Ältester Flüchtling ist angeblich 110 Jahre alt
In Passau kommen täglich bis zu 10.000 Migranten an. Der Oberbürgermeister kämpft um Stabilität und Menschenwürde.
PASSAU Am Nachmittag trifft ein Regionalexpress aus dem österreichischen Linz in Passau ein. Die Menschen strömen heraus, die meisten von ihnen Flüchtlinge mit einer Plastiktüte in der Hand. 300 seien es diesmal, hat Österreich gemeldet. Für Omara Chaar ist es wieder an der Zeit, sich das große weiße Megafon an den Mund zu halten und auf Arabisch laut zu rufen: „Das ist Deutschland. Ihr seid in Deutschland, ihr seid in Sicherheit.“
Es sind aufreibende Tage in Passau. Seit dem 13. September ist die Stadt im Ausnahmezustand. An diesem Sonntag wurden in Deutschland wieder Grenzkontrollen eingeführt. Die vielen Flüchtlinge kommen nun nicht mehr mit dem Zug in München an, sondern zum Großteil im deutsch-österreichisch-tschechischen Dreiländereck, also in Passau. Am Montag waren es 7200, am Dienstag 10.000. Dabei hat Passau selbst nur 50.000 Einwohner.
Neben Chaar steht in dem für Flüchtlinge abgesperrten Bereich des Bahnhofs der Passauer Oberbürgermeister Jürgen Dupper. Er begrüßt die Menschen, schüttelt Hände. Er erkundigt sich bei den Helfern. Sonja Steiger-Höller, die ein Kosmetikstudio betreibt und in ihrer Freizeit am Bahnhof arbeitet, sagt dem OB, was sich der 21-jährige Omara Chaar nicht zu fragen traut: „Könnte er eine Sim-Karte für das Handy bekommen?“Er müsse viel organisieren, etwa Dolmetscher benachrichtigen. „Klar“, sagt Jürgen Dupper und notiert sich die Angelegenheit. „Wichtig wäre auch ein WLan-Hotspot hier im Empfangsbereich“, sagt Chaar nun. Ja, meint Dupper, die Stadt arbeite daran, das müsse schnell gehen.
Omara Chaar selbst ist erst seit zweieinhalb Monaten in Deutsch- land. Er stammt aus Syrien, hatte dort Jura studiert. Über seinen Asylantrag ist noch nicht entschieden, er wohnt derzeit in einem Flüchtlingsheim, drei Kilometer entfernt. Wenn er lange am Bahnhof bleiben soll und spätabends kein Bus mehr fährt, dann läuft er nach Hause. „Leute wie Omara brauchen wir ganz dringend“, meint Dupper. Er scheint die Helfer alle zu kennen, duzt viele. Der 54-Jährige ist ein rustikales bayerisches Mannsbild: groß, breit und mit Bauch. Dupper hat fünf Kinder, ist in Passau geboren, aufgewachsen und hat bis auf eine Legislaturperiode im Landtag immer in der Drei-FlüsseStadt gearbeitet. Und er ist Sozialdemokrat im schwarzen Niederbayern.
„Wir packen das“, hat er gesagt, als die Flüchtlinge kamen. Zu diesem Satz steht er. Passau müsse mit den vielen Asylbewerbern zurechtkommen, und zwar auf menschliche Weise. Das sei seine Aufgabe. „Ich kann nichts Schlimmes daran finden, dass die Menschen hier ihr Glück suchen. Das Unglück kennen sie ja schon.“
Vom Bahnhof werden die Flüchtlinge zu einem großen Gelände der Bundespolizei gebracht. Dort kommen sie in eine Halle und werden medizinisch untersucht. Im Idealfall ruhen sie sich ein, zwei Stunden aus. Dann werden sie weitergeleitet in andere Orte in Bayern und dem Bundesgebiet. 20 Busse stehen dafür vor der Halle. Doch die Polizei findet nicht für alle sofort Plätze. Über die letzte Nacht berichtet ein Beamter dem OB: „Keiner ist draußen geblieben, keiner hat gefroren.“
Wie lang soll das noch so gehen, wie lange kann das gehen? Jürgen Dupper weiß es nicht, niemand weiß das. „Es ist unbeschränkt“, sagt er. Und mit Blick auf seine Stadt: „Wir können Krise.“Das hat man Anfang Juni 2013 beim Hoch-
„Ich kann nichts Schlimmes daran finden, dass die Menschen hier ihr
Glück suchen“
Jürgen Dupper (SPD)
Passauer Oberbürgermeister