Wie Vodafone in die Krise rutschte
1600 Jobs wackeln, Telefónica holt auf, die Kabelnetze schwächeln – doch der Chef schweigt. Der Niedergang begann schon vor Jahren.
Der Gegenwind fürVodafone Deutschland, immerhin eines der prominentesten Unternehmen in Nordrhein-Westfalen, ist heftig. Dabei hängt die Krise des Düsseldorfer Konzerns mit einer langen Kette von schwierigen Entwicklungen zusammen: Zuerst, dieser historische Rückblick sollte erlaubt sein, übernahm die technisch längst nicht so gut aufgestellte britischeVodafone-Gruppe im Jahr 2000 den Düsseldorfer MannesmannKonzern, nur um sich seine Mobilfunkableger wie insbesondere die deutsche D2 einzuverleiben.
Dann hinderte die Londoner Zentrale den langjährigen Chef von Vodafone-Deutschland,
Fritz Joussen, daran, die deutschen Kabel-TV-Netze zu anfangs noch relativ günstigen Preisen zu erwerben – als Ergebnis warf das Marketing- und Techniktalent Joussen hin und wurde Chef von Tui. Und weil Vodafone ohne Festnetzableger auf Dauer keine Chance gegen die Telekom hatte, wurden dann für mehr als 15 Milliarden Euro die deutschen Netze von Kabel Deutschland und Unitymedia doch übernommen.
Die Schuldenlast für diesen Kauf war dann am Ende auch einer der Gründe, warumVodafone die Funktürme als eigenständige Aktiengesellschaft Vantage Towers ausgliederte – als Ergebnis hilft nunVantage dem Konkurrenten 1&1, ein weiteres Mobilfunknetz aufzubauen, was auf Dauer dem Geschäft der drei aktuellen Mobilfunker Telekom,Vodafone und Telefónica Deutschland (O2) nur schaden kann, sofern 1&1 am Ende nicht doch wegen Schwierigkeiten des Netzausbaus aufgibt.
Die Lage verschärft sich. Als erstes Problem schafft es Vodafone bisher nicht, die teuer eingekauften Kabelnetze auch zu nutzen, um als selbst ernannte Gigabit-Firma massenhaft neue Onlineverträge zu verkaufen – die Telekom ist mit ihrer Strategie der DSL-Aufrüstung deutlich erfolgreicher und startet nun mit dem Bau von mehr als zwei Millionen Glasfaseranschlüssen pro Jahr durch. Vodafone hat keine Alternative, als sich nun mit der Firma Altice zu verbünden, um ebenfalls Glasfaser zu legen.
Im Mobilfunk schafft es keiner der drei Anbieter, mit der neuen Technik 5G die erhofften großen Zusatzerlöse einzufahren, aber Vodafone steht trotzdem besonders unter Druck: Bei den Premiumkunden punktet die Telekom mit dem besonders schnellen Ausbau des 5G-Netzes sowieso. Und während Telefónica Deutschland und die mit ihr fusionierte frühere E-Plus sich lange vorrangig auf die Billigkundschaft konzentrierten, haben die Münchner nicht nur bei der Netzqualität stark aufgeholt.
Laut einer Aufstellung des Duisburger Wirtschaftsprofessors Torsten Gerpott legte der Mobilfunkumsatz der Telekom im Vorjahr um 2,2 Prozent zu, der von Telefónica stieg um 5,8 Prozent, wogegen Vodafone sogar ein kleines Minus verbuchte. Pro Sim-Karte nutzen die Telekom-Kunden pro Monat 10,2 Gigabyte an Datenvolumen, bei Telefónica sind es immerhin 7,4 Gigabyte, wogegen Vodafone laut den Zahlen des renommierten Experten nur auf 5,5 Gigabyte kommt. „Gratulation nach München, Lob nach Bonn, Tadel nach Düsseldorf“, sagt Gerpott unserer Redaktion: „Vodafone ist bei dieser Kennzahl deutlich zurückgefallen.“
Personalquerelen erschweren die Lage weiter. Dass auffallend viele Führungskräfte gehen, sorgt für Unruhe. Dabei hatte unsere Redaktion in einem ersten Bericht zu dem Thema einen der wichtigsten Wechsel nicht einmal erwähnt: Im Oktober verkündete Telefónica Deutschland, dass der langjährige Vodafone-Manager Andreas Laukenmann neuer Privatkundenvorstand der Münchner wird. Eine vergleichbare Aufgabe hatte er in Düsseldorf. Markus Haas, Chef von Telefónica Deutschland, ist begeistert: „Ich freue mich, dass wir mit Andreas in Zukunft eine hervorragende Führungskraft und einen Gestalter unserer Branche an Bord haben, der sowohl den Mobilfunkmarkt als auch das Festnetzgeschäft hierzulande bestens kennt.“
Man kann die Aussage auch als Spitze gegen Wettbewerber Vodafone Deutschland verstehen. Denn nachdem die Londoner Konzernspitze im Sommer 2022 den Rücktritt von Hannes Ametsreiter als Chef erzwungen hatte, übernahm dort Philippe Rogge das Kommando. Doch während Ametsreiter die Branche bei seinem Amtsantritt im Sommer 2015 als langjähriger Chef von Telekom Austria bestens kannte, ist Rogge fast schon ein Quereinsteiger: Der Betriebswirt aus Gent war zwar acht Jahre lang bei einem belgischen Telefonkonzern, doch zuletzt war der frühere Profisegler zwölf
„Gratulation nach München, Lob nach Bonn, Tadel nach Düsseldorf“Torsten Gerpott Wirtschaftsprofessor
Jahre lang Manager bei Microsoft. Rogge ist nun acht Monate im Amt, führt eines der 100 umsatzstärksten Unternehmen Deutschlands, aber die Zahl seiner Äußerungen zur Lage seines Konzerns und der Branche ist überschaubar: Seit Amtsantritt am 1. Juli 2022 gab er kein einziges Interview.
Den rund 16.000 Beschäftigten könnte dieses öffentliche Schweigen fast egal sein, doch sieht es intern nicht viel besser aus: Vor wenigen Wochen, so wurde es unserer Redaktion zugetragen, sagte Rogge im kleinen Kreis, eigentlich sei zehn Prozent der Belegschaft verzichtbar. Man wolle „Geld einsparen, wo es nicht unbedingt nötig ist“, erklärte Vodafone daraufhin in einer Stellungnahme. Nun würde man sich genau anschauen, wie man sich als Organisation „zukunftsfähig aufstellen“wolle. Das klingt logisch, aber Klarheit über wegfallende Stellen gibt es bisher nicht. „Die Verunsicherung ist schon groß“, sagt ein Manager.