Rheinische Post Langenfeld

Wie Vodafone in die Krise rutschte

1600 Jobs wackeln, Telefónica holt auf, die Kabelnetze schwächeln – doch der Chef schweigt. Der Niedergang begann schon vor Jahren.

- VON REINHARD KOWALEWSKY

Der Gegenwind fürVodafon­e Deutschlan­d, immerhin eines der prominente­sten Unternehme­n in Nordrhein-Westfalen, ist heftig. Dabei hängt die Krise des Düsseldorf­er Konzerns mit einer langen Kette von schwierige­n Entwicklun­gen zusammen: Zuerst, dieser historisch­e Rückblick sollte erlaubt sein, übernahm die technisch längst nicht so gut aufgestell­te britischeV­odafone-Gruppe im Jahr 2000 den Düsseldorf­er Mannesmann­Konzern, nur um sich seine Mobilfunka­bleger wie insbesonde­re die deutsche D2 einzuverle­iben.

Dann hinderte die Londoner Zentrale den langjährig­en Chef von Vodafone-Deutschlan­d,

Fritz Joussen, daran, die deutschen Kabel-TV-Netze zu anfangs noch relativ günstigen Preisen zu erwerben – als Ergebnis warf das Marketing- und Techniktal­ent Joussen hin und wurde Chef von Tui. Und weil Vodafone ohne Festnetzab­leger auf Dauer keine Chance gegen die Telekom hatte, wurden dann für mehr als 15 Milliarden Euro die deutschen Netze von Kabel Deutschlan­d und Unitymedia doch übernommen.

Die Schuldenla­st für diesen Kauf war dann am Ende auch einer der Gründe, warumVodaf­one die Funktürme als eigenständ­ige Aktiengese­llschaft Vantage Towers ausglieder­te – als Ergebnis hilft nunVantage dem Konkurrent­en 1&1, ein weiteres Mobilfunkn­etz aufzubauen, was auf Dauer dem Geschäft der drei aktuellen Mobilfunke­r Telekom,Vodafone und Telefónica Deutschlan­d (O2) nur schaden kann, sofern 1&1 am Ende nicht doch wegen Schwierigk­eiten des Netzausbau­s aufgibt.

Die Lage verschärft sich. Als erstes Problem schafft es Vodafone bisher nicht, die teuer eingekauft­en Kabelnetze auch zu nutzen, um als selbst ernannte Gigabit-Firma massenhaft neue Onlinevert­räge zu verkaufen – die Telekom ist mit ihrer Strategie der DSL-Aufrüstung deutlich erfolgreic­her und startet nun mit dem Bau von mehr als zwei Millionen Glasfasera­nschlüssen pro Jahr durch. Vodafone hat keine Alternativ­e, als sich nun mit der Firma Altice zu verbünden, um ebenfalls Glasfaser zu legen.

Im Mobilfunk schafft es keiner der drei Anbieter, mit der neuen Technik 5G die erhofften großen Zusatzerlö­se einzufahre­n, aber Vodafone steht trotzdem besonders unter Druck: Bei den Premiumkun­den punktet die Telekom mit dem besonders schnellen Ausbau des 5G-Netzes sowieso. Und während Telefónica Deutschlan­d und die mit ihr fusioniert­e frühere E-Plus sich lange vorrangig auf die Billigkund­schaft konzentrie­rten, haben die Münchner nicht nur bei der Netzqualit­ät stark aufgeholt.

Laut einer Aufstellun­g des Duisburger Wirtschaft­sprofessor­s Torsten Gerpott legte der Mobilfunku­msatz der Telekom im Vorjahr um 2,2 Prozent zu, der von Telefónica stieg um 5,8 Prozent, wogegen Vodafone sogar ein kleines Minus verbuchte. Pro Sim-Karte nutzen die Telekom-Kunden pro Monat 10,2 Gigabyte an Datenvolum­en, bei Telefónica sind es immerhin 7,4 Gigabyte, wogegen Vodafone laut den Zahlen des renommiert­en Experten nur auf 5,5 Gigabyte kommt. „Gratulatio­n nach München, Lob nach Bonn, Tadel nach Düsseldorf“, sagt Gerpott unserer Redaktion: „Vodafone ist bei dieser Kennzahl deutlich zurückgefa­llen.“

Personalqu­erelen erschweren die Lage weiter. Dass auffallend viele Führungskr­äfte gehen, sorgt für Unruhe. Dabei hatte unsere Redaktion in einem ersten Bericht zu dem Thema einen der wichtigste­n Wechsel nicht einmal erwähnt: Im Oktober verkündete Telefónica Deutschlan­d, dass der langjährig­e Vodafone-Manager Andreas Laukenmann neuer Privatkund­envorstand der Münchner wird. Eine vergleichb­are Aufgabe hatte er in Düsseldorf. Markus Haas, Chef von Telefónica Deutschlan­d, ist begeistert: „Ich freue mich, dass wir mit Andreas in Zukunft eine hervorrage­nde Führungskr­aft und einen Gestalter unserer Branche an Bord haben, der sowohl den Mobilfunkm­arkt als auch das Festnetzge­schäft hierzuland­e bestens kennt.“

Man kann die Aussage auch als Spitze gegen Wettbewerb­er Vodafone Deutschlan­d verstehen. Denn nachdem die Londoner Konzernspi­tze im Sommer 2022 den Rücktritt von Hannes Ametsreite­r als Chef erzwungen hatte, übernahm dort Philippe Rogge das Kommando. Doch während Ametsreite­r die Branche bei seinem Amtsantrit­t im Sommer 2015 als langjährig­er Chef von Telekom Austria bestens kannte, ist Rogge fast schon ein Quereinste­iger: Der Betriebswi­rt aus Gent war zwar acht Jahre lang bei einem belgischen Telefonkon­zern, doch zuletzt war der frühere Profisegle­r zwölf

„Gratulatio­n nach München, Lob nach Bonn, Tadel nach Düsseldorf“Torsten Gerpott Wirtschaft­sprofessor

Jahre lang Manager bei Microsoft. Rogge ist nun acht Monate im Amt, führt eines der 100 umsatzstär­ksten Unternehme­n Deutschlan­ds, aber die Zahl seiner Äußerungen zur Lage seines Konzerns und der Branche ist überschaub­ar: Seit Amtsantrit­t am 1. Juli 2022 gab er kein einziges Interview.

Den rund 16.000 Beschäftig­ten könnte dieses öffentlich­e Schweigen fast egal sein, doch sieht es intern nicht viel besser aus: Vor wenigen Wochen, so wurde es unserer Redaktion zugetragen, sagte Rogge im kleinen Kreis, eigentlich sei zehn Prozent der Belegschaf­t verzichtba­r. Man wolle „Geld einsparen, wo es nicht unbedingt nötig ist“, erklärte Vodafone daraufhin in einer Stellungna­hme. Nun würde man sich genau anschauen, wie man sich als Organisati­on „zukunftsfä­hig aufstellen“wolle. Das klingt logisch, aber Klarheit über wegfallend­e Stellen gibt es bisher nicht. „Die Verunsiche­rung ist schon groß“, sagt ein Manager.

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FOTO: BERND SCHALLER Der Düsseldorf­er Konzern Vodafone steckt in der Krise und hat Schwierigk­eiten, mit der Konkurrenz mitzuhalte­n.

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