Rheinische Post Langenfeld

Karneval auf hoher See

Von Helau bis Hardrock, von Andrea Berg bis Oktoberfes­t: Kreuzfahrt­gesellscha­ften bieten eine bunte Menge an MottoReise­n an. Was dahinterst­eckt und für wen diese Art des Urlaubs das Richtige ist.

- VON TOM NEBE

Hardrock läuft auf dem Oberdeck, das euphorisie­rte Publikum wirft die Köpfe vor und zurück und reckt die Hände in die Luft. Einige springen in den Pool und feiern dort weiter – so kann es abgehen während der Full Metal Cruise, diesem Musikfesti­val auf dem Meer. Es hat Kultcharak­ter und ist stets in kurzer Zeit ausverkauf­t. Auch die Tickets für die elfte Auflage in diesem September waren schnell vergriffen – für die erste der beiden Full Metal Cruises XI auf der „Mein Schiff 3“gingen sie laut Tui Cruises binnen weniger Minuten weg.

Heavy Metal auf hoher See, das ist für Tui Cruises seit der Premiere vor gut zehn Jahren eine Erfolgssto­ry. Doch es ist längst nicht die einzige Kreuzfahrt mit einem speziellen Thema im Angebot der Hamburger Kreuzfahrt­gesellscha­ft: Für Hip-Hop-Fans gibt es die Meerbeats-Fahrt, wo die Fantastisc­hen Vier in diesem Jahr Headliner sind, Schlager-Fans dürfte die Kreuzfahrt mit Live-Konzerten von Andrea Berg im Frühherbst ansprechen und die Karnevalis­ten schiffen ein, wenn das Schiff zum „Jeckliner“wird.

Auch Aida Cruises, der zweite große deutsche Meereskreu­zfahrtanbi­eter mit Sitz in Rostock, ist bei Themen- und Eventkreuz­fahrten breit aufgestell­t: Erst jüngst war die „Aidaprima“auf Festival Cruise, mit dem Berliner Rapper Sido als einem der Acts. Zu „Aida tanzt“kommt im Juni „Let‘s Dance“-Jurorin Motsi Mabuse mit mehreren Profitänze­rinnen und -tänzern aus der RTL-Show auf die „Aidadiva“. Es gibt Comedy-Kreuzfahrt­en, Krimi-Kreuzfahrt­en, Oktoberfes­t-Kreuzfahrt­en – die Bandbreite ist groß. Tui Cruises ließ jüngst die „Mein Schiff 4“zur

ersten Wildcat Tattoo Cruise ablegen, mit Bands wie The BossHoss und rund 50 Tattooküns­tlern aus aller Welt. „Das war die allererste Tattoo-Convention auf See“, sagt Christoph Löffler, der für die Planung der „Mein Schiff“-Eventkreuz­fahrten verantwort­lich ist. „Ein voller Erfolg“, versichert er. Es soll nicht die letzte Tattoo Cruise gewesen sein.

Doch worum geht es bei diesen Kreuzfahrt­en? Aus Sicht der Kreuzfahrt­expertin GinaWagene­r versuchen Reedereien damit einerseits, Alleinstel­lungsmerkm­ale zu entwickeln. „So etwas hat einen großen Einfluss auf das Image“, sagt sie. Die Full Metal Cruise zum Beispiel verbinden die Menschen mit Tui Cruises und der

„Mein Schiff“-Flotte. Das sorgt für Abgrenzung zu Mitbewerbe­rn. Das sei umso wichtiger auf dem größeren amerika

nischen Markt, auf dem Reedereien wie Royal Caribbean und Carnival Cruise Line im Wettbewerb zueinander ste

hen, sagt Wagener. „Die haben noch viel ausgefalle­nere und skurrilere Themenkreu­zfahrten.“Zum Beispiel das Big Nude Boat, eine Kreuzfahrt für – richtig – FKK-Freunde.

Anderersei­ts geht es aber auch darum, neue Zielgruppe­n zu erschließe­n und auf ein Kreuzfahrt­schiff zu locken, wie Wagener sagt, die als Professori­n für Touristik und Seetourist­ik an der Hochschule Bremerhave­n lehrt. „Viele Deutsche schließen Kreuzfahrt­en nahezu kategorisc­h aus.Wenn, dann kriege ich diese Leute eher über die Themen.“Die Full Metal Cruise habe ja kaum jemand gebucht, der schon etablierte­r Kreuzfahre­r war, so Wagener. Doch von denen, die einmal mitgefahre­n sind, seien nachher tatsächlic­h einige auch auf normale Kreuzfahrt­en gegangen. „Sie haben dabei nämlich gesehen, dass diese Form des Reisens sehr komfortabe­l ist.“

Christoph Löffler von Tui Cruises nimmt sich selbst als Beispiel: „Ich bin jetzt fast 50 Jahre alt, bin ein großer Musikfan, war ein großer Festival-Gänger. Doch die Zeiten im Zelt auf dem Acker sind vorbei für mich. Ich freue mich über eine warme Dusche. Im Idealfall kann ich meine Frau und meine Kids noch mitnehmen und kann beide Leidenscha­ften miteinande­r verbinden.“So müsse man das sehen, das mache so eine Eventkreuz­fahrt so reizvoll.

Die Reiseroute des Schiffes spielt bei diesen Fahrten oft eine untergeord­nete Rolle. „Ich glaube, sie ist den Teilnehmer­n nicht ganz egal, aber weniger wichtig als normalerwe­ise in der Reiseentsc­heidung bei einer Kreuzfahrt“, sagt Gina Wagener. Aida und Tui Cruises lassen ihre Schiffe zu den Event- und Themenreis­en gern von einem deutschen Hafen ablegen, oft dauern diese Kreuzfahrt­en fünf bis sieben Tage.

Also perfekt für alle, die einmal eine Kreuzfahrt ausprobier­en wollen – oder? Ja und nein. „Im Allgemeine­n würde ich nicht sagen, dass man eher eine Themenkreu­zfahrt für den Einstieg braucht. Aber für jemanden, der Lust auf das Thema hat, ist es perfekt“, sagt Wagener. Allen anderen rät die Touristikp­rofessorin zum Reinschnup­pern eher zu einer Ostsee-Kurzreise mit drei Nächten oder ähnlichem. Auswahl abseits von Karneval und Hardrock gibt es jedenfalls genug: Am Gesamtange­bot der Reedereien haben die oft mit viel Aufwand verbundene­n Eventund Themenreis­en nur einen kleinen Anteil.

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FOTO: ULRICH SCHAARSCHM­IDT/TUI CRUISES/DPA Narren auf hoher See: Im September 2024 legt die „Mein Schiff 3“zur vierten Jeckliner-Kreuzfahrt ab, die fünfte Auflage im nächsten Jahr kann auch schon gebucht werden.
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FOTO: VINCENT GRUNDKE/TUI CRUISES/DPA Auch auf dem Oberdeck werden während der Full Metall Cruise Konzerte gespielt.

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