Leih-Räder: Vandalen sabotieren Neustart
Fahrradverleih in Monheim, nächster Versuch: Laut Stadt sollen Bezahlund Schließsystem jetzt funktionieren. Doch schon am ersten Tag nach dem Neustart klopfen Kinder mit Steinen auf die Schlösser.
MONHEIM Zwei Bilder, zwei Welten, eine Stadt: Auf monheim.de veröffentlicht das Rathaus ein Foto von mehreren im Frühlingslicht glänzenden, herausgeputzten Leihrädern am Geysir-Kreisel. Auf der Facebook-Seite „Monheimer Urgesteine“postet eine Monheimerin das Foto eines im Gesicht unkenntlich gemachten vielleicht zehnjährigen Jungen an einer Verleih-Station in Baumberg (Parkplatz Kindergarten ev. Kirche), in der Hand einen dicken Stein, vor ihm – wie ein erlegtesWild – ein städtisches Leih-Fahrrad. Beide Fotos – das von den dreimal chemisch gereinigten Rädern am Rhein und das vom Baumberger Nachwuchs-Vandalen, der ein Leihrad-Schloss aufzukloppen versucht – sind mutmaßlich am selben Tag entstanden, am Montag vor Ostern anlässlich des von der Stadt Monheim verkündeten „Neustarts“des Fahrradverleih-Systems.
„Neustart“deshalb, weil dieses System bisher eines von Pleiten, Pech und Pannen ist. Seit mehr als sechs Jahren versucht die Stadt Monheim es in Gang zu setzen – bislang ohne Erfolg, trotz der mehr als fünf Millionen Euro Steuergeld, die seit 2018 in das Projekt gepumpt wurden. 450 blau-weiße Leihräder mit Gänseliesel-Logo wurden angeschafft: 156 normale Fahrräder, 86 Jugendräder, 156 E-Bikes und 52 E-Lastenräder. Dazu 26Verleih-Stationen im ganzen Stadtgebiet eingerichtet. Zunächst standen die Räder nur im Lager herum, dann bekamen die Bahnen der Stadt Monheim (BSM) den Job, den ihnen Bürgermeister Daniel Zimmermann aufgedrückt hatte, nicht auf die Kette, nämlich eine Bezahlfunktion über Monheim-Pass und -App zu implementieren, ehe schließlich die aus der Not geborene Gratis-Ausleihe für Monheimer zum Desaster geriet:
Die Verleih-Stationen wurden immer leerer, statt dessen fanden sich die Leihräder in Gebüschen wieder und zum Beispiel am Wegesrand in Düsseldorf-Garath. Zerstörungswütige „Nutzer“klopften die Schlösser mit Steinen auf, um unregistriert an ein Stadtrad zu kommen. Die Folge: Die BSM zogen die Räder, derer sie habhaft werden konnten, komplett ein, möbelten sie auf – unter anderem mit einem robusteren Schließsystem – und entwickelten die längst überfällige Bezahlfunktion zu Ende. Alles zum Stichtag 25. März 2024: Neustart des Fahrradverleih-Systems in Monheim.
„An allen 26 Verleih-Stationen stehen wieder ausreichend Räder zur Verfügung“, inklusive Bezahlfunktion, verkündete die städtische Pressestelle tags darauf, an diesem Dienstag. „Ab sofort werden alle Monheimerinnen und Monheimer ein monatliches Stadtrad-Guthaben von 10 Euro auf ihren Monheim-Pass geladen bekommen, wenn sie dort eine Bezahlfunktion hinterlegt haben. Das Guthaben kann nicht gesammelt werden, wird aber zu jedem Monatsanfang automatisch wieder voll aufgeladen.“Die Ausleihkosten für die E-Bikes, Citybikes und
Jugendräder liegen bei einem Euro für jede angefangene halbe Stunde, für die Lastenräder bei zwei Euro. „Besonders einfach und auch von unterwegs“können die Räder laut Stadt über die Monheim-Pass-App gebucht werden. Diese App gibt’s kostenfrei bei Google und Apple.
Bürgermeister Zimmermann sieht die„Startschwierigkeiten nun behoben“. Er würde sich freuen, zitiert die Pressestelle das Stadtoberhaupt, „wenn Sie (die Monheimerinnen und Monheimer) dem Stadtradsystem eine zweite Chance geben“, und wünscht „auf Monheims schon heute gut ausgebauten Fahrradwegen und Fahrradstraßen eine allseits gute Fahrt“.
„Bereits am Montagmittag“hätten
sich mehr als 400 zahlungswillige Monheimer für die Stadträder registrieren lassen, teilt die Stadt mit. Bereits am Montagmittag dürften indes auch schon die ersten Leihrad-Schlösser von Steinekloppern malträtiert worden sein. Am Nachmittag jedenfalls postete besagte Monheimerin besagtes Foto bei den – ulkigerweise – „Urgesteinen“. „Bin dermaßen sauer ... Kaum sind die neuen Fahrräder da, werden sie schon zerdeppert! Mein Sohn hat ein Foto gemacht. Darauf wurde nur blöd gegrinst. Wurde weitergeleitet an die Stadt, aber es passiert ja sowieso nichts“, schreibt die Frau zu der Aufnahme mit dem Jungen und dem erlegten Leihrad in Baumberg.
Kein Einzelfall, wenn man der binnen Stunden gut gefüllten Kommentarspalte zu dem Facebook-Eintrag glauben darf. „Zwei Kinder waren auch auf der Wiener Neustädter Straße am Werk“, hat eine Nutzerin beobachtet, eine weitere meldet: „Das Gleiche gestern am Mona Mare. Habe das Ordnungsamt angerufen. Die Dame sagte: ,Danke für Ihren Anruf. Da muss man mit rechnen.’“
Mehrere der Monheimer, die sich bei den Urgesteinen zuWort melden, bekundenWut über die Zerstörungswut, Ärger über Erziehungsversager in den Elternhäusern, Unmut über das Ordnungsamt, das hier nicht einschreite, aber Falschparker abkassiere. Andere verweisen auf das Jedermann-Festnahmerecht nach Paragraf 127 StPO, andere warnen davor, gegen Minderjährige selber tätig zu werden, nachher bekomme man noch was angehängt von den abgebrühten Knilchen.
Mit Blick auf das FahrradverleihSystem äußern sich manche sarkastisch:„Das ging ja schnell“, kommentiert einer, ein anderer fragt: „Hat denn wirklich jemand was anderes erwartet?“Und welche Konsequenz sollte die Stadt Monheim aus dem Vandalismus ziehen? Der Tenor bei den„Urgesteinen“ist eindeutig:„Die Stadt sollte sich eingestehen, dass dieses Projekt gescheitert ist, und es einstampfen. Traurig, dass solch eine attraktive Sache so heruntergezogen wird“, heißt es etwa, oder auch: „Sorry, aber in meinen Augen ist das ganze Projekt in Monheim gescheitert. Anscheinend gibt es dort einen gewissen Anteil an asozialen Menschen, die das Ganze lustig finden.“Derlei Kommentare erhalten dutzende Likes. Ein Facebooker kann immerhin noch etwas Gutes erkennen darin, dass die Stadträder so viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen unter jungen Monheimern mit Panzerknacker-Ambitionen:„Ich bin auch dagegen, aber ein Gutes hat es: Es werden seltener von Privatleuten die Räder geklaut.“