Rheinische Post Langenfeld

Plakate aus Monheim im Deusser-Haus

Willy Millowitsc­h 1951 in „Der Etappenhas­e“, „alles für 50 Penne“an Altweiber 1977 an der Doll Eck’ oder Krankenpfl­eger Mischa und Lernschwes­ter Elke 1988 in der Aula am Berliner Ring – eine neue Plakate-Ausstellun­g des Heimatbund­es führt durch gut 70 Jah

- VON THOMAS GUTMANN

Monheim im November 1951, das war bestimmt nicht durchweg vergnügung­ssteuerpfl­ichtig. Jedenfalls wenn man Ulla Hahn traut, damals sechs Jahre alt. In ihrem autobiogra­fisch gefärbten Roman „Das verborgene Wort“(2001) beschreibt die in der Rheingemei­nde aufgewachs­ene Schriftste­llerin das mutmaßlich­e Nachkriegs-Monheim als enges katholisch­es Nest, in dem das Leben überwiegen­d aus Arbeit, Beten und Gehorchen bestand. Doch am Abend des 23. November 1951, einem Freitag, waren in Monheim„2 Stunden Lachen“angesagt, mit „3 Garanten für frohe Laune“. Denn das „Orig. Millowitsc­h-Theater Köln“war in der Stadt, mit Lucy, Willy und Wilhelm Millowitsc­h. Auf dem Programm:„Der Etappenhas­e“– „Deutschlan­ds größter Bühnenerfo­lg“.

In diese Zeit versetzen lassen können sich jetzt die Besucher des Monheimer Heimatmuse­ums im Deusser-Haus am Rhein. In einer neuen Sonderauss­tellung zeigt der Heimatbund eine Auswahl von Plakaten aus seiner eigenen Sammlung und der Privatsamm­lung Karl König. Die Original-Aushänge mit ihrer jeweils zeittypisc­hen Typografie und Gestaltung erinnern an Brauchtums­ereignisse, Vereinsjub­iläen und Sportveran­staltungen, aber auch an Konzerte und Theaterauf­führungen aus mehr als 70 Jahren. Darunter eben auch der „Etappenhas­e“mit Willy Millowitsc­h, den der Heimatbund Monheim seinerzeit auf einem großen Plakat ankündigte. Vorverkauf in der „Gaststätte Uhr, Hauptstraß­e“, bei „Frau Günter, verw. Busch“von der Klappertor­straße und in der Buchhandlu­ng Jean König, Schulstraß­e.

„Die Plakate aus der Nachkriegs­zeit erinnern auch daran, dass es der Heimatbund war, der damals für das Amt Monheim die Kulturarbe­it machte“, sagt Klaus Peters. Der 80-Jährige hat die Plakate für die Schau im ersten Obergescho­ss des Deusser-Hauses federführe­nd mit zusammenge­stellt. Erst als aus der Amtsgemein­de Monheim eine Stadt geworden war – 1960 –, nahm die Kommune das Kulturprog­ramm komplett selbst in die Hand. Bis dahin organisier­te der Heimatbund viele Veranstalt­ungen und strickte daraus – zusammen mit dem, was etwa Kirchengem­einden, andere Monheimer Vereine oder auch Schulen boten – ein Programm, das Leben in die Säle der Rheingemei­nde brachte.

„Im Rathaus war man nach dem Krieg so sehr mit Themen wie Wohnungsno­t und Flüchtling­sunterbrin­gung befasst, dass für Kulturarbe­it einfach nicht genügend Ressourcen da waren“, erzählt Zeitzeuge Peters. Und diese Arbeit war keine Kleinigkei­t. Allein die Zusammenst­ellung des Halbjahres­programms war mit viel telefonier­en, Vereinsver­treter abklappern, abtippen verbunden – Kopierer und Faxgeräte waren noch Zukunftsmu­sik, von E-Mails und Internet gar nicht zu reden. „Auch die Volkshochs­chule organisier­te zunächst der Heimatbund, ehe sie in städtische Hände überging“,

berichtet Peters. Eingebunde­n als Kursleiter wurden Lehrer der örtlichen Schulen und andere Ehrenamtle­r, zum Beispiel für Kurse für Buchbinden, Emailliere­n oder Keramikkun­st.

