Überfällige Digitalisierung
Gefühlt ist es der 100. Anlauf, den eine Bundesregierung unternimmt, um die Digitalisierung von Patientendaten voranzubringen. Deutschland ist mit Blick auf die Verfügbarkeit und die Nutzung digitaler Rezepte, Arztberichte, Medikationspläne und anderer Daten peinlich rückständig. Noch immer ist das Faxgerät in vielen Praxen das Kommunikationsmittel der Wahl, um Informationen über Patienten mit anderen Praxen oder mit Krankenhäusern auszutauschen. Meist bleiben die Daten vollkommen intransparent für Patienten, die doch Besitzer dieser Daten sind.
Nach mehr als 20 Jahren ist es nun überfällig, dass sich die Strategie ändert: Künftig soll man sich nicht selbst darum bemühen, dass man eine elektronische Patientenakte bekommt. Sie wird der Standardfall und man muss sich aktiv dagegen entscheiden, wenn man seine Daten weiterhin nur analog verfügbar machen will. Dass dieser Weg von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) gewählt wurde, ist angesichts der blamablen bisherigen Anläufe verständlich. Doch vor diesem kräftigen Anschub muss der Staat garantieren können, dass die Daten mit höchsten Sicherheitsstandards gespeichert und weitergereicht werden. Gut ist auch, dass der Zugang für forschende Unternehmen undWissenschaftler zu pseudonymisierten Daten erleichtert werden soll.
Doch es gibt mehrere Probleme. Eines davon ist, dass Gesundheitsminister Lauterbach am Donnerstag erklären musste, dass es noch keine fertige Regelung zur Fütterung der elektronischen Patientenakten mit den bereits existierenden Daten gibt. Für Ärzte wäre das der Horror, zugleich gibt es kaum einen anderen Weg als über sie. Und dennoch ist der Anschub wichtig, um den Rückstand in Deutschland aufzuholen – wohlgemerkt unter der Voraussetzung, dass Verwahrung und Nutzung der Daten sicher sind.