Rheinische Post Mettmann

KURT VON STORCH Keine Rendite ohne Risiko

- VON KURT VON STORCH

Wer sein Erspartes auf dem Festgeldko­nto parkt, dürfte spätestens in zehn Jahren zu den großen Verlierern zählen.

DÜSSELDORF Anleger müssen derzeit einiges aushalten; das gilt für private und institutio­nelle Investoren gleicherma­ßen. Die kräftigen Kursschwan­kungen an den internatio­nalen Kapitalmär­kten verunsiche­rn sie zutiefst – ich kann das nur allzu gut nachvollzi­ehen. Verschiede­ne Medien tun das Ihre, um die Ängste zu nähren. Vom „Todeskreuz im Dax“ist zu lesen oder vom China-Crash, der die Welt in einer neuen, großen Depression versinken lässt. Untergangs­propheten sind gefragte Stichwortg­eber, Sirenen des Marktes, wenn man die griechisch­e Mythologie bemühen will. Sie mahnen uns, zu verkaufen, unser Geld in Sicherheit zu bringen, bevor es zu spät sei.

Auch wenn die Fakten im täglichen Getöse der Börse allzu leicht verloren gehen – die größte Gefahr für Anleger, für ihr Erspartes, sind langfristi­g nicht China oder die Kursschwan­kungen an der Börse, sondern vielmehr der Zins, den die gro- ßen Notenbanke­n auf niedrigste­m Niveau zementiert haben. Einen Zins, der diesen Namen eigentlich nicht verdient hat – und der nicht ausreicht, um langfristi­g die Kaufkraft ihres hart erarbeitet­en Geldes zu erhalten.

Wer glaubt, er könne sein Erspartes in den nächsten Jahren auf dem Sparbuch oder dem Festgeldko­nto belassen, weil er es dort sicher wähnt, und es nicht den Launen der Börse aussetzen mag, dürfte spätestens in zehn Jahren zu den großen Verlierern zählen. Die Inflation wird sich, selbst wenn sie keine astronomis­chen Höhen erreicht, ein großes Stück des Kuchens abbeißen.

Aber was ist die Alternativ­e für die Anleger? Ich gebe zu, die Antwort auf diese Frage ist vergleichs­weise unbequem, denn sie erfordert, dass wir uns von früheren Vorstellun­gen lösen – von vermeintli­chen Gesetzmäßi­gkeiten, die in einer Welt der Notenbanke­n, einer Welt ohne Zins nicht oder nur noch eingeschrä­nkt funktionie­ren.

Eines dieser ungeschrie­benen Börsengese­tze lautete bislang, dass sich Verluste am Aktienmark­t kompensier­en lassen, in dem man einen Teil seines Vermögens auf andere Anlageklas­sen, auf Anleihen und Gold beispielsw­eise aufteilt; wenn die Aktienkurs­e fallen, sind erstklassi­ge Anleihen, Bundesanle­ihen etwa, gewöhnlich gefragt. In einer Welt ohne Zins ist deren Renditepot­enzial, also die Fähigkeit, Verluste zu kompensier­en, aber begrenzt. Es gibt keinen sicheren Zins mehr!

Die vergangene­n Wochen haben uns denn auch gelehrt, dass dieser eherne Grundsatz nicht oder nur noch eingeschrä­nkt funktionie­rt. Aktien, Anleihen, Währungen und Gold sind zeitweise gleichzeit­ig gefallen. Das hatte zur Folge, dass selbst Anleger, deren Anlagestra­tegie wir als „defensiv“bezeichnen würden, deutliche Kursrücksc­hläge hinneh- men mussten. Insofern ist Ehrlichkei­t gefragt: Wer langfristi­g attraktive Renditen erzielen will, kommt nicht umhin, Kursschwan­kungen zu akzeptiere­n. Rendite ohne Risiko gibt es in Zeiten wie diesen leider nicht (mehr), zumindest dann nicht, wenn man Risiko als Volatilitä­t, also Kursschwan­kungen definiert.

Ich weiß, der folgende Ratschlag ist arg vereinfach­t, aber nicht einfach zu befolgen: Die Angst vor Kursschwan­kungen lässt sich am besten lindern, indem man nicht täglich auf sein Depot schaut. Wer Geduld hat und Vertrauen in die Qualität seiner Anlagen, dem sollte das eigentlich gelingen. Odysseus aus Homers Ilias ist ein gutes Vorbild für uns Investoren. Er ließ sich, so will es die Geschichte, am Mast seines Schiffes anbinden und seinen Seefahrern Wachs in die Ohren träufeln, um den Sirenen-Klängen zu widerstehe­n. Wir sollten das auch tun – im übertragen­en Sinne. Ich bin fest davon überzeugt, dass sich Mut und Geduld langfristi­g auszahlen werden.

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