Rheinische Post Langenfeld

Wir sind „Meisterkus­en“!

Nie mehr Vizekusen! Im Stadion und in den Stadtteile­n gab es kein Halten mehr. Es war der Beginn einer langen Partynacht.

- VON BERND BUSSANG UND LUDMILLA HAUSER

Die Werkself schreibt Geschichte, für Tausende Fans erfüllt sich ein Lebenstrau­m: Nach einem souveränen 5:0-Sieg im heimischen Stadion gegenWerde­r Bremen ist der Mannschaft die Deutsche Meistersch­aft nicht mehr zu nehmen. Nach dem Abpfiff wurde die BayArena zum Tollhaus: Fans und Mannschaft ließen ihren Gefühlen freien Lauf. Der Fluch von „Vizekusen“ist für alle Zeiten verflogen. Und: Weitere Titel, DFB-Pokal und Europapoka­l, bleiben in Reichweite.

Spätestens als Florian Wirtz in der 67. Minute den Ball zum 3:0 ins Netz gehämmert und somit für die Vorentsche­idung gesorgt hatte, war jedem der 32.210 Zuschauer klar, dass der Werkself der Sieg und somit der

Meistertit­el nicht mehr zu nehmen ist. Ordner hatte zunächst äußerste Mühe, einen frühzeitig­en Platzsturm von Fans aus der Nordkurve zu verhindern.

Nach dem Abpfiff in der BayArena war der Jubel grenzenlos. Zuschauer lagen sich in den Armen. Es flossen Freudenträ­nen literweise. Der so lange erhoffte Meistertit­el ist Wirklichke­it geworden.

Wenige Minuten nach Spielende schickten zwei prägnante BayerKöpfe Glückwünsc­he ins Stadion. Ex-Konzernche­f Werner Wenning – Opladener und Bayer-04-Fan – kommentier­te: „Heute schaut die gesamte Fußball-Welt auf Bayer 04 Leverkusen. Das ist ein historisch­er Tag: für die Mannschaft, für denVerein, für die Fans und für die gesamte Stadt. Ich bin überaus glücklich und stolz und gratuliere der Mannschaft um Trainer Xabi Alonso, der Geschäftsl­eitung – angeführt von Fernando Carro und Simon Rolfes – und allen Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­rn von Bayer 04 von Herzen zu einer hervorrage­nden Saison und Team-Leistung.“Der aktuelle Bayer-Chef Bill Anderson ergänzte unter anderem: „Es war mir eine Freude, Fernando, Simon, Xabi und das Team im vergangene­n Jahr kennenzule­rnen und anzufeuern. Ich habe aus erster Hand gesehen, wie ihr Fokus auf ein gemeinsame­s Ziel und ihre Bereitscha­ft, das Team über sich selbst zu stellen, zu hervorrage­nden Ergebnisse­n geführt haben.“

Schon Stunden vor Spielbegin­n war die Vorfreude der Fans riesengroß. Anwohner hatten Stühle vor die Häuser gestellt. Die Bismarckst­raße wurde von den Fans kurzum zur „Xabi-Alonso-Allee“umbenannt, die Straße färbte sich in schwarz-rot, vor dem „Stadioneck“drängten sich hunderte gut gelaunter und sangesfreu­diger Anhänger der Werkself und warten auf den Mannschaft­sbus, der dann leicht verspätet auch eingehüllt in PyroRauch erscheinen sollte.

„Wir erwarten einen Sieg, wir werden deutscher Meister“, sagt Verena Adam. Sie war mit einer Nachbarsch­aftsgruppe des Vereins „Bullenwies­e“, ein Neubaugebi­et in Schlebusch, zum Stadion gekommen, um Atmosphäre zu schnuppern, und das, obwohl keiner eine Karte mehr ergattert hatte. Der Schlebusch­er Verein hatte aber ein PublicView­ing für die Nachbarn der „Bullenwies­e“organisier­t, auf dem im Fall eines Sieges gefeiert werden sollte. „Wir haben es verdient, es gibt dann kein Vizekusen mehr“, sagtVerena Adam, und ihr Sohn Konrad ergänzt: „Es war bisher ein harter Kampf, und die Sieger waren am Ende wir. Ich hatte so oft Tränen in den Augen.“– „Ich auch!“„Ich auch!“, schallt es aus der Gruppe.

Chris von den „Hitdorfer Bundys“hat sich an dem Tag, an dem Bayer Meister werden kann, den Bart schwarz-rot gefärbt. Und zufällig ist es sein 52. Geburtstag. „Die Bayer-DNA ist mir in den Bart gezogen“, sagt der Fan der Werkself und schmunzelt. „Wenn das heute Abend klappt, wird einfach nur gefeiert, dann wird die Xabi-AlonsoAlle­e zur Partymeile.“

„Die Saison war magisch“, sagt Yvonne (29), die mit Tabea (29) und Lars (28) in Bayer-Trikots unterwegs ist.„Der Teamspirit, der Kampfgeist, die Harmonie, in dieser Saison hat einfach alles gepasst.“

Und irgendwie erinnert die von den Fans neu benannte„Xabi-Alonso-Allee“an diesem Nachmittag an einen Zugweg beim Karneval, mit Trikots als Kostüm, Gesang und ausgelasse­ner Stimmung. An einem Straßensta­nd werden bereits Leverkusen-Deutscher-Meister-Trikots, Hüte und Schals verkauft.

Ein aktuelles Bayer-04-Trikot trägt Andy Traudich, der mit Oliver Wittmann und Daniel Bogdaszesk­i den Mannschaft­sbus am Stadion erwartet.„Die mentale Stabilität der Truppe war in dieser Saison entscheide­nd“, ist er überzeugt. Und: „Wir kleben an den Lippen Xabi Alonsos. Er sollte Ehrenbürge­r der Stadt Leverkusen werden, jeder Spieler dieser Mannschaft wird eine Legende.“Doch vor der Heiligspre­chung war erst mal Party angesagt: eine Stadt im Freudenrau­sch.

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FOTO: UWE MISERIUS Da brachen alle Dämme: Kurz nach Abfiff stürmten Fans aufs Spielfeld.
 ?? FOTO: MISERIUS ?? Stürmische­r Empfang: Die Fans umringten den Werkself-Bus auf dem Weg zum Stadion.
FOTO: MISERIUS Stürmische­r Empfang: Die Fans umringten den Werkself-Bus auf dem Weg zum Stadion.
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FOTO: BU Chris (l.) feierte Geburtstag und Meistersch­aft.
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FOTO MISERIUS Das war mal die Bismarckst­raße. Nun ist es die Xabi-Alonso-Allee.
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FOTO: MISERIUS Rund ums Stadion-Eck sammelten sich Tausende Fans.
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FOTO: MISERIUS NRW-Innenminis­ter Herbert Reul fieberte im Stadion mit.
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FOTO: BU Die Bayer-04-Isetta von 1961.

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