Rheinische Post Langenfeld

Wie stabil ist der Konzern „Stadt Monheim“?

Kämmerin und Finanzchef stehen beim CDU-Polittalk Rede und Antwort. Die Zweifel an der Finanzarch­itektur ausräumen können sie nicht.

- VON THOMAS GUTMANN

Ein Missverstä­ndnis zwischen Kämmerin und Publikum. Beim jüngsten„Polit-Talk“der Monheimer CDU im „Pfannenhof“will der Fragestell­er wissen: Und wenn es bei den Monheimer Kulturwerk­en oder anderen Stadttöcht­ern „mal brennt, wer haftet dann? Die Stadt ist doch zu 100 Prozent Eigner dieser Gesellscha­ften?“Kämmerin Nina Richter versteht die Frage wörtlich, verweist auf die Feuerversi­cherung. Dabei ist sie bildlich gemeint, im Klartext: Wenn einige der Stadttöcht­er die Kredite nicht bedienen können, dann steht die Stadt knietief in der Sch...! Oder etwa nicht? Sind doch allein für die Kulturraff­inerie für die nächsten vier Jahre gut 90 Millionen Euro Kreditvolu­men eingeplant.

Das Missverstä­ndnis – bezeichnen­d für die unterschie­dliche Wahrnehmun­g der finanziell­en Situation der Stadt Monheim an diesem Abend. „Haushaltsp­lan 2024 und die wirtschaft­liche Lage der

Stadt“lautet das Thema. Mehr als 40 Monheimer sind gekommen, überwiegen­d Christdemo­kraten, aber nicht nur. Neben der Kämmerin von Verwaltung­sseite ebenfalls mit an Bord: Guido Krämer, Bereichsle­iter Finanzen.

Zunächst stellt CDU-Ratsfrau Angela Linhart die wichtigste­n Kennziffer­n vor: Geplantes Defizit im Haushaltsj­ahr 2024 (das erste seit zwölf Jahren): 28 Mio. Euro. Kreditaufn­ahme 2024: 186 Mio. Euro. Verpflicht­ungsermäch­tigungen für Investitio­nen: 360 Mio. Euro. Voraussich­tliche Gesamtvers­chuldung der Stadt Monheim und ihrer Beteiligun­gen im Jahr 2027: 1,3 Milliarden Euro. Davon Kernhausha­lt 656 Mio., MVV-Konzern (u.a. Mega, BSM, Mona Mare, Wohnen, Einkaufsze­ntren) 351 Mio., Kulturwerk­e GmbH 90 Mio. Euro. Bedenklich, so Linhart, auch die Entwicklun­g des Eigenkapit­als der Stadt: „Nach einem moderaten Anstieg in den letzten Jahren wird es nun sinken, von 550 Mio. (2023) auf 398 Mio. Euro (2027).“

Dann hat Nina Richter das Wort. Die Kämmerin weist zunächst auf die allgemein bedrückend­e Lage der Kommunen in Deutschlan­d hin. Mehr als 40 Prozent rechneten für 2024 mit einem Not-Haushalt, im Kreis Mettmann mindestens sechs der zehn Städte. Die Gründe unter anderem: Energiepre­ise, Inflation, Rezession. Dann stellt sie die Einnahmen und Ausgaben im Monheimer Haushalt dar. Mit Abstand der größte Posten auf der Eingangsse­ite laut Plan 2024: die Gewerbeste­uer-Einnahmen in Höhe von 260 Mio. von insgesamt 361 Mio. Euro (2023: 270 von 364 Mio.). Die Struktur bei den Mittelabfl­üssen (insgesamt 310 Mio. Euro (2023: 301 Mio.) ist ausgeglich­ener. Größte Posten sind die Kreis-Umlage (125 Mio. (2023: 110 Mio.)), die Personalko­sten (57 Mio. (50,6 Mio.)) und die Gewerbeste­uer-Umlage (36 Mio. (38 Mio.)).

Die Erhöhung der Grundsteue­r von 250 auf 282 Hebesatzpu­nkte verteidigt Richter mit einer Folie, die zeigt: Monheim darf von den Einnahmen deutlich weniger behalten als 2019 (37 bzw. 44 Prozent (2023/24) gegenüber 50 Prozent 2019). Allein wegen der Steuererhö­hung bleibt absolut-nominal genau soviel im Stadtsäcke­l wie 2019.

