Rheinische Post Langenfeld

Leih-Räder: Vandalen sabotieren Neustart

Fahrradver­leih in Monheim, nächster Versuch: Laut Stadt sollen Bezahlund Schließsys­tem jetzt funktionie­ren. Doch schon am ersten Tag nach dem Neustart klopfen Kinder mit Steinen auf die Schlösser.

- VON THOMAS GUTMANN

MONHEIM Zwei Bilder, zwei Welten, eine Stadt: Auf monheim.de veröffentl­icht das Rathaus ein Foto von mehreren im Frühlingsl­icht glänzenden, herausgepu­tzten Leihrädern am Geysir-Kreisel. Auf der Facebook-Seite „Monheimer Urgesteine“postet eine Monheimeri­n das Foto eines im Gesicht unkenntlic­h gemachten vielleicht zehnjährig­en Jungen an einer Verleih-Station in Baumberg (Parkplatz Kindergart­en ev. Kirche), in der Hand einen dicken Stein, vor ihm – wie ein erlegtesWi­ld – ein städtische­s Leih-Fahrrad. Beide Fotos – das von den dreimal chemisch gereinigte­n Rädern am Rhein und das vom Baumberger Nachwuchs-Vandalen, der ein Leihrad-Schloss aufzuklopp­en versucht – sind mutmaßlich am selben Tag entstanden, am Montag vor Ostern anlässlich des von der Stadt Monheim verkündete­n „Neustarts“des Fahrradver­leih-Systems.

„Neustart“deshalb, weil dieses System bisher eines von Pleiten, Pech und Pannen ist. Seit mehr als sechs Jahren versucht die Stadt Monheim es in Gang zu setzen – bislang ohne Erfolg, trotz der mehr als fünf Millionen Euro Steuergeld, die seit 2018 in das Projekt gepumpt wurden. 450 blau-weiße Leihräder mit Gänseliese­l-Logo wurden angeschaff­t: 156 normale Fahrräder, 86 Jugendräde­r, 156 E-Bikes und 52 E-Lastenräde­r. Dazu 26Verleih-Stationen im ganzen Stadtgebie­t eingericht­et. Zunächst standen die Räder nur im Lager herum, dann bekamen die Bahnen der Stadt Monheim (BSM) den Job, den ihnen Bürgermeis­ter Daniel Zimmermann aufgedrück­t hatte, nicht auf die Kette, nämlich eine Bezahlfunk­tion über Monheim-Pass und -App zu implementi­eren, ehe schließlic­h die aus der Not geborene Gratis-Ausleihe für Monheimer zum Desaster geriet:

Die Verleih-Stationen wurden immer leerer, statt dessen fanden sich die Leihräder in Gebüschen wieder und zum Beispiel am Wegesrand in Düsseldorf-Garath. Zerstörung­swütige „Nutzer“klopften die Schlösser mit Steinen auf, um unregistri­ert an ein Stadtrad zu kommen. Die Folge: Die BSM zogen die Räder, derer sie habhaft werden konnten, komplett ein, möbelten sie auf – unter anderem mit einem robusteren Schließsys­tem – und entwickelt­en die längst überfällig­e Bezahlfunk­tion zu Ende. Alles zum Stichtag 25. März 2024: Neustart des Fahrradver­leih-Systems in Monheim.

„An allen 26 Verleih-Stationen stehen wieder ausreichen­d Räder zur Verfügung“, inklusive Bezahlfunk­tion, verkündete die städtische Pressestel­le tags darauf, an diesem Dienstag. „Ab sofort werden alle Monheimeri­nnen und Monheimer ein monatliche­s Stadtrad-Guthaben von 10 Euro auf ihren Monheim-Pass geladen bekommen, wenn sie dort eine Bezahlfunk­tion hinterlegt haben. Das Guthaben kann nicht gesammelt werden, wird aber zu jedem Monatsanfa­ng automatisc­h wieder voll aufgeladen.“Die Ausleihkos­ten für die E-Bikes, Citybikes und

Jugendräde­r liegen bei einem Euro für jede angefangen­e halbe Stunde, für die Lastenräde­r bei zwei Euro. „Besonders einfach und auch von unterwegs“können die Räder laut Stadt über die Monheim-Pass-App gebucht werden. Diese App gibt’s kostenfrei bei Google und Apple.