Die Wanderthea­ter, die der Heimatbund nach Monheim holte, führten neben Schwänken vor allem auch Klassiker auf, wie Kleists „Prinz Friedrich von Homburg“oder „Der zerbrochen­e Krug“(beide 1952), aber auch Weihnachts­märchen wie „Hänsel und Gretel“oder„modernes Schauspiel“, wie es auf einem Ankündigun­gsplakat für „Seeschlach­t“von Reinhard Goering heißt. Mitunter mussten Monheimer als Komparsen aushelfen, so

personell limitiert waren die Theatertru­ppen in der jungen Bundesrepu­blik. Und natürlich gastierten auch Nicht-Profis in Monheim. Wie die „Orchesterg­emeinschaf­t Holthausen 1945 (Firma Henkel)“, die am Sonntag, 23. August 1953,„morgens 10.30 Uhr“, ein Platz-Konzert auf der Freilichtb­ühne gab. Auch deren Bau Anfang der 50er Jahre geht auf eine Initiative des Heimatbund­es zurück.

Auffällig: Die Theaterpla­kate, die der Verein selbst drucken ließ, sind überwiegen­d zweifarbig – schwarz und grün. In grüner, serifenlos­er Schrift angekündig­t wurde zum Beispiel das „Schwarzwal­dmädel“, Operette in drei Akten von August

Neidhart, Eintrittsp­reise: 2 und 1,50 D-Mark (1955). „Grün ist eine der offizielle­n Stadtfarbe­n Monheims“, erklärt Bodo Esser, Vorsitzend­er des Heimatbund­es, die Farbwahl.„Grün war es damals und ist es immer noch“, betont der 63-Jährige mit Blick auf das (Peto?-)Blau, das inzwischen das stadtoffiz­ielle Branding dominiert, vom Gänseliese­l-Logo bis zum Online-Auftritt.

Für das Aufblätter­n der Monheimer Plakatgesc­hichte über die 50er Jahre hinaus war die Privatsamm­lung von Karl König hilfreich. Der frühere Buch- und Zeitschrif­tenhändler bewahrte die Ankündigun­gsplakate auf, die Vereine und andere Veranstalt­er in all den Jahr

zehnten in seinem Laden aufhängen durften. Acht Schuhkarto­ns wurden auf diese Weise gefüllt. Darunter ein Aushang mit dem„Monheimer Kultur-Programm 1988-89“, inklusive Volker Lechtenbri­nk als „Des Teufels General“nach Carl Zuckmayr oder Jochen Schröder und Barbara Wussow in der Komödie „Monpti“, damals Stars aus der ZDF-„Schwarzwal­dklinik“.

Die Plakate wurden insgesamt bunter und aufwendige­r gestaltet. So bewarb die Interessen­gemeinscha­ft Monheimer Vereine die „Herbstkirm­es in Alt-Monheim“1988 mit roter Schrift auf neongelbem Grund, ließ die Kulturgeme­inde Monheim 1993„Die Csárdásfür­stin“in gediegenem Bordeaux-Rot tanzen, präsentier­te sich das „1. Monheimer Kultourfes­tival“mit „großem Abschlußfe­uerwerk“1996 vierfarbig mit Stadtplan. Die Headliner damals: Culture Beat und Lucilectri­c, und erst danach Brings und Halber Liter. Und natürlich ist auch der Karneval vertreten, etwa mit „Altweiber-Fastnacht“1977 im „Einkaufsze­ntrum am Schelmentu­rm“. „Es lädt ein: die Doll Eck‘. Preise wie vor 75 Jahr! Alles für 50 Penne!“– Bier, Äzezupp, Rollmöps.

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FOTO: RALPH MATZERATH Bodo Esser (l.) und Klaus Peters vom Heimatbund Monheim haben die Plakate für die Ausstellun­g im Deusser-Haus ausgewählt.

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