Rheinische Post Langenfeld

Junge Mutter muss sich verantwort­en

Im August hat eine junge Mutter (16) ihr Neugeboren­es im Vorgarten an der Poststraße Monheim ausgesetzt. Jetzt muss sie sich vor Gericht verantwort­en. Der Vorwurf lautet auf versuchten Totschlag und gefährlich­e Körperverl­etzung.

- VON HEIKE SCHOOG

Ein erst wenige Stunden altes Neugeboren­es wird an einem Sonntag, Mitte August, imVorgarte­n an der Poststraße in Monheim zufällig entdeckt. Nur wenige Meter entfernt sitzt – zunächst unbemerkt – die junge Mutter in einem Hauseingan­g. Sie ist zu der Zeit 16. Und offenbar verzweifel­t.

Jetzt muss sich die junge Frau vor Gericht verantwort­en. Der Tatvorwurf lautet „versuchter Totschlag, gefährlich­e Körperverl­etzung“. Sie soll „als Jugendlich­e im Zustand erheblich vermindert­er Schuldfähi­gkeit versucht haben, einen Menschen zu töten“, heißt es seitens der Anklage. Vier Tage sind für das Verfahren, das am 2. Mai beginnt, angesetzt.Wie es ausgehen kann?„Das ist völlig offen“, sagt Richterin Dr. Verena Drees, Sprecherin des Landgerich­ts. Das hänge vom Auftreten der jungen Frau vor Gericht ab, von Gutachten, die ihre Schuldfähi­gkeit einschätze­n, sowie von Zeugen, vom Verhalten der Eltern. Grundsätzl­ich würde bei der Beurteilun­g junger Menschen auf Resozialis­ierung gesetzt. Im schlimmste­n Fall könnten jedoch auch zehn Jahre Jugendstra­fe im Urteil stehen.

Was war geschen? Am Sonntag, 13. August 2023, hört eine Passantin merkwürdig­e Geräusche, die aus einem Vorgarten an der Poststraße kommen. Es ist 9.15 Uhr. Sie schaut nach und entdeckt ein Neugeboren­es, eingewicke­lt in eine Decke. Sie ruft die Polizei. Das inzwischen stark unterkühlt­e Baby kommt mit dem Rettungswa­gen ins Klinikum Leverkusen und wird dort versorgt. Nach ersten Einschätzu­ngen soll es keine Schäden davon getragen haben. Die Polizei ermittelt später die Mutter, die ganz in der Nähe wohnt und laut Zeugenauss­agen lange allein in einem Hauseingan­g gesessen haben soll. Sie wird in die Psychiatri­e gebracht. Wie sich später herausstel­lt, ist es bereits ihr zweites Kind. Das erste ist in der Obhut des Jugendamte­s beziehungs­weise in einer Pflegefami­lie.

Die erneute Schwangers­chaft habe die junge Frau vor den Betreuern des Jugendamte­s geheim

gehalten, hieß es dort. Die Jugendlich­e kommt offenbar aus schwierige­n Verhältnis­sen. Sie wollte nicht, dass ihre Mutter von der Schwangers­chaft erfährt. Das Kind hat sie in der Wohnung ihrer Mutter allein zur Welt gebracht, berichtet Staatsanwa­lt Markus Klein.

Jetzt wird sich vor Gericht klären, wie das Strafmaß für die Heranwachs­ende aussehen wird, die mehrere Monate in der Psychiatri­e in Bedburg-Hau gewesen ist. Sie wurde entlassen, weil eine eigens dazu geholte Jugendpsyc­hiaterin keine psychische Grunderkra­nkung festgestel­lt hat. Möglichker­weise sei die Reaktion, das Baby auszusetze­n, den schwierige­n Verhältnis­se in ihrem Umfeld geschuldet, also eine Handlung im Affekt. Die Jugendli

che hat nach ihrer Entlassung nur kurz bei ihrer Mutter gelebt und ist dann in Absprache mit dem Jugendamt bei der Familie des Kindesvate­rs eingezogen, teilt Staatsanwa­lt Markus Klein mit. Der Vater habe

aber ebenso keinen Kontakt zu dem Baby wie Mutter und Großmutter. Der Umgang mit dem Baby sei der Familie untersagt.

Gegen die inzwischen 17-Jährige wurde nach der Entlassung aus der

Psychiatri­e Haftbefehl erlassen, der aber – gegen Auflagen – ausgesetzt wurde.

Bei der Verhandlun­g, so der zuständige Staatsanwa­lt, werde die Jugendpsyc­hiaterin ihr Gutachten vorstellen. „Im Jugendstra­frecht geht es anders als bei Erwachsene­n nicht um die Bestrafung, sondern um die Erziehung. Strafen fallen dort meist geringer aus“, erläutert Klein. Wie das Verfahren ausgeht, hängt davon ab, wie die Schuldfähi­gkeit der jungen Frau eingeschät­zt wird. Und dazu tragen nicht nur das Gutachten, sondern auch das Auftreten der Jugendlich­en und ihr soziales Umfeld bei.

Das Baby wurde von der Leverkusen­er Klinik zunächst in die Obhut des Jugendamte­s gegeben.

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In einem Vorgarten an der Poststraße in Monheim wurde das Neugeboren­e am 13. August 2023 gefunden.
FOTO: RM- nd In einem Vorgarten an der Poststraße in Monheim wurde das Neugeboren­e am 13. August 2023 gefunden.

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