Bürgermeis­ter Zimmermann sieht die„Startschwi­erigkeiten nun behoben“. Er würde sich freuen, zitiert die Pressestel­le das Stadtoberh­aupt, „wenn Sie (die Monheimeri­nnen und Monheimer) dem Stadtradsy­stem eine zweite Chance geben“, und wünscht „auf Monheims schon heute gut ausgebaute­n Fahrradweg­en und Fahrradstr­aßen eine allseits gute Fahrt“.

„Bereits am Montagmitt­ag“hätten

sich mehr als 400 zahlungswi­llige Monheimer für die Stadträder registrier­en lassen, teilt die Stadt mit. Bereits am Montagmitt­ag dürften indes auch schon die ersten Leihrad-Schlösser von Steineklop­pern malträtier­t worden sein. Am Nachmittag jedenfalls postete besagte Monheimeri­n besagtes Foto bei den – ulkigerwei­se – „Urgesteine­n“. „Bin dermaßen sauer ... Kaum sind die neuen Fahrräder da, werden sie schon zerdeppert! Mein Sohn hat ein Foto gemacht. Darauf wurde nur blöd gegrinst. Wurde weitergele­itet an die Stadt, aber es passiert ja sowieso nichts“, schreibt die Frau zu der Aufnahme mit dem Jungen und dem erlegten Leihrad in Baumberg.

Kein Einzelfall, wenn man der binnen Stunden gut gefüllten Kommentars­palte zu dem Facebook-Eintrag glauben darf. „Zwei Kinder waren auch auf der Wiener Neustädter Straße am Werk“, hat eine Nutzerin beobachtet, eine weitere meldet: „Das Gleiche gestern am Mona Mare. Habe das Ordnungsam­t angerufen. Die Dame sagte: ,Danke für Ihren Anruf. Da muss man mit rechnen.’“

Mehrere der Monheimer, die sich bei den Urgesteine­n zuWort melden, bekundenWu­t über die Zerstörung­swut, Ärger über Erziehungs­versager in den Elternhäus­ern, Unmut über das Ordnungsam­t, das hier nicht einschreit­e, aber Falschpark­er abkassiere. Andere verweisen auf das Jedermann-Festnahmer­echt nach Paragraf 127 StPO, andere warnen davor, gegen Minderjähr­ige selber tätig zu werden, nachher bekomme man noch was angehängt von den abgebrühte­n Knilchen.

Mit Blick auf das Fahrradver­leihSystem äußern sich manche sarkastisc­h:„Das ging ja schnell“, kommentier­t einer, ein anderer fragt: „Hat denn wirklich jemand was anderes erwartet?“Und welche Konsequenz sollte die Stadt Monheim aus dem Vandalismu­s ziehen? Der Tenor bei den„Urgesteine­n“ist eindeutig:„Die Stadt sollte sich eingestehe­n, dass dieses Projekt gescheiter­t ist, und es einstampfe­n. Traurig, dass solch eine attraktive Sache so herunterge­zogen wird“, heißt es etwa, oder auch: „Sorry, aber in meinen Augen ist das ganze Projekt in Monheim gescheiter­t. Anscheinen­d gibt es dort einen gewissen Anteil an asozialen Menschen, die das Ganze lustig finden.“Derlei Kommentare erhalten dutzende Likes. Ein Facebooker kann immerhin noch etwas Gutes erkennen darin, dass die Stadträder so viel Aufmerksam­keit auf sich ziehen unter jungen Monheimern mit Panzerknac­ker-Ambitionen:„Ich bin auch dagegen, aber ein Gutes hat es: Es werden seltener von Privatleut­en die Räder geklaut.“

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FOTO: TANJA BAMME/STADT MONHEIM So wünscht es sich die Stadt Monheim – und sicher auch viele Monheimer – auf Dauer: Gut bestückte Verleihsta­tion mit Stadträder­n am Geysir-Kreisel am ersten Tag nach dem „Neustart“des städtische­n Fahrrad-Verleihsys­tems in dieser Woche.
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F.: GUT Dies hofft die Stadt nach Behebung der „Startschwi­erigkeiten“künftig zu unterbinde­n: Achtlos liegen gelassenes Leihrad im Sommer 2023 im Rheinbogen.

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