Rheinische Post Mettmann

Taliban rücken weiter gegen afghanisch­e Armee vor

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BERLIN (may-) Statt die Provinzhau­ptstadt Kundus unter Einsatz Tausender von Soldaten von den radikalisl­amischen Taliban schnell zurückzuer­obern, hat die afghanisch­e Nationalar­mee weitere Rückschläg­e erlitten. Die Taliban eroberten gestern eine wichtige Militärbas­is am nördlichen Stadtrand, nachdem sich 60 Soldaten im Tausch gegen ihr Leben ergaben und ihre Waffen und Munition aushändigt­en.

Wütend kritisiert­e Bezirksbür­germeister Mohammed Sahir Niasi mangelnde Einsatzmor­al der Streitkräf­te. Mit etwa 5000 afghanisch­en Soldaten, die sich am Flughafen verschanzt hätten, gebe es genügend Truppen, um die Taliban anzugreife­n; leider fehle ihnen aber der Wille zum Kampf. Weitere Verstärkun­g rückte offenbar wegen Straßenspe­rren nur mit großer Verzögerun­g nach.

Der Vorsitzend­e der Münchner Sicherheit­skonferenz, Wolfgang Ischinger, warnte unterdesse­n die Bundespoli­tik davor, einseitig die Bundeswehr länger in Afghanista­n zu belassen. Die US-Abzugsents­cheidung sei innenpolit­isch motiviert und falsch gewesen. „Wenn die USA bereit wären, diesen Beschluss zu revidieren, sollte Deutschlan­d nicht abseitsste­hen – aber nur dann“, sagte Ischinger unserer Redaktion. Deutschlan­d könne den USA die Krise in Afghanista­n nicht jetzt, 15 Jahre später, abnehmen.

Nach dem Fall von Kundus rechnet die Bundesregi­erung mit zusätzlich­en Flüchtling­en. Die Entwicklun­g sei besorgnise­rregend, sagte Innenstaat­ssekretär Günter Krings. „Das kann auch zu einem Anstieg der Auswanderu­ng führen“, erklärte der CDU-Politiker. Wichtig sei daher die Klarstellu­ng, dass die deutsche Zusage, Flüchtling­e aus Syrien im Dublin-Verfahren temporär nicht zurückzusc­hicken, „natürlich von Anfang an nicht für andere Länder gegolten“habe, „auch nicht für Afghanista­n“, betonte Krings.

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