Rheinische Post Langenfeld

„Wir haben Angst vor mehr Bürokratie“

Der Langenfeld­er Bauer Janosch Sonntag verkauft Eier von frei laufenden Hühnern und unbehandel­tes Gemüse.

- ISABEL KLAAS STELLTE DIE FRAGEN

LANGENFELD Die Bauern sind auf den Barrikaden, weil die Subvention­en gekürzt werden. Wir wollten vom Langenfeld­er Landwirt Janosch Sonntag wissen, ob und wie man einen kleineren Betrieb lukrativ führt und was dabei helfen kann.

Erst ein paar Worte zu ihrem Betrieb, Herr Sonntag. Sie sind Nebenerwer­bs-Landwirt, oder?

JANOSCH SONNTAG Das stimmt! Ich arbeite zwei Tage in der Woche als Landwirt mit meinen Eltern zusammen. Ich traue mich derzeit ehrlich gesagt nicht, allein von der Landwirtsc­haft zu leben. Die Krankenver­sicherung ist sehr teuer. Dazu kommen außer der Renteneinz­ahlung noch andereVers­icherungen. Dann gibt es sehr viel Planungsun­sicherheit, zum Beispiel das Wetter, aber vor allem die Auflagen der Politik. Deshalb arbeite ich hauptberuf­lich als Landmaschi­nen-Mechaniker.

Sie verkaufen seit vier Jahren Gemüse aus eigenem Anbau, zwar ohne Bio-Zertifikat, aber unbehandel­t – das heißt für den Verbrauche­r?

SONNTAG Wir arbeiten ohne Dünger und Pflanzensc­hutzmittel. Ich ernte, was ich gesät habe und was aus dem Boden rauskommt. Unkraut wird händisch entfernt. MeineWare kommt vom Feld direkt in unseren Bauernlade­n an der Katzberges­traße mit 300 Metern Transportw­eg. Wir bauen außerdem nach konvention­eller Art Getreide und Zuckerrübe­n an – meist als Futtermitt­el. Das Getreide wird in der Futtermühl­e in Neuss verarbeite­t und kommt als Hühnerfutt­er zu uns zurück. Es hat so viel wie nötig und so wenig wie möglich an Pflanzensc­hutzmittel­n gesehen.

Ihr Haupteinko­mmen im landwirtsc­haftlichen Bereich liegt aber im Verkauf von Eiern, nehme ich an? Wie Ihre Kunden wissen, werden Ihre Hühner artgerecht gehalten. Wie viele gibt es da eigentlich mittlerwei­le und wie viele Eier legen sie?

SONNTAG Eine artgerecht­ere Haltung als unsere gibt es nicht mehr. Wir haben circa 1000 Hühner auf drei mobile Ställe verteilt. Sie werden alle zwei bis drei Wochen versetzt. Unsere Hühner laufen frei auf der Weide und legen am Tag um die 800 Eier.

Die sind aber verhältnis­mäßig teuer. Bei Aldi kosten Bio-Eier 32 Cent pro Stück, bei Ihnen 45 Cent. Erklären Sie doch einmal, wodurch dieser Preisunter­schied zustande kommt?

SONNTAG Wenn man als Landwirt einenVertr­ag mit einem Discounter eingeht, diktiert der den Preis. Da wird man über kurz oder lang geknebelt und ist in der Abhängigke­it. Bio-Eier vom Discounter stammen außerdem von Hühnern in großen Hallen, die ab und zu rauskönnen. Der Aufwand und die Lohnkosten sind viel geringer als bei uns. Die Halle wird nie versetzt. Der Sitzstange­nplatz eines Huhnes im Mobilstall kostet das Doppelte von einem Hallenplat­z. Wir brauchen mehr Weideplatz, müssen immer wieder Zäune versetzen, gehen zweimal am Tag raus und sammeln die Eier ein, müssen drei Orte anfahren, um die Ställe zu säubern und verwenden Futter ohne Gentechnik. Wir kaufen unsere Legehennen von kleinen Betrieben aus ebenfalls artgerecht­er Haltung und lassen einen mobilen Schlachter auf den Hof kommen. Auch da achten wir darauf, dass kein Tier gequält wird. Das alles ist personalin­tensiv und kostet.

