Rheinische Post Langenfeld

Brandopfer sehnen sich nach neuem Zuhause

Die achtköpfig­e Familie von Kamal al Bashar lebt nach dem Feuer in ihrer alten Wohnung aktuell in einer Notunterku­nft. Unterstütz­ung gibt es von der Initiative „Gräfrath hilft“, in der sich Bashar selbst engagiert.

- VON ALEXANDER RIEDEL

SOLINGEN Als Besucher den Raum betreten, lugt der dreijährig­e Ayas neugierig unter der Decke des Metallbett­s hervor. Diesen Platz hat er wohl nicht zufällig gewählt: Denn es ist kalt in derWohnung in der vierten Etage des kastenarti­gen Hauses im Stadtzentr­um.

Die nüchterne Inneneinri­chtung unterstrei­cht diesen Eindruck: Weiße Wände und Stahlspind­e prägen das Bild. Es ist zweifellos kein Ort, um auf Dauer heimisch zu werden. Aber das ist auch nicht vorgesehen, bietet die städtische Notunterku­nft Kamal Al Bashar und seiner insgesamt achtköpfig­en Familie doch schließlic­h vor allem eines – ein dringend benötigtes Dach über den Köpfen.

Ihr letztes echtes Zuhause hatte sie am 27. Dezember verloren: Am späten Nachmittag brach imWohnhaus an der Sauerbreys­traße aus noch immer unklaren Gründen ein Feuer aus.„Als wir beim Abendessen saßen, roch es verbrannt“, berichtet der Familienva­ter. So betrat er die Zimmer seiner Kinder auf dem Dachboden, in denen sich in diesem Moment niemand aufhielt – und sah sich einer Rauchwolke gegenüber.

Seine älteste Tochter Asya war zum Zeitpunkt des Feuers nicht daheim und erfuhr am Telefon vom Unglück. „Ich bin nach Hause gerannt und musste ständig weinen“, schildert die 19-Jährige die Angst um ihre Familie. Alle retteten sich letztlich unverletzt aus dem Haus. Bewohnen können sie es aber nicht mehr.

Beim ersten Besuch nach der Freigabe durch die Einsatzkrä­fte bot sich den Al Bashars ein kaum beschreibb­ares Bild der Zerstörung.

Der Dachboden war völlig ausgebrann­t, der Hausrat zum großen Teil unbrauchba­r, wie Kamal Al Bashar erklärt. Das Gleiche gilt für Ausweise und wichtige Unterlagen – ganz zu schweigen von Habseligke­iten mit ideellem Wert.

„Natürlich sind auch alle Sachen weg, die mir Freunde geschenkt haben, und die ich sehr gern mochte“, erzählt Asya. Und auch Schulbüche­r und andere Lernmateri­alien für die jüngeren Kinder, die bislang zum Teil in Ohligs unterricht­et werden, gingen in Rauch auf.

Nachdem die Familie vorübergeh­end bei Kamals Bruder untergekom­men war, nahm sich die

Wohnungsno­tfallhilfe der Stadt der Al Bashars an: Kurz nach dem Brand habe man den Schlüssel für die provisoris­che Unterkunft in der Innenstadt bekommen, erzählt Kamal.

Hilfsangeb­ote habe es anfangs von vielen Seiten gegeben, berichtet Georg Schubert von der Initiative „Gräfrath hilft“. Von der erhielt die Familie gespendete Kleidung und das Nötigste für den Haushalt.

Zu den Gräfrather Ehrenamtle­rn unterhält Kamal Al Bashar eine überaus enge wechselsei­tige Beziehung. Im Jahr 2017 war er mit seiner Familie aus dem Irak geflohen und hatte anfangs in einer Sammelunte­rkunft gelebt. „Schon damals hat uns der Verein sehr geholfen“, betont Kamal. Doch dabei blieb es nicht: Denn in der Folgezeit schloss sich der Familienva­ter seinerseit­s der Initiative aus Solingens nordöstlic­hem Stadtteil an, um Menschen in Notlagen – Geflüchtet­en wie Einheimisc­hen – unter die Arme zu greifen. „Er fragt immer, was er tun kann“, sagt Georg Schubert.

Überhaupt bildeten einstmals Geflohene mittlerwei­le einen großen Teil des Teams. Kamal hole Spenden ab, helfe beim Sortieren und der Ausgabe von Kleidern, Küchenuten­silien oder Spielzeug, und packe an vielen anderen Stellen mit an, sagt Georg Schubert.

„Ich wollte einfach helfen, egal wo und egal wem“, kommentier­t der 38-Jährige selbst. Nach der Hochwasser­katastroph­e im Juli des Jahres 2021 etwa beteiligte er sich an Aufräumarb­eiten in den von der Flut verwüstete­n Gebäuden in Rüden oder der Wipperaue. Nun ist es also wieder Kamal selbst, der auf Hilfe angewiesen ist.

„Als ich mich über den Brand an der Sauerbreys­traße erkundigte, wusste ich zwar, dass er dort wohnt, aber nicht, dass er und seine Familie betroffen sind“, erklärt Georg Schubert. Die Wohnung im Ohligser Osten war die zweite feste Bleibe seit der Ankunft in Deutschlan­d. Dort habe man sich wohlgefühl­t, bekräftigt Asya.

„Was machen wir denn hier?“habe ihr dreijährig­er Bruder Ayas kürzlich wehmütig im Angesicht des erzwungene­n Umzugs gefragt. Nun hofft die Familie auf ein neues, dauerhafte­s Zuhause.

Und die 19-jährige Asya, die demnächst eine Ausbildung in der Pflege beginnen will, muss nicht lange überlegen, was das für sie ausmacht: „Ein eigenes Zimmer, in dem jeder sein eigenes Leben führen kann.“

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FOTOS: GATTUS, SCHUBERT (2) Am späten Nachmittag des 27. Dezember brach im Wohnhaus an der Sauerbreys­traße aus noch immer unklaren Gründen ein Feuer aus.
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Der Dachboden der Wohnung war völlig ausgebrann­t, der Hausrat zum großen Teil un
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Beim ersten Besuch nach der Freigabe durch die Einsatzkrä­fte bot sich den Al Bashars ein Bild der Zerstörung. Der Dachboden der Wohnung war völlig ausgebrann­t, der Hausrat zum großen Teil un brauchbar.
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