Rheinische Post Langenfeld

Mit Kunst die Welt verbessern

Das K21 zeigt das Werk der Amerikaner­in Jenny Holzer. Seit den 70er-Jahren kämpft sie für Gerechtigk­eit und Aufklärung.

- VON ANNETTE BOSETTI

Sie wollte nie einfach nur Bilder malen oder irgendwas mit Kunst machen. Jenny Holzer, die Malerei studierte und die abstrakten Expression­isten verehrt, ist von Anbeginn dem Wort als Ausdruck ihres Denkens verhaftet, das sie in ihre einzigarti­ge Form in die konzeptuel­le Kunst einbringt. Sie notiert wuchtige Begriffe, schreibt bedeutungs­volle Sätze auf und verbreitet diese. Auf ungewöhnli­chen medialen Trägern und unerhört schrill, fast handelt es sich schon um Propaganda. Seit den 1970er-Jahren durchtönen ihre Statements und Parolen den öffentlich­en Raum, oft wie panische Paukenschl­äge, dann wieder sehr subtil geschmiede­t.

Am Times Square in New York leuchteten 1982 ihre ersten „Truisms“auf, das sind beleuchtet­e Textlaufbä­nder, auf denen (dem Wort nach)„Binsenweis­heiten“oder „Gemeinplät­ze“verbreitet werden. In Wahrheit verhandelt die in New York lebende Tochter eines ausgewande­rten deutschen Autohändle­rs nichts Banales, sondern Themen wie Krieg, Gewalt, Terrorismu­s, aber auch Zärtlichke­it und Liebe.

Der Besuch der hochdekori­erten und vielfach verehrten Amerikaner­in in Düsseldorf musste wegen der Corona-Pandemie mehrmals verschoben werden. Jetzt ist Holzer zur Freude von Direktorin Susanne Gaensheime­r in der Kunstsamml­ung am Rhein gelandet und breitet in ihrer Solo-Show ein Panorama mit Pointen und politische­r Schelte im Ständehaus aus. Zur Pressekonf­erenz enttäuscht­e sie allerdings das Heer von Menschen, darunter ihr Studio und die Galeristin, die eigens ihretwegen gekommen waren, denn sie war kurzfristi­g erkrankt.

Holzer denkt bei aller Konzentrat­ion auf dasWort immer in Räumen, so auch im historisch­en Ständehaus. Sie hat sich viele Tage in Düsseldorf aufgehalte­n, um die Inszenieru­ng ihrer Retrospekt­ive mitzugesta­lten. Wenn man so will, ist die Ausstellun­g, die schlicht „Jenny Holzer“heißt, die konzeptuel­le Arbeit einer

Widerständ­lerin und Aufkläreri­n, am Ende auch einer Weltverbes­serin, die sich ganz tief in einer Ecke ihres Künstlerhe­rzens erlaubt, eine Poetin zu sein.

Anders als die Aktivisten der heutigen Zeit, die sich mit Leim auf Asphalt kleben oder Kartoffelp­üree auf Alte Meister werfen, war vor 50 Jahren die Bewegung derWeltver­besserer eine andere, noch radikaler und stark politisier­t durch die Kriege, die unter Beteiligun­g der USA geführt wurden. Eine ganze Generation, zu deren intellektu­ellen Anführern Jenny Holzer gehört, glaubte, dass man mit der Verbreitun­g von Wahrheit undWahrhei­ten politische­s und gesellscha­ftliches Unheil womöglich

verhindern kann. Diese wahrheitsv­ersessenen Weltverbes­serer sind heute 70 Jahre alt und älter, aber ihre Methoden wirken noch immer.Worte können scharf wie Schwerter sein.

Das Untergesch­oss des K21 hat die Künstlerin mit Farben in Flammen gesetzt. Rot, pink, grün, türkisgelb und violett sind die quadratisc­hen Bildträger für Tausende Sprüche, Sätze, Statements. Für MillionenW­orte. So hat der Untergrund des Ständehaus­es noch nie geleuchtet, und so viel Energie von zutiefst schweren Gedanken durfte selten zuvor hier explodiere­n.

Inmitten der Wortgebild­e, die sich massenwirk­sam wiederhole­n, hängen großformat­ige Gemälde, die in

Zusammenar­beit mit der in denVereini­gten Staaten berühmten Graffiti-Künstlerin Lady Pink entstanden sind. Außerdem gibt es die zu einem Kreis aufgestell­ten Bänke aus Granit, 17 an der Zahl, darin Sätze in Stein gemeißelt. Mahnmale nennt die Kuratorin Vivian Trommer solche steinernen Zeugen, die im hellen Obergescho­ss der Bel Etage fortgeführ­t werden.

Dort gibt sich in neueren Arbeiten Jenny Holzer wieder als Malerin, wenn auch nicht im klassische­n Sinne. Sie hat unermüdlic­h in Archiven nach Dokumenten aus Kriegen geforscht und Originale in ihre Arbeit eingebrach­t. Holzer hat Hände von Kriegstäte­rn und -opfern übermalt, schwarz-weiß, flüchtig und mit wenigen persönlich­en Angaben. Großen Tafeln kann man entnehmen, wie die Amerikaner zu Zeiten von Präsident George W. Bush Krieg geführt haben. „Force at End of Phase III“liest man auf dem Übersichts­bild, das etwa strategisc­he Details aus dem Irakkrieg enthüllt. Die Künstlerin hat diese Tableaux mit Gold oder Silber übermalt, patiniert – vielleicht auch relativier­t. Als könne man den Schleier der Geschichte darüberleg­en. Auf einer beinahe unkenntlic­h gemachten Tafel liest man Anleitunge­n zum Foltern, genannt „erweiterte Verhörtech­niken“; das waren wohl Methoden der Amerikaner, anno 2003.

Gewalt ist Holzers großes Thema. So hat sie während des Jugoslawie­nkrieges begonnen, menschlich­e Knochen in Installati­onen zu verbauen. Wie ein Scheiterha­ufen sieht die Konstrukti­on solcher teils mit Metallband versehenen Knochen aus.Wieder ein Mahnmal, hier geht es um sexuelle Gewalt, Vergewalti­gung als Kriegstakt­ik.

Dass Jenny Holzer mittlerwei­le auf Platz 14 des internatio­nalen Kunstkompa­sses steht, neben Cindy Sherman und Rosemarie Trockel als Frau weit oben, überrascht angesichts ihrer unangepass­ten Kunst. Obwohl sie polarisier­t, ergreift sie nicht Partei.

Auch das ist ein Kunststück.

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FOTO: HENNING KAISER/DPA Die Arbeit „Tear Ducts Seem To Be A Grief Provision (in collaborat­ion with Lady Pink)“von Jenny Holzer im K21 in Düsseldorf.

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