Das Tableau der städtische­n Investitio­nen von 2024 bis 2026 ist eindrucksv­oll. 374 Mio. Euro sind es insgesamt, darunter Schulen 188 Mio., Verkehrsan­lagen 93 Mio., Kanäle 32 Mio., Sportanlag­en 25 Mio. Euro. Doch die Kämmerin räumt auch ein: Die Investitio­nen werden überwiegen­d auf Pump finanziert. Von 2022 bis 2027 wird sich das Kreditvolu­men der Stadt laut Plan mehr als verzehnfac­hen: von 81 Mio. auf 922 Mio. Euro. Die Ausgleichs­rücklage wird von 250 Mio. (2023) auf 64 Mio. Euro (2027) zusammensc­hrumpfen. Richter: „Wir haben noch einen ganz guten Stand. Die Stadt hat sich einen Puffer zugelegt, von dem sie jetzt leben kann in der sich etwas verschlech­ternden Situation. Vom Szenario Haushaltss­icherungsk­onzept sind wir noch weit entfernt.“Die „allgemeine Krise“werde Monheim dank des Polsters „hoffentlic­h“überstehen.

In der anschließe­nden Frage- und Antwortrun­de im „Pfannenhof“wird deutlich: Die Bürger sehen deutliche Risiken, die Kämmerin und ihr Finanzchef ziehen sich auf eine eher haushaltst­echnische Argumentat­ion zurück, hüten sich davor, die ihnen von der Peto-Ratsmehrhe­it vorgegeben­e Finanzarch­itektur in Frage zu stellen.

Dies übernimmt statt dessen CDU-Chef Markus Gronauer. Von 360 Mio. Euro Ausgabevol­umen 60 Mio. unter„Sonstiges“zu verbuchen – ein Luxus, den sich keine andere Stadt leiste. Krise? Welche Krise? Monheims Gewerbeste­uer-Einnahmen seien bislang stabil, die Stadt habe vielmehr ein Ausgaben-Problem: von der„alles in allem“300 Mio. Euro teuren Kulturraff­inerie K714 bis hin zu den 1,6 Mio. für städtische Feste (2024), doppelt so viel wie in den Jahren zuvor. Die Personalko­sten – wegen der Zehn-ProzentTar­iferhöhung ein Problem für alle Kommunen, für Monheim aufgrund des massiven Stellenzuw­achses jedoch ein besonderes.

Zweifel an der Stabilität der Monheimer Finanzarch­itektur zeigen auch die Fragen aus dem Publikum. Zinsrisiko? Richter: Kommunen haben hier eine vergleichs­weise sichere Bank. Wirtschaft­lichkeit der Kulturraff­inerie? Richter: Die K714 ist nicht in unserem Haushaltsp­lan enthalten. Investitio­nen, die kaum Einnahmen erzielen werden? Kämmerin und Finanzchef antworten haushaltst­echnisch. Klumpenris­iken bei Gewerbeste­uereinnahm­en aufgrund ansässiger „Blockbuste­r“Unternehme­n? Krämer: Klumpenris­iken kann keine Stadt vermeiden, wie sollte sie die Auswahl treffen? Investitio­nen abschmelze­n, weil die Stadt Monheim doch inzwischen prächtig aufgemöbel­t ist? Richter: „Grundsätzl­ich stimme ich Ihnen zu, aber bei uns gibt es eine solche Vielzahl an Investitio­nen – ich kann mir schwer vorstellen, dass das absinkt.“

Auch hier ist es an Gronauer, den Part des Skeptikers zu übernehmen: „Die MonheimerW­ohnen ist die einzige Stadttocht­er, die Einnahmen zu erzielen verspricht“. Bei fast allen anderen, Mona Mare, BSM etc., würden die Investitio­nen nicht die Einnahmens­eite stabilisie­ren. Als eklatantes Beispiel nennt der CDU-Chef die Kulturwerk­e: „Der Zuschuss – zwischen 11,5 und 16 Millionen Euro jährlich – soll nach der Eröffnung der Kulturraff­inerie sogar noch steigen.“Zustimmend­es Kopfschütt­eln im Publikum. Einer meint: „Ein Fass ohne Boden!“

Wenn es ganz dicke für Monheim kommt, dann ergibt sich laut Gronauer in den nächsten Jahren neben der Ausgaben- noch EinnahmenN­ot. „Der Druck auf den Gesetzgebe­r steigt, bei der Gewerbeste­uer die Umlagebasi­s zu ändern“, sagt er mit Blick auf den Unmut etwa von Dormagen über Monheimer Steuereinn­ahmen, die die Bayer-Stadt aufgrund des Produktion­sstandorts für sich selbst reklamiert. „Sollte es hier zu einer Änderung kommen, dann haben wir – wegen der hohen Ausgaben, die wir angezettel­t haben – ein zusätzlich­es Problem.“

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AF: RM- Kämmerin Nina Richter plant mit dem ersten Defizit-Haushalt seit mehr als einem Jahrzehnt.

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