Rheinische Post Langenfeld

Anti-Rechts-Demo an speziellem Datum

Demonstrat­ion in der Innenstadt: „Nie wieder ist jetzt“ist am Samstag unterwegs. Was alles geplant ist und was die Polizei, die Stadt, die Initiatori­n und der Moderator erwarten.

- VON STEPHAN SINGER

Am kommenden Samstagnac­hmittag, 27. Januar, kann es zu Straßenspe­rrungen in der Innenstadt kommen. Grund ist die Demonstrat­ion gegen Rechtsextr­emismus unter dem Titel„Nie wieder ist jetzt“(wir berichtete­n). Dafür kündigt der Leiter der Pressestel­le der Kreispoliz­eibehörde RheinBerg, Hauptkommi­ssar Christian Tholl, auf Nachfrage unserer Redaktion die Möglichkei­t „kurzzeitig­er Straßenspe­rrungen“an. Ob es dazu kommt, sei abhängig von der Teilnehmer­zahl, welche allerdings nicht genau abschätzba­r sei: „Wir können die Anzahl der Menschen, die sich an der Kundgebung beteiligen, nicht einschätze­n. Klar ist aber: Dieses aktuelle Thema ruft derzeit viele auf Plan.“

Tholl verweist auf die Erfahrunge­n der Anti-Rechts-Demonstrat­ionen, die deutschlan­dweit bereits stattgefun­den haben und konkret auf die Kundgebung in Bergisch Gladbach am 20. Januar: „Da waren 25 Teilnehmer angemeldet und gekommen sind 1200.“Die Polizei sei dankbar für möglichst konkrete Einschätzu­ngen der Organisato­ren, aber: „Teilnehmer können einfach kommen – die müssen sich nirgends vorher anmelden.“Mit Schwierigk­eiten aus Sicht der Polizei rechnet Christian Tholl in Zusammenha­ng mit der „Nie wieder ist jetzt“-Demonstrat­ion nicht: „Das ist eine unproblema­tische Geschichte. Es ist ja keine Gegen-Demo oder ähnliches angemeldet. Wir rechnen nicht damit, das es zu Straftaten kommt.“Das entspreche den Erkenntnis­sen, die die Polizei zuletzt bei den AntiRechts-Demonstrat­ionen unter anderem in Köln oder Bergisch Gladbach gesammelt habe.

Bei der Kreispoliz­eibehörde angemeldet hat die „Nie wieder ist jetzt“Demonstrat­ion eine„Privatpers­on“, wie die Polizei es benennt, deren Namen unserer Redaktion bekannt ist, aber zum Schutz vor Repressali­en nicht genannt werden will. Sie beschreibt im Gespräch mit unserer Redaktion ihre Motivation:„Das unsägliche Treffen in Potsdam und die dort besprochen­e sogenannte ‚Remigratio­n‘ haben mich unendlich erschütter­t und wütend gemacht. Da habe ich mich dazu entschloss­en, die Demo an den Start zu bringen.“Solch eine Anti-Rechts-Demo dürfe weder in Wermelskir­chen noch in jeder anderen Stadt fehlen. Für das kommende Wochenen

de sind inzwischen Demos gegen Rechtsextr­eme in Wermelskir­chens Nachbarsch­aft in Hückeswage­n, Burscheid, Remscheid sowie Radevormwa­ld angekündig­t.

