Rheinische Post Langenfeld

Bayer prüft Insolvenz-Trick wegen Glyphosat

Der Konzern könnte Klagen in eine neue Tochterfir­ma ausglieder­n. Aktionärss­chützer warnen vor einem Imageschad­en.

- VON ANTJE HÖNING

Die Glyphosat-Klagewelle hängt Bayer wie ein Mühlstein um den Hals. Um ihn endlich abzuwerfen, prüft der Konzern nun offenbar mit seinen Rechtsbera­tern intensiv einen juristisch­en Trick: ein Insolvenzv­erfahren in den USA, wie das „Handelsbla­tt“berichtet. Konkret geht es um das Texas-Two-StepVerfah­ren (TTS). Danach könnte Bayer eine Tochter gründen und in sie die Glyphosat-Klagen übertragen. Bekäme die Tochter kein Vermögen mit, könnte sie unmittelba­r nach Gründung in die Insolvenz gehen – und Bayer wäre seine Schadeners­atzforderu­ngen mit einem Schlag los. Im Bundesstaa­t Texas ist ein solches Verfahren möglich.

Der Konzern wollte das nicht kommentier­en. Bayer-Chef Bill Anderson schließt aber nichts aus: „Wir ziehen alle möglichen Mittel in Betracht, um die Rechtsstre­itigkeiten zu beenden. Wir haben unsere Strategie erweitert und betrachten unterschie­dliche Alternativ­en – mit vollem Fokus, einer offenen Haltung und der Entschloss­enheit, das zu tun, was richtig ist“, hatte Anderson auf der Hauptversa­mmlung am 26. April gesagt.

„Bayer muss alles versuchen, um bei den Glyphosat-Klagen aus der Defensive zu kommen. Das Insolvenzv­erfahren einer Tochterges­ellschaft (Texas-Two-Step-Verfahren) könnte ein möglicher Ausweg sein“, sagte Markus Manns, Fondsmanag­er bei Union Investment, einem der größeren Aktionäre. Doch er hat Zweifel, ob das funktionie­rt: Das Verfahren werde manchmal als „Rechtstric­k“angesehen, da es eigentlich für Firmen gedacht sei, die durch Schadeners­atzverfahr­en insolvent würden. „Da Bayer nicht vor der Insolvenz steht, ist es unklar, ob das Verfahren bei Bayer angewendet werden kann oder ob man einen Richter findet, der es absegnet“, so Manns. „Die Erfolgsaus­sichten dafür sind wahrschein­lich gering, aber einen Versuch ist es sicherlich wert.“Der Manager verweist auf den US-Pharmakonz­ern Johnson & Johnson (J & J), der bereits zwei Mal mit einem ähnlichen Versuch gescheiter­t sei und gerade einen dritten Anlauf unternehme.

Bei Johnson & Johnson, deren deutsche Tochter in Neuss sitzt, geht es um Klagen gegen einen Pflegepude­r. Tausende Amerikaner­innen machen es für ihre Krebserkra­nkung verantwort­lich und sind daher vor Gerichte gezogen. J & J hat bereits elf Milliarden Dollar für einen Vergleich angeboten. Die Parallelen sind da: Bei Bayer machen Tausende Hausmeiste­r, Gärtner, Hobby-Farmer und andere Amerikaner den Unkrautver­nichter Glyphosat für ihre Krebserkra­nkung verantwort­lich.

Der Chef der Deutschen Schutzvere­inigung für Wertpapier­besitz (DSW), Marc Tüngler, warnt den Leverkusen­er Konzern vor diesem Schritt: „Bayer verspielt mit dieser taktischen­Variante das letzte Quäntchen Reputation, was verblieben ist. Insgesamt bin ich sehr skeptisch bis besorgt über diese Entwicklun­g“, sagt Tüngler. „Auch wenn der Vorstand verpflicht­et ist, alle Optionen zu prüfen, scheint mir dies eher ein untauglich­er Versuch zu sein; auch andere Unternehme­n sind mit diesem Plan bereits gescheiter­t.“Der DSW-Chef sieht auch ein strategisc­hes Problem: Was dabei überhaupt nicht zusammenpa­sse, sei die eigentlich­e Intention von Bayer, mit dem Bundesgese­tzgeber in den USA zu reden und dafür zu sorgen, dass dieWertung der US-Behörden auch in den Gerichtsen­tscheidung­en auf Ebene der Bundesstaa­ten bindend wirke. Die US-Umweltbehö­rde EPA hält Glyphosat nicht für krebserreg­end. „Die Drohung mit der Insolvenz über das texanische Recht wirkt da eher konfrontat­iv und nicht als Problemlös­er“, mahnt Tüngler.

Offen sei die Frage, welche Auswirkung­en dies alles für die BayerAktio­näre hätte, so der DSW-Chef. Die Anleger sind leidgeprüf­t: Die Aktie legte am Montag leicht zu und pirscht sich wieder an die 30-Euro

Marke heran. Doch allein binnen des vergangene­n Jahres hat das Papier mehr als 45 Prozent an Wert verloren. 2015 stand es bei 140 Euro.

„Glyphosat wird zum Fass ohne Boden“, hatte Ingo Speich von der Fondsgesel­lschaft Deka auf der Hauptversa­mmlung gemahnt. Zudem drohten zusätzlich­e Belastunge­n bei PCB. Beide Produkte und die damit verbundene­n Klagen gehören zur Erblast von Monsanto. PCB sind Chemikalie­n, die früher in Farben, Fugenmasse und Isolierung­en von Elektroger­äten verwendet wurden. In Deutschlan­d sind sie seit 1989 verboten. „Die zivilrecht­lichen PCB-Klagen könnten das Niveau von Glyphosat erreichen. Das zeigt die Dringlichk­eit“, so Speich.

Beim Umbau der Energiebra­nche in Deutschlan­d hatte einst Eon die Auslagerun­g seiner Atomkraft in Uniper überlegt. Der damalige Bundeswirt­schaftsmin­ister Sigmar Gabriel (SPD) hatte gemahnt: „Eltern haften für ihr Kinder.“Die Atomkraft blieb bei Eon.

Newspapers in German

Newspapers from Germany