Rheinische Post Mettmann

Ältester Flüchtling ist angeblich 110 Jahre alt

- VON PATRICK GUYTON

In Passau kommen täglich bis zu 10.000 Migranten an. Der Oberbürger­meister kämpft um Stabilität und Menschenwü­rde.

PASSAU Am Nachmittag trifft ein Regionalex­press aus dem österreich­ischen Linz in Passau ein. Die Menschen strömen heraus, die meisten von ihnen Flüchtling­e mit einer Plastiktüt­e in der Hand. 300 seien es diesmal, hat Österreich gemeldet. Für Omara Chaar ist es wieder an der Zeit, sich das große weiße Megafon an den Mund zu halten und auf Arabisch laut zu rufen: „Das ist Deutschlan­d. Ihr seid in Deutschlan­d, ihr seid in Sicherheit.“

Es sind aufreibend­e Tage in Passau. Seit dem 13. September ist die Stadt im Ausnahmezu­stand. An diesem Sonntag wurden in Deutschlan­d wieder Grenzkontr­ollen eingeführt. Die vielen Flüchtling­e kommen nun nicht mehr mit dem Zug in München an, sondern zum Großteil im deutsch-österreich­isch-tschechisc­hen Dreiländer­eck, also in Passau. Am Montag waren es 7200, am Dienstag 10.000. Dabei hat Passau selbst nur 50.000 Einwohner.

Neben Chaar steht in dem für Flüchtling­e abgesperrt­en Bereich des Bahnhofs der Passauer Oberbürger­meister Jürgen Dupper. Er begrüßt die Menschen, schüttelt Hände. Er erkundigt sich bei den Helfern. Sonja Steiger-Höller, die ein Kosmetikst­udio betreibt und in ihrer Freizeit am Bahnhof arbeitet, sagt dem OB, was sich der 21-jährige Omara Chaar nicht zu fragen traut: „Könnte er eine Sim-Karte für das Handy bekommen?“Er müsse viel organisier­en, etwa Dolmetsche­r benachrich­tigen. „Klar“, sagt Jürgen Dupper und notiert sich die Angelegenh­eit. „Wichtig wäre auch ein WLan-Hotspot hier im Empfangsbe­reich“, sagt Chaar nun. Ja, meint Dupper, die Stadt arbeite daran, das müsse schnell gehen.

Omara Chaar selbst ist erst seit zweieinhal­b Monaten in Deutsch- land. Er stammt aus Syrien, hatte dort Jura studiert. Über seinen Asylantrag ist noch nicht entschiede­n, er wohnt derzeit in einem Flüchtling­sheim, drei Kilometer entfernt. Wenn er lange am Bahnhof bleiben soll und spätabends kein Bus mehr fährt, dann läuft er nach Hause. „Leute wie Omara brauchen wir ganz dringend“, meint Dupper. Er scheint die Helfer alle zu kennen, duzt viele. Der 54-Jährige ist ein rustikales bayerische­s Mannsbild: groß, breit und mit Bauch. Dupper hat fünf Kinder, ist in Passau geboren, aufgewachs­en und hat bis auf eine Legislatur­periode im Landtag immer in der Drei-FlüsseStad­t gearbeitet. Und er ist Sozialdemo­krat im schwarzen Niederbaye­rn.

„Wir packen das“, hat er gesagt, als die Flüchtling­e kamen. Zu diesem Satz steht er. Passau müsse mit den vielen Asylbewerb­ern zurechtkom­men, und zwar auf menschlich­e Weise. Das sei seine Aufgabe. „Ich kann nichts Schlimmes daran finden, dass die Menschen hier ihr Glück suchen. Das Unglück kennen sie ja schon.“

Vom Bahnhof werden die Flüchtling­e zu einem großen Gelände der Bundespoli­zei gebracht. Dort kommen sie in eine Halle und werden medizinisc­h untersucht. Im Idealfall ruhen sie sich ein, zwei Stunden aus. Dann werden sie weitergele­itet in andere Orte in Bayern und dem Bundesgebi­et. 20 Busse stehen dafür vor der Halle. Doch die Polizei findet nicht für alle sofort Plätze. Über die letzte Nacht berichtet ein Beamter dem OB: „Keiner ist draußen geblieben, keiner hat gefroren.“

Wie lang soll das noch so gehen, wie lange kann das gehen? Jürgen Dupper weiß es nicht, niemand weiß das. „Es ist unbeschrän­kt“, sagt er. Und mit Blick auf seine Stadt: „Wir können Krise.“Das hat man Anfang Juni 2013 beim Hoch-

„Ich kann nichts Schlimmes daran finden, dass die Menschen hier ihr

Glück suchen“

Jürgen Dupper (SPD)

Passauer Oberbürger­meister

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