Erinnerungen an ein „Fußballwunder“
Der Uefa-Pokal-Krimi, der Bayer 04 1988 zum ersten großen Titel führte, bleibt unvergessen. Autorin Gabi Knops-Feiler und Fotograf Peter Thönes waren damals für die RP dabei. Ein emotionaler Rückblick.
Es war ein Moment für die Ewigkeit, als sich Bayer 04 Leverkusen am 18. Mai 1988 kurz nach 23 Uhr bei einem atemberaubenden Uefa-Cup-Finale gegen Espanyol Barcelona im Elfmeterschießen mit 3:2 durchsetzen konnte. Daran hatte kaum noch jemand geglaubt, nachdem das Hinspiel 0:3 verloren gegangen war. Der kleine - und bis dahin weitgehend unbekannte Verein - hatte sich doch tatsächlich an die Spitze von Fußball-Deutschland katapultiert. Rund 300 Millionen Fußballfreunde in 20 Ländern, allein 16 Millionen in der Bundesrepublik, hatten die Zitterpartie an den Bildschirmen verfolgt, während die Autorin in ihren Anfängen als Berichterstatterin alles hautnah miterlebte.
Der Jubel nach dem Abpfiff kannte keine Grenzen. Auch damals stürmten Fans auf den Rasen. Manch einer nahm sich sogar ein grünes Erinnerungsstück mit nach Hause. Weil das ehemalige Haberland-Stadion aber gerade im Umbau war, fasste es nur 22.000 Zuschauer. Die Spieler – damals noch bekleidet mit kurzen Shorts und weiß-roten Trikots - ließen sich feiern. Neun Jahre nach dem Aufstieg ins FußballOberhaus hatten sie allen Grund zur Freude. Während in aller Eile ein Siegerpodest errichtet wurde, lachten und weinten Trainer Erich Ribbeck und Co-Trainer Gerd Kentschke gemeinsam vor lauter Freude.
Bis in die frühen Morgenstunden
dauerte die improvisierte Feier mit Freibier für alle. Rund 1000 Fans trugen das Team im Wortsinn auf Händen durch die Halle, in die man damals gewechselt war. Unterdessen tranken Ribbeck und Kentschke den Champagner vor lauter Übermut mit einer Schöpfkelle aus dem Europapokal, wie der Uefa-Cup inzwischen genannt wird.
Einen Tag nach dem „Wunder“herrschte in Wiesdorf regelrechte Karnevalsstimmung. Trotz Regen waren mehr als 7000 Fans gekommen, um die „Profis mit Herz“zu feiern. Stunden vor der eigentli
chen Siegesfeier begann das Fest in Rot-Weiß vor der Bühne auf dem Rathausplatz. Erneut war die Begeisterung überschäumend. Überglücklich und fast ununterbrochen sangen die Fans „We are the champions“. Andere skandierten „Es gibt nur einen Erich Ribbeck“nach der Melodie „Guantamera“von Julio Igelesias, der selbst Fußballer bei Real Madrid war.
Der anschließende Autokorso durch die City geriet für die Mannschaft zum triumphalen Bad in der Menge. Die offenen Wagen – allen voran Erich Ribbeck, Mannschaftskapitän Wolfgang Rolff und dem TSV-Vorsitzenden Gert-Achim Fischer samt Uefa-Cup – kamen kaum durch. Jeder wollte den Gewinnern die Hand reichen.
Als die Kicker endlich auf der Bühne standen, fand der Beifall immer noch kein Ende. Die Menschen feierten ihre Fußballhelden, die als dritte deutsche Mannschaft überhaupt den Uefa-Cup für sich erobern konnte.
Die Spieler wiederum dankten dem Publikum für die großartige Unterstützung. Alois Reinhardt lobte:„Ihr wart unser zwölfter Mann
auf dem Platz.“Der damalige Oberbürgermeister Horst Henning sagte: „Die Profis mit Herz haben das eigentlich Unmögliche möglich gemacht. Wer die Freudentränen nach dem Spiel gesehen hat, wird nie wieder von eiskalten Profis sprechen. Wir sind stolz auf euch.“
Im Rathaus ging es etwas ruhiger zu. Dort trugen sich die Kicker und der Vereinsvorstand in das Goldene Gästebuch der Stadt ein. Bevor das kalte Buffet eröffnet wurde, füllte man den Pokal mit Champagner. Und erneut nahm so mancher eine unfreiwillige Dusche.