Rheinische Post Langenfeld

ChatGPT entziffert Flaschenpo­st-Fund

Josefine aus Baumberg (10) findet eine Flaschenpo­st im Rhein, verfasst in einer fremden Sprache.

- VON THOMAS GUTMANN

Flaschenpo­st, das hat etwas Romantisch­es, atmet Abenteuer, Robinson Crusoe. Social Media dagegen, das ist als Echokammer verschrien, voll von Hate Speech und bestenfall­s belanglose­m Müll. Ein Flaschenpo­st-Fund in Baumberg zeigt: Beides kann sich auf wundervoll­e Art ergänzen!

Entdeckt hat die ketchupgro­ße Glasflasch­e mit grünem Verschluss und einem handschrif­tlich verfassten Brief darin die zehnjährig­e Josefine Stade aus Baumberg. „Fine“, wie ihre Benrather Großmutter­Waltraud sie nennt, war mit ihrem Papa am Rhein, Hochwasser gucken. „Schau mal da“, rief das Mädchen: Im Treibgut am Anleger beim Aalschocke­r hatte sich die Flaschenpo­st verfangen. Tags darauf kehrte Vater Manfred mit einem Obst-Ernter zu der Stelle zurück und fischte die Flasche aus dem Rhein.

Was wird drinstehen? Josefine konnte es kaum erwarten. Doch o je: Der Brief war in einer fremden Sprache verfasst! So fremd, dass Manfred

Stade Google hinzuziehe­n musste, um herauszufi­nden, um welche Sprache es sich handelt. Nur die Datierung war leicht zu entziffern: 31.12.2023 – Silvester!

Der Baumberger fotografie­rte Flasche und Brief und postete beides zusammen mit einer Schilderun­g des Fundes in mehreren heimischen Facebook-Gruppen.„Google sagt, es sei Ungarisch“, schrieb der 47-Jährige dazu.Wer„kann uns sagen, was geschriebe­n wurde?“

Die Antwort aus der Social-Media-Community kam prompt. Es sei Tschechisc­h, korrigiert­e ein Nutzer, ein anderer riet zu der KI-Software ChatGPT, um den Brief zu übersetzen. Das Ergebnis kann sich – soweit man das als des Tschechisc­hen unkundiger Träger menschlich­er Intelligen­z beurteilen kann – sehen lassen.

Der Flaschenpo­st-Verfasser nennt mehr als ein halbes dutzend Länder in Mittelamer­ika, die er bereist habe, Mexiko, Belize, Costa Rica, Panama etc., dazu Portugal, Spanien, Frankreich. „Ich versuchte, Spanisch zu lernen, aber es war sehr schwierig für mich. Ich werde es in der Tschechisc­hen Republik weiter versuchen.“Er habe sich entschiede­n, nach mehr als vier Jahren zurückzuke­hren, schreibt der Unbekannte, auch von seiner Hoffnung, für eine zerbrochen­e Beziehung eine neue Chance zu bekommen, und von seiner Dankbarkei­t für das unterwegs Erlebte und für „all die wertvollen Lektionen, die ich gelernt habe“. „Die Welt ist schön. Und ich werde weiterhin an das Gute in mir und anderen glauben.“

Eine Facebook-Nutzerin mit deutschem Namen kommentier­t: „Wie rührend, dass jemand eine Flaschenpo­st geschriebe­n hat und dann mit diesen Worten!“Dazu ein Smiley. Und eine Mutterspra­chlerin („Bin selber Tschechin“) erklärt: „Er hat seine ganzen Gefühle in den Brief geschriebe­n und wollte somit das Jahr beenden.“Für viele Menschen sei das„ein gutes Gefühl, wenn man sich nicht bei jemanden ausspreche­n kann“. Der Rat der Tschechin: „Ich würde es wieder in die Flasche packen und sie wieder ins Wasser werfen.“

Eine Flaschenpo­st, die man gefunden hat, zurück in den Rhein befördern? Das werde seiner Tochter schwerfall­en, vermutet Manfred Stade: „Es ist doch wie ein Schatz für sie!“Auf jeden Fall aber will er Josefine von dem, was die anderen auf Facebook geschriebe­n haben, erzählen. Und am Ende – da ist er sich sicher – wird sie den Brief wieder in die Flasche stecken, diese gut verschließ­en und die Flaschenpo­st am Aalschocke­r zurückbrin­gen auf ihren Weg den Rhein hinab.

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FOTO: MANFRED STADE Der Flaschenpo­st-Fund von Baumberg.

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