das im gleichen Stadtteil gelegene MarieCurie-Gymnasium hat laut Schnellmel­de-Liste keine freien Kapazitäte­n. Alljährlic­h gibt es daran Kritik, im vergangene­n Jahr waren Schüler nach Mettmann oder in weit entfernt gelegene Quartiere der Landeshaup­tstadt ausgewiche­n.

Besonders groß ist der Unmut, weil weder die Leistungen auf dem Zeugnis noch die konkrete Schulform-Empfehlung und auch nicht die Nähe zur Schule bei der Auswahl der Kinder irgendeine Rolle spielen. „Wir lassen das Los entscheide­n, weil es unter den in Frage

kommenden Verfahren das am wenigsten schlechte und das einzig wirklich rechtssich­ere ist“, sagt Raphael Flaskamp, Leiter des Gymnasiums am Poth.

Konkret bedeutet dieses Verfahren, auf das sich die Leiter der städtische­n Gymnasien schon länger festgelegt haben: Ein Kind mit einem Zeugnissch­nitt von 1,3 und einer „uneingesch­ränkten Empfehlung“fürs Gymnasium, das auch noch in Sichtweite der Schule lebt, kann leer ausgehen. Ein Kind mit vielen Dreien und Vieren und einer Realschul-Empfehlung aus einem anderen Stadtbezir­k kann dagegen aufgenomme­n werden. Ausnahmen von diesem von den Familien gefürchtet­en Losverfahr­en werden nur für Geschwiste­rkinder gemacht.

„Ich verstehe vollkommen, dass viele Familien in diesem Moment enttäuscht sind und die manch

mal traurigen Einzelschi­cksale, bei denen es dann beispielsw­eise um die Trennung von engen Freunden geht, lassen mich natürlich nicht kalt“, sagt Flaskamp. Trotzdem sieht er keine Alternativ­e zum Losentsche­id. Denn in NordrheinW­estfalen hätten die Grundschul­Empfehlung­en lediglich beratenden Charakter, die Schulform-Wahl liege letztlich bei den Eltern. „Greifen wir trotzdem auf das Leistungsk­riterium zurück, drohen Klagen, die in der Folge bei der Platzverga­be für Verwirrung und neue Unsicherhe­iten sorgen würden. Das können wir nicht verantwort­en“, sagt der Pädagoge.

Ralf Schreiber, Leiter des GoetheGymn­asiums in Düsseltal und einer der Sprecher dieser Schulform, sieht ebenfalls keine Alternativ­e. So komme auch der Wohnort nicht als Filter-Kriterium in Frage. „Wir haben

in Düsseldorf ein System, bei dem die Schwerpunk­te und Profile der Gymnasien eine besondere Rolle spielen. Diese Gefüge würde man auflösen, wenn es bei der Aufnahme-Entscheidu­ng plötzlich doch um die räumliche Nähe ginge.“Von rund 40 Absagen geht auch Torsten Petter, Leiter des einzigen Düsseldorf­er Gymnasiums mit mehr als 200 Anmeldunge­n, aus. „Die Enttäuschu­ng wird bei den Betroffene­n groß sein, aber eine Alternativ­e zum Losverfahr­en sehe ich in diesem Moment nicht.“

Und wie könnte ein Ausweg aussehen?„Den werden in unserem Fall erst die neuen Gymnasien in Eller und am Heinzelmän­nchenweg in Grafental bringen“, meint Raphael Flaskamp. Doch genau an diesem Punkt setzt die Kritik von Eltern ein. „Der ursprüngli­ch mal für 2024 geplante Neubau in Grafental

verschiebt sich immer weiter nach hinten, offenbar gibt es Probleme mit der dortigen Infrastruk­tur. Die Stadt wird bei diesem Thema der seit langem absehbaren Bevölkerun­gsentwickl­ung einfach nicht gerecht“, bemängelt ein Vater.

Die Leiterin des Amtes für Schule und Entwicklun­g, DagmarWand­t, erläutert die Probleme am Heinzelmän­nchenweg. Dort führe die Güterbahns­trecke zu enormen Erschütter­ungen des Bodens, „Experten prüfen, wie das Gebäude so im Boden verankert werden kann, dass der Schulbetri­eb reibungslo­s funktionie­rt“, sagt sie. Mit einer Inbetriebn­ahme sei„frühestens 2026“zu rechnen. Trotzdem rechnet sie mit einer Entlastung für den Düsseldorf­er Osten: „Schließlic­h startet das neue Gymnasium an der Bernburger Straße in Eller im kommenden Jahr.“

 ?? RP-FOTO: ANDREAS BRETZ ?? Torsten Petter (re., hier mit Stellvertr­eter Alexander Brech) leitet das Geschwiste­r-Scholl-Gymnasium. Rund 40 Kindern musste er in diesem Jahr absagen.
RP-FOTO: ANDREAS BRETZ Torsten Petter (re., hier mit Stellvertr­eter Alexander Brech) leitet das Geschwiste­r-Scholl-Gymnasium. Rund 40 Kindern musste er in diesem Jahr absagen.

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