„Vertrösten, beruhigen, erschöpfen“
Der Bonner Kirchenrechtler kritisiert die gegenwärtigen Beratungen im Vatikan als ein Ablenkungsmanöver des Papstes: Der Synodale Weg sei nie ein Reformprozess gewesen, sondern nur eine Bittprozession.
Sie haben den Synodalen Weg in Deutschland als eine Form der Täuschung beschrieben, mit dem das Gottesvolk hierzulande beruhigt werden soll. Wie bewerten Sie vor diesem Hintergrund jetzt die römische Weltsynode?
LÜDECKE Sie ist das Großformat einesVertröstungs- und Beruhigungsevents. Wenn der Papst sich zu ihm genehmen Themen und nach seiner Tagesordnung beraten, das heißt, sich Vorschläge machen lassen möchte, über deren Brauchbarkeit er danach souverän entscheidet, dann beruft er eine Bischofssynode ein. Deren institutionalisierte Unverbindlichkeit versucht der Papst aktuell etwas zu kaschieren: Unter einigen wenigen Nicht-Bischöfen lässt er noch weniger Laien und ein paar Frauen teilnehmen. Und er verleiht ihnen auch das Recht, mit abzustimmen, was ihm ratend ans Herz gelegt werden soll – angesichts der unangreifbaren Bischofsmehrheit ist das politisch belanglos und rein symbolisch.
Also wird eine weitere Vertröstung zu erleben sein?
LÜDECKE Wobei trotzdem weiter die Täuschungsformel verbreitet ist, es ginge nun auf höchster Ebene um „beraten und entscheiden“. Dabei kann jeder wissen: Wer über einen Rat abstimmt, entscheidet nicht. Zudem streckt der Papst die Synode zeitlich: Nach vorgeschalteten nationalen und internationalen Brainstormings, die an einen Einfluss auf die Tagesordnung glauben ließen, findet 2024 eine zweite Synodenversammlung statt. Das entlastet die jetzige von jeglichem Reformdruck, weil man hinhaltend auf die zweite verweisen und für das nächste Jahr zugleich mit einem Ermüdungseffekt rechnen kann. Und die liturgische Rahmung des Ganzen als geistliches Ereignis schließlich hilft den Beteiligten, sich gebetsweise in das Vertrauen auf den gütigen Papst einzuschwingen. Vertrösten, beruhigen, erschöpfen und mit weichem Stil den strukturellen Beton verdecken – das ist die Kurzformel für diese Bischofssynode. Das weiß übrigens jeder deutsche Bischof.
Spielen denn die Deutschen bei der Weltsynode – Bischöfe und Laien – irgendeine inhaltliche Rolle?
LÜDECKE Sie dürften eine gewisse Aufmerksamkeit erhalten. Dass sie durch den SynodalenWeg im Clinch mit dem Apostolischen Stuhl liegen, wurde ja weltweit wahrgenommen. Zahlenmäßig und erst recht strukturell spielen sie aber keine besondere Rolle. Weder ist Deutsch Synodensprache noch wird es eine deutsche Sprachgruppe geben. Die angezielte Impulsgebung ist so erschwert.
Könnte die Weltsynode damit zu einer römischen Gegenveranstaltung zum Synodalen Weg werden? Oder wird manche Reformidee aus Deutschland noch einmal vitalisiert und diskutiert?
LÜDECKE Die Weltsynode ist und wird keine gezielte Gegenveranstaltung; das überschätzt den Synodalen Weg komplett. Der ist ja entgegen aller Selbststilisierung nie ein Reformweg gewesen, sondern eine Bittprozession. Und jetzt werden die deutschen Ideen in das Großevent hineingesogen und vermischt mit der Vielstimmigkeit der Weltkirche. Selbst wenn sie darin nicht komplett verklingen, bleiben sie, was sie immer waren und nach dem Schreiben der Präsidenten des Synodalen Weges vom Juni ausdrücklich sind: herzliche Bitten an den Heiligen Vater „um eine wohlwollende Betrachtung und Prüfung“.
Wie passt das zusammen: Synodalität in einer streng hierarchisch strukturierten Kirche mit dem Papst als unbestrittener höchster Lehr- und Leitungsautorität? LÜDECKE Das passt sehr gut zusammen. Synodalität ist nur ein anderer Name für die katholische Überzeugung, Gott wolle fast alle Katholiken auf das Vorfeld der Entscheidungen vor allem des Papstes beschränken. Auch die Weltsynode begrenzt oder kontrolliert dessen Macht nicht, sondern berät ihn nur.Wenn Bischof Bätzing meint, der Papst möge sich stärker an das binden, was er hört und was in der Synode geschieht, kann man sich nur wundern: Die jederzeit revidierbare Selbstbindung eines Monarchen begrenzt dessen Macht nicht, sondern drückt sie gerade aus. Ich weiß nicht, was schlimmer ist: dass Bischöfe die Gläubigen für so dumm halten, dass die immer wieder auf solche hoffnungsheischende Phrasen hereinfallen oder dass die Einschätzung zutreffen könnte.
Demnächst wird der Synodale Weg mit dem Synodalen Ausschuss fortgesetzt; wobei die Finanzmittel unklar sind und die geplanten Synodalen Räte von Rom untersagt wurden. Ist das Projekt am Ende? LÜDECKE Der Synodale Ausschuss, den die Synodalversammlung meint, eingesetzt zu haben, setzt den SynodalenWeg nicht fort. Denn kirchenrechtlich ist klar: Sie konnte weder ein Gremium schaffen noch ihm irgendwelche Kompetenzen übertragen und erst recht nieman
den zum Mitglied darin machen. Was jetzt unter den Namen „Synodaler Ausschuss“angedacht ist, wird etwas Neues und Anderes sein. Es sind nicht mehr alle Bischöfe dabei, und Synodale Räte wird er auch nicht einführen können. Man hält aber zäh daran fest, weil man die unvermeidliche Ent-Täuschung hinausschieben möchte. Offenbar will man die Fassaden des Potemkin‘schen Dorfes nicht einfach abreißen, sondern lieber langsam verwittern lassen.