Anti-Rechts-Demo an speziellem Datum
Demonstration in der Innenstadt: „Nie wieder ist jetzt“ist am Samstag unterwegs. Was alles geplant ist und was die Polizei, die Stadt, die Initiatorin und der Moderator erwarten.
Am kommenden Samstagnachmittag, 27. Januar, kann es zu Straßensperrungen in der Innenstadt kommen. Grund ist die Demonstration gegen Rechtsextremismus unter dem Titel„Nie wieder ist jetzt“(wir berichteten). Dafür kündigt der Leiter der Pressestelle der Kreispolizeibehörde RheinBerg, Hauptkommissar Christian Tholl, auf Nachfrage unserer Redaktion die Möglichkeit „kurzzeitiger Straßensperrungen“an. Ob es dazu kommt, sei abhängig von der Teilnehmerzahl, welche allerdings nicht genau abschätzbar sei: „Wir können die Anzahl der Menschen, die sich an der Kundgebung beteiligen, nicht einschätzen. Klar ist aber: Dieses aktuelle Thema ruft derzeit viele auf Plan.“
Tholl verweist auf die Erfahrungen der Anti-Rechts-Demonstrationen, die deutschlandweit bereits stattgefunden haben und konkret auf die Kundgebung in Bergisch Gladbach am 20. Januar: „Da waren 25 Teilnehmer angemeldet und gekommen sind 1200.“Die Polizei sei dankbar für möglichst konkrete Einschätzungen der Organisatoren, aber: „Teilnehmer können einfach kommen – die müssen sich nirgends vorher anmelden.“Mit Schwierigkeiten aus Sicht der Polizei rechnet Christian Tholl in Zusammenhang mit der „Nie wieder ist jetzt“-Demonstration nicht: „Das ist eine unproblematische Geschichte. Es ist ja keine Gegen-Demo oder ähnliches angemeldet. Wir rechnen nicht damit, das es zu Straftaten kommt.“Das entspreche den Erkenntnissen, die die Polizei zuletzt bei den AntiRechts-Demonstrationen unter anderem in Köln oder Bergisch Gladbach gesammelt habe.
Bei der Kreispolizeibehörde angemeldet hat die „Nie wieder ist jetzt“Demonstration eine„Privatperson“, wie die Polizei es benennt, deren Namen unserer Redaktion bekannt ist, aber zum Schutz vor Repressalien nicht genannt werden will. Sie beschreibt im Gespräch mit unserer Redaktion ihre Motivation:„Das unsägliche Treffen in Potsdam und die dort besprochene sogenannte ‚Remigration‘ haben mich unendlich erschüttert und wütend gemacht. Da habe ich mich dazu entschlossen, die Demo an den Start zu bringen.“Solch eine Anti-Rechts-Demo dürfe weder in Wermelskirchen noch in jeder anderen Stadt fehlen. Für das kommende Wochenen
de sind inzwischen Demos gegen Rechtsextreme in Wermelskirchens Nachbarschaft in Hückeswagen, Burscheid, Remscheid sowie Radevormwald angekündigt.
Wermelskirchens Bürgermeisterin steht der „Nie wieder ist jetzt“Kundgebung „absolut positiv“gegenüber und wird auch teilnehmen, wie Marion Lück auf Anfrage unserer Redaktion sagt: „Wermelskirchen war schon immer eine Stadt, in der man miteinander agiert hat zum Wohl aller Menschen, die hier leben. Und weil es hier so ein starkes Zusammengehörigkeitsgefühl und Miteinander gibt, können wir es nicht hinnehmen, dass rechtsextreme KräfteVerunsicherung und Hass schüren in unserer Gemeinschaft und damit die friedliche Atmosphäre zerstören.“Wermelskirchen habe in den vergangenen Jahren gezeigt, wie es durch die Zusammenarbeit zwischen der Verwaltung und beispielsweise Institutionen wie der Tafel und„Willkommen inWermelskirchen“gelinge, dass in der Stadt Menschen aus etwa 100 Nationen friedlich zusammenleben. „Das alles entspricht unserem demokratischen Grundverständnis“, betont die Bürgermeisterin:„Deshalb wünsche ich mir, dass sich möglichst viele Bürgerinnen und Bürger an der
Kundgebung beteiligen und damit ein klares Bekenntnis für unsere Demokratie und gegen die Gefahren von rechts abgeben.Wir müssen jetzt aufstehen und gemeinsam ein deutliches Zeichen setzen, dass wir nicht zulassen werden, dass unsere Demokratie mit Füßen getreten wird.“
Bewusst sei sich die Stadt darüber, dass aufgrund der Menschenansammlung im Umfeld des Bürgerzentrums/Rathauses am kommenden Samstag, 27. Januar, eine Ausnahmesituation entsteht, erläutert die Verwaltung auf Nachfrage. Der Grund: Die Dhünnschen Jecken feiern dort ab 18 Uhr ihre
seit langem terminierte Sitzungsparty, zu der der Einlass um 17 Uhr startet. Dieser Zeitpunkt fällt genau in der Zeit der „Nie wieder ist jetzt“Demonstration zwischen 16 und 18 Uhr. „Die Stadt ist sich der Ausnahmesituation bewusst und natürlich sind bereits Vorkehrungen getroffen worden. Empfehlung unseres Ordnungsamtes ist, die beiden Veranstaltungen räumlich zu trennen – und genau das wird auch geschehen“, kündigt die Verwaltung an: „Da die Kundgebung auf dem Rathausvorplatz stattfindet, wird der Eingangsbereich zur Sitzungsparty der Dhünnschen Jecken verlegt.“
„Ich erwarte, dass es die größte politische Kundgebung in Wermelskirchen seit Ende des Zweiten Weltkriegs wird“, blickt Armin Himmelrath, Mitglied des Vereins Bergische Zeitgeschichte (BZG) und Wissenschaftsjournalist, im Gespräch mit unserer Redaktion aus. Er erinnert an dieWermelskirchener Ostermärsche, die für Frieden demonstrierten, und es zuletzt auf zwischen 500 und 700 Teilnehmer brachten. „Wenn es am Samstag 1000 Teilnehmer werden, wäre das der Hammer“, hofft der 56-Jährige, der „Nie wieder ist jetzt“moderieren wird.
Demonstrationen konkret gegen Rechtsextremismus habe es nach seiner Erinnerung in Wermelskirchen zuletzt in den 1990er-Jahren als Reaktion auf die ausländerfeindlichen Gewalttaten in Solingen, Rostock und Mölln gegeben. „Es gab und gibt natürlich andere Aktivitäten und Signale gegen Rechts“, beschreibt Himmelrath und benennt das jährliche Gedenken an die Reichspogromnacht am 9. November. Und die Beerdigung des Kommunisten Hugo Paul auf dem Stadtfriedhof in den 1960erJahren, zu der laut Überlieferungen rund 7000 Menschen nachWermelskirchen gekommen sein sollen, sei weniger eine Demonstration, sondern ein Trauerzug gewesen.