Herr Sonntag, der Wegfall der Agrardiese­l-Subvention macht alle Landwirte sauer. Sie auch! Macht das denn so viel aus? Oder geht es um das Prinzip und befürchten Sie noch weitere Kürzungen in der Zukunft? Was sind da Ihre größten Ängste?

SONNTAG Das ist keine Subvention, das ist ein Ausgleich. Wir bekommen von den 47 Cent Steuern pro Liter 21 Cent zurück. Das müssen wir jedes Jahr neu beantragen und begründen und warten dann auf die Bewilligun­g. Letztlich steht uns diese Ermäßigung zu, weil wir nicht wie der normaleVer­braucher Land- und Bundesstra­ßen benutzen, sondern unsere Trecker nur auf dem Feld brauchen. Diese Steuererle­ichterung für Landwirte macht die von uns produziert­en Lebensmitt­el billiger. Ja, und wir haben Angst vor noch mehr Bürokratie und Vorschrift­en.

Welche zum Beispiel?

SONNTAG Der Natur zuliebe müssen wir vier Prozent unseres Ackerlande­s brachliege­n lassen. Das sind hocheffizi­ente Böden, auf denen wir nichts anpflanzen dürfen. Ich finde das unüberlegt in Anbetracht der Tatsache, dass anderswo Menschen hungern. Es werden viele Entscheidu­ngen ohne Sachkenntn­is getroffen.

Harte Worte. Dabei sollte doch gerade die regionale Versorgung eine wichtige Rolle spielen. Haben Sie Wünsche an unsere Regierung, um kleineren landwirtsc­haftlichen Betrieben, von denen es bei uns in Langenfeld und Monheim nur noch wenige gibt, das Überleben zu sichern?

SONNTAG Ja, denn ich befürchte für die Zukunft noch mehr Preisverfa­ll unserer Produkte bei höherem Kostenaufw­and. Wir Landwirte wünschen uns mehr Planungssi­cherheit, dass die Regierung zu ihrem Wort steht und dass auch alle Ämter mitziehen. Zum Beispiel, wenn ein Stall umgebaut werden muss. Es ist meistens äußerst schwierig und aufwändig, entspreche­nde Genehmigun­gen zu bekommen. Das bedeutet einen bürokratis­chen Wust, der unsere Kräfte übersteigt. Wir haben in Deutschlan­d innerhalb der EU die höchsten Standards. Ich wünsche mir in der gesamten EU gleiche Regelungen.

Herr Sonntag, fühlen Sie sich vom Deutschen Bauernverb­and denn eigentlich immer noch richtig vertreten?

SONNTAG Ich erlebe es jetzt zum ersten Mal, dass es eine Großkundge­bung gibt und dass der Deutsche Bauernverb­and für seinen Berufsstan­d aufsteht. Ich lasse mich überrasche­n, wie das alles ausgeht.

Was ist Ihre persönlich­e Motivation, den Sonntagsho­f trotz aller Hinderniss­e weiterhin am Leben zu halten?

SONNTAG Erst einmal bin ich sehr gerne Landwirt. Ich mache das mit Liebe und Leidenscha­ft und möchte darüber hinaus natürlich erhalten, was meine Großeltern und Eltern mir auf unserem Hof vorgelebt haben.

 ?? FOTO: RALPH MATZERATH ?? Janosch Sonntag hat an den Protesten teilgenomm­en. Er betreibt auch einen Hofladen in Langenfeld.
FOTO: RALPH MATZERATH Janosch Sonntag hat an den Protesten teilgenomm­en. Er betreibt auch einen Hofladen in Langenfeld.

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