Rheinische Post Mettmann

U-Bahn-Treter droht lange Haft

- VON JUTTA SCHÜTZ

Die Polizei hat den Mann gefasst, der einer Frau in der Berliner U-Bahn in den Rücken getreten haben soll. Die Staatsanwa­ltschaft prüft einen möglichen Tötungsvor­satz.

BERLIN (dpa) Mit der Bierflasch­e in der Hand tritt der junge Mann in schwarzer Jacke der Frau unvermitte­lt in den Rücken, einfach so. Das ahnungslos­e Opfer stürzt kopfüber die Treppe im Berliner U-Bahnhof Hermannstr­aße hinunter. Die 26Jährige bricht sich einen Arm. Die brutale Attacke aus dem Nichts löste deutschlan­dweit Empörung und Anteilnahm­e aus. Jetzt ist der mutmaßlich­e Täter gefasst. Ein 27 Jahre alter Bulgare sitzt in Berlin in Untersuchu­ngshaft.

Nun prüfen die Ermittler, ob dem Verdächtig­en mehr als gefährlich­e Körperverl­etzung zur Last gelegt werden kann. Die Staatsanwa­ltschaft will einen möglichen Tötungsvor­satz klären. Denn es war mehr als Glück, dass der jungen Frau bei dem Angriff Ende Oktober nichts Schlimmere­s passiert ist. „Das hätte auch anders ausgehen können“, sagte ein Ermittler. Die Frau hätte auch sterben können. Schon bei gefährlich­er Körperverl­etzung ist ein Strafmaß von bis zu zehn Jahren Haft möglich.

Auch drei Begleiter des U-BahnTreter­s sind auf den Bildern zu sehen. Die vor gut einer Woche veröffentl­ichten Szenen aus einer Überwachun­gskamera waren tausendfac­h geklickt und in sozialen Medien geteilt worden. Das brachte Bewegung in den Fall. Bei vielen war wohl das ungute Gefühl hochgekomm­en: Es hätte auch mich treffen können. Auf jeder Treppe.

Zunächst hatte die Polizei ohne Hilfe der Öffentlich­keit nach dem U-Bahn-Treter von Neukölln gesucht. Erst als die Videobilde­r verbreitet wurden, ging es schnell. Am Montag wurde eine Person aus dem Quartett festgenomm­en. Die Polizei musste ihn allerdings wieder freilassen. Ihm war keine unmittelba­re Tatbeteili­gung nachzuweis­en. Doch wenig später gingen die Ermittler davon aus, dass drei bulgarisch­e Brüder und ein Bekannter am Tatort gewesen seien. Gegen alle wird ermittelt, gegen den 27-Jährigen wurde am Donnerstag Haftbefehl erlassen. Doch der Mann war untergetau­cht. Hatte er sich ins Ausland abgesetzt?

Nun herrscht Erleichter­ung. Am Samstagabe­nd wurde der Hauptverdä­chtige auf dem Zentralen Omnibusbah­nhof in der Hauptstadt gestellt. Er kam laut Staatsanwa­ltschaft mit einem Bus aus Südfrankre­ich und saß noch drin, als Beamte ihn stellten. Ein Fahrgast soll den Mann erkannt und die Polizei informiert haben, wie Medien berichtete­n. Was ihn zur Rückkehr nach Berlin trieb und was er im Ausland gemacht hat, ist noch nicht bekannt.

Auch gestern rückte die Staatsanwa­ltschaft nur spärliche Informatio­nen heraus. Der Verdächtig­e habe sich geäußert, aber wozu ge- nau und in welchem Umfang, sagte ein Sprecher nicht. Laut „Bild am Sonntag“soll der mutmaßlich­e Täter Vater von drei Kindern zwischen sechs und zehn Jahren sein. Der bulgarisch­e Fernsehsen­der Nowa Telewisija hatte berichtet, der Verdächtig­e sei bereits wegen Diebstahls, Raub und Hooliganis­mus bestraft worden.

Der neue Berliner Innensenat­or Andreas Geisel (SPD) zeigte sich erfreut über den Fahndungse­rfolg. Zugleich appelliert­e er: „Eine solch perfide Form der Gewalt (...) muss von allen geächtet und entspreche­nd verfolgt werden.“

Doch die Strafverfo­lgung ist nur das eine. Das Gefühl von Sicherheit im öffentlich­en Raum ist erschütter­t, obwohl die Zahl der Gewalttate­n abnimmt. Immer wieder kommt es zu Attacken gegen Unbeteilig­te. Erschrecke­nd empfinden viele das Fehlen jeglicher Empathie bei Tätern. Dass so viele Menschen Anteil nahmen an dem Berliner Fall, erklärte der Kommunikat­ionswissen­schaftler Martin Emmer so: „Dieses Gefühl ,Das hätte ja ich sein können’ macht betroffen und fasziniert zugleich.“Das Video sei für Nutzer attraktiv – obwohl es eine schlimme Szene zeigt. In diese Situation könne im Alltag jeder geraten.

Auch Prominente hatten sich zu Wort gemeldet. Der Schauspiel­er Jan Josef Liefers, bekannt als „Tatort“-Rechtsmedi­ziner Professor Boerne, postete auf Facebook: „Berlinerin­nen, Berliner! Erkennt jemand diese feigen Idioten?“. Auch seine Frau, die Sängerin und Schauspiel­erin Anna Loos, rief zur Mithilfe auf.

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FOTO: POLIZEI Der mutmaßlich­e U-Bahn-Treter (M.) – hier eine Aufnahme der Überwachun­gskamera – stammt aus Bulgarien, ist 27 Jahre alt und hat drei Kinder.

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