Von Paulinchen, Papageien und Pax
Sie ist die kleinste und älteste der Wiesdorfer Kirchen. Ihre Vorgänger rafften die Rheinfluten dahin. Kurz darauf entstand St. Antonius.
Es braucht gar keine besondere Fantasiebegabung, um sich vorzustellen, man stehe auf einem weiten Kirchplatz in einem Dorf irgendwo auf dem Lande und schaue den backsteinernen Kirchturm empor bis zur Kirchturmspitze. Und vor dem Gotteshaus treibt eine Frau Kühe in Richtung einer saftigen Weide. So ist es vor vielen Jahren tatsächlich gewesen – als Wiesdorf noch ein Dorf am Rhein war.
Und der Fluss lehrte die Menschen vor knapp 450 Jahren ein wenig das Fürchten. Bei einer Flut Mitte der 1650er Jahre wurde die kleine Kirche St. Antonius einfach vom Wasser weggespült. Und in den folgenden Jahren als neugotische Backsteinhallenkirche wieder aufgebaut. Draußen am Backstein neben der eher kleinen Eingangstür am Turm weist eine golden leuchtende Plakette auf den historischen Ort hin, fasst die wichtigsten Daten zusammen.
Vielmehr aber zieht es das Auge über die Tür. Hin zu einem runden Fenster, in dem eine weiße Taube emporzusteigen scheint über dem Wort Pax – lateinisch für Frieden. Der Künstler dieses Fensters, sagt die Forschungsstelle Glasmalerei des 20. Jahrhunderts, sei unbekannt, das Fenster aber um 1950 entstanden. Eines der älteren Fenster in der Kirche. Denn rund 25 Jahre später schuf der renommierte Leverkusener Künstler Paul Weigmann weitere Fenster in St. Antonius. Nicht überbordend, sondern angenehm schlicht.
Wer sich ein wenig Zeit nimmt, entdeckt Apfelzweige mit je einem Vogel, den Papagei von Pfarrer Verhülsdonk, der in den 1970ern die neue Verglasung initiiert hatte. Und immer wieder Fische, Fischernetze und Fischer. Ein Hinweis auf die Nähe zum Rhein, heißt es von der Forschungsstelle. Die erläutert zudem:„Einige der Fische sind bandagiert wie Kranke. Damit soll ein Bezug zum benachbarten Krankenhaus hergestellt werden.“
In der Tat ist das „Juppes“, dessen Krankenhausbetrieb die Kplus-Gruppe im Sommer 2022 schloss, quasi direkt an die Kirche
angebaut. 120 Jahre, nachdem die Genehmigung für das katholische Krankenhaus erteilt worden war, war Schluss. Die 34 Patienten der Geriatrie, eine Fachklinik für Altersmedizin, sind 2022 ins Opladener
Remigius-Krankenhaus, das ebenfalls zum katholischen Kplus Verbund gehört, umgezogen. Die Geriatrie-Patienten hören seitdem das Geläut von Sankt Remigius statt der Glocken des früheren „Nachbarn“
Sankt Antonius. Bis Ende 2025, so hieß es vor zwei Jahren, wolle der Kplus-Verbund das Haus als Eigentümer behalten, unter anderem die Caritas ist mit einem Angebot dort vertreten.
St. Antonius, im Inneren eher schlicht gehalten, kein überbordender Barock, sondern klare Strukturen, hat selbst in den hunderten Jahren Veränderungen mitgemacht. Diverse Anbauten etwa.
Aber auch in Sachen Zugehörigkeit. Seit einiger Zeit gilt: „Die Kirche ist eine Filialkirche der Katholischen Kirchengemeinde St. Stephanus, die etwa 10.000 Gläubige als Mitglieder zählt und fünf Kirchen in den drei Leverkusener Stadtteilen Wiesdorf, Bürrig und Küppersteg umfasst“, heißt es auf der Seite der Gemeinde.
Zurück zum großen Kirchplatz mit Dorfcharme in Blickrichtung Gotteshaus. Vor der Tür wacht Paulinchen. Ihr setzten die Wiesdorfer zwei Jahre nach ihrem Tod ein Denkmal, geschaffen vom Leverkusener Künstler Kurt Arentz. Gebürtig stammte Pauline Pohnke aus Westpreußen, kam 1907 nach Wiesdorf, lebte an der Großen Kirchstraße – eben in direkter Nähe zu St. Antonis – und brachte jeden Morgen die Kühe auf die Weide.
Und das tut sie – symbolisch – noch heute: Vor dem kleinsten der Wiesdorfer Gotteshäuser treibt eine Frau eine Kuh auf die Weide. MiniDorfidyll in der Stadt.