Remigius ist Lehrkrankenhaus
Das Opladener RemigiusKrankenhaus bildet Medizinstudenten einer Privatuni aus. Sie machen frühzeitig praktische Erfahrungen am Krankenbett.
OPLADEN „Ich weiß noch aus eigener leidvoller Erfahrung, wie mein Blutdruck hochging, als ich alleine vor dem Patienten stand“, bekennt Sascha Wihstutz, Chefarzt der Geriatrie am Opladener Remigiuskrankenhaus. „In echt ist das doch ganz anders, als wenn Sie es gelesen haben.“Für die drei Studentinnen und den einen Studenten, die seit zwei Wochen für eine „Lehre am Krankenbett“im Haus sind, wird der Übergang wohl nicht so krass werden. Denn sie sammeln bereits ab dem dritten Studienjahr praktische Erfahrungen, jeweils vier Wochen lang mit intensiver Betreuung durchWihstutz und seinen Kollegen Cornelius Jacobs, dem Chef derWirbelsäulenchirurgie.
Seit dem 1. Januar ist das Remigius „akademisches Lehrkrankenhaus der Hamburger UMCH-Universitätsmedizin, eine private Uni, die – anders als in der klassischen deutschen Medizinerausbildung – ihre Studierenden regelmäßig für vier, einmal sogar acht Wochen direkt am Krankenbett, in Ambulanz und OP lernen lässt und nicht erst in Praktischen Jahr nach Studienabschluss auf die Patienten loslässt. „Wir können es kaum erwarten nach zwei Jahren Theorie“, versichert DunyaWahisi, die sich für Opladen entschieden hat, weil sie ursprünglich aus Köln kommt. Vor etwa einem Jahr habe er die Anfrage bekommen, ob man Interesse daran habe, Lehrkrankenhaus zu werden, erzählt Geschäftsführer Thomas Karls, für den zwei Vorteile auf der Hand liegen. Neben dem Renommee für das Haus könne man so frühzeitig Kräfte gewinnen, denn: „Der Arztmarkt ist sehr eng.“Auch wenn die Lage im Ballungsraum zwischen Köln und Düsseldorf natürlich nicht so schwierig sei wie auf dem Land. Für die beiden Chefärzte bedeutet das Zertifikat akademisches Lehrkrankenhaus definitiv Mehrarbeit, schon bevor die erste Studentengruppe hier eingetroffen ist. Denn die sollen nicht einfach nur so mitlaufen und ihnen über die Schulter sehen, sondern mit allen Bereichen des Klinikalltags in Berührung kommen.
Nach zwei vollen Tagen„TeacherProgramm“, in dem die Dekanin der Uni den Lehrplan erklärte und eine dezidierte Aufstellung, was in den vier Wochen zu lernen ist, haben sie sich selbst konkrete Tagespläne erarbeitet. Tag eins und zwei wurde die Anamnese besprochen, erst theoretisch, dann direkt am Krankenbett, beziehungsweise in der Ambulanz, zunächst gemeinsam und danach auch alleine. Das muss strukturiert ablaufen. „Von Locke bis Socke“, soWihstutz. Dann wurde
Abklopfen und Abhören geübt, wofür der Arzt „interessante“Patienten heraussuchte. Trotz der Mehrarbeit sagt er: „Das ist auch für uns eine Bereicherung.“Und es sei die beste Möglichkeit, Nachwuchs für sein Fach zu gewinnen. Die Geriatrie spiele im Studium nämlich kaum
eine Rolle, obwohl sie demografisch immer relevanter werde.
Auch sein Kollege Cornelius Jacobs spekuliert auf neue junge Mediziner in seinem Fach, der Wirbelsäulenchirurgie. „Wir müssen die Leute begeistern“, hat er sich vorgenommen. Seit Montag ist die
Truppe bei ihm und lernt zunächst Ausstattung sowie Verhaltensweise im OP kennen. Dann wird an einer Schweineschwarte der Umgang mit Nadel und Faden geübt, bevor die Studis zum Abschluss eine Drainage in einen Schweinethorax legen sollen. Die beste Vorübung für einen Eingriff am Menschen.
Wer das nicht aushält, sollte besser frühzeitig den Ausbildungsgang wechseln. Das ist der Vorteil dieses studienbegleitenden Praxistrainings. Aber die vier Kandidaten haben da keine Berührungsängste. Sie haben sich sehr bewusst für die Humanmedizin entschieden und sind froh, nicht an einer großen Uniklinik gelandet zu sein, sondern in einem kleineren Haus sehr individuell begleitet zu werden.