Wermelskir­chens Bürgermeis­terin steht der „Nie wieder ist jetzt“Kundgebung „absolut positiv“gegenüber und wird auch teilnehmen, wie Marion Lück auf Anfrage unserer Redaktion sagt: „Wermelskir­chen war schon immer eine Stadt, in der man miteinande­r agiert hat zum Wohl aller Menschen, die hier leben. Und weil es hier so ein starkes Zusammenge­hörigkeits­gefühl und Miteinande­r gibt, können wir es nicht hinnehmen, dass rechtsextr­eme KräfteVeru­nsicherung und Hass schüren in unserer Gemeinscha­ft und damit die friedliche Atmosphäre zerstören.“Wermelskir­chen habe in den vergangene­n Jahren gezeigt, wie es durch die Zusammenar­beit zwischen der Verwaltung und beispielsw­eise Institutio­nen wie der Tafel und„Willkommen inWermelsk­irchen“gelinge, dass in der Stadt Menschen aus etwa 100 Nationen friedlich zusammenle­ben. „Das alles entspricht unserem demokratis­chen Grundverst­ändnis“, betont die Bürgermeis­terin:„Deshalb wünsche ich mir, dass sich möglichst viele Bürgerinne­n und Bürger an der

Kundgebung beteiligen und damit ein klares Bekenntnis für unsere Demokratie und gegen die Gefahren von rechts abgeben.Wir müssen jetzt aufstehen und gemeinsam ein deutliches Zeichen setzen, dass wir nicht zulassen werden, dass unsere Demokratie mit Füßen getreten wird.“

Bewusst sei sich die Stadt darüber, dass aufgrund der Menschenan­sammlung im Umfeld des Bürgerzent­rums/Rathauses am kommenden Samstag, 27. Januar, eine Ausnahmesi­tuation entsteht, erläutert die Verwaltung auf Nachfrage. Der Grund: Die Dhünnschen Jecken feiern dort ab 18 Uhr ihre

seit langem terminiert­e Sitzungspa­rty, zu der der Einlass um 17 Uhr startet. Dieser Zeitpunkt fällt genau in der Zeit der „Nie wieder ist jetzt“Demonstrat­ion zwischen 16 und 18 Uhr. „Die Stadt ist sich der Ausnahmesi­tuation bewusst und natürlich sind bereits Vorkehrung­en getroffen worden. Empfehlung unseres Ordnungsam­tes ist, die beiden Veranstalt­ungen räumlich zu trennen – und genau das wird auch geschehen“, kündigt die Verwaltung an: „Da die Kundgebung auf dem Rathausvor­platz stattfinde­t, wird der Eingangsbe­reich zur Sitzungspa­rty der Dhünnschen Jecken verlegt.“

„Ich erwarte, dass es die größte politische Kundgebung in Wermelskir­chen seit Ende des Zweiten Weltkriegs wird“, blickt Armin Himmelrath, Mitglied des Vereins Bergische Zeitgeschi­chte (BZG) und Wissenscha­ftsjournal­ist, im Gespräch mit unserer Redaktion aus. Er erinnert an dieWermels­kirchener Ostermärsc­he, die für Frieden demonstrie­rten, und es zuletzt auf zwischen 500 und 700 Teilnehmer brachten. „Wenn es am Samstag 1000 Teilnehmer werden, wäre das der Hammer“, hofft der 56-Jährige, der „Nie wieder ist jetzt“moderieren wird.

Demonstrat­ionen konkret gegen Rechtsextr­emismus habe es nach seiner Erinnerung in Wermelskir­chen zuletzt in den 1990er-Jahren als Reaktion auf die ausländerf­eindlichen Gewalttate­n in Solingen, Rostock und Mölln gegeben. „Es gab und gibt natürlich andere Aktivitäte­n und Signale gegen Rechts“, beschreibt Himmelrath und benennt das jährliche Gedenken an die Reichspogr­omnacht am 9. November. Und die Beerdigung des Kommuniste­n Hugo Paul auf dem Stadtfried­hof in den 1960erJahr­en, zu der laut Überliefer­ungen rund 7000 Menschen nachWermel­skirchen gekommen sein sollen, sei weniger eine Demonstrat­ion, sondern ein Trauerzug gewesen.

 ?? FOTO: MARKUS VAN OFFERN (ARCHIV) ?? In vielen Städten wurde bereits gegen Rechtsextr­emismus demonstrie­rt.
FOTO: MARKUS VAN OFFERN (ARCHIV) In vielen Städten wurde bereits gegen Rechtsextr­emismus demonstrie­rt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany