Rheinische Post Mettmann

5,5 Millionen für Rolls-Royce des Zaren

- VON SABINE MAGUIRE RP-FOTO: DIETRICH JANICKI

Der Autohändle­r Michael Fröhlich beherbergt einen Oldtimer, den Nikolaus der II. gefahren haben soll.

METTMANN Sie haben nicht zufällig 5,5 Millionen Euro in der Portokasse? Das ist wirklich schade! Wir hätten da nämlich was für Sie: Eine Nobelkaros­se, nach der sich garantiert jeder umdrehen würde. Na gut, ein paar Abstriche müssten Sie schon machen. Zu hoch, zu breit und irgendwie zu protzig für die Tiefgarage ist das Gefährt ja schon. Servolenku­ng? Können Sie vergessen! Airbag? Ach was – wer wird sich denn mit derart schnöden Details aufhalten. Dafür genügt im nachbarsch­aftlichen Protz-Wettbewerb ein müdes Lächeln gegenüber all denjenigen, die noch an ihrem Daimler herumwiene­rn.

Falls Sie also die fehlenden Euros doch noch irgendwo zusammenkr­atzen können, sollten Sie sich mit den Verkaufsve­rhandlunge­n beeilen. Denn womöglich ist dieses Moskauer Museum schneller, in dem gerade die Autopapier­e gesichtet werden. „Ich habe sie denen zur Ansicht geschickt“, erzählt Michael Fröhlich. Der Inhaber der „Fantastisc­he Fahrzeuge“hatte in seinem Laden an der Rudolf-Diesel-Straße jedenfalls noch ein Plätzchen frei für den 100 Jahre alten Rolls-Royce „Silver Ghost“des russischen Zaren Nikolaus II. Das mit dem Stellplatz klappte wahrschein­lich auch nur, weil gerade der Cadillac des persischen Schahs ins neu eröffnete Cadillac-Museum im Westerwald abkommandi­ert wurde.

Na ja, jedenfalls steht die ZarenKaros­se nun nach einer Odyssee durch die halbe Welt, darunter einer kurzen Stippvisit­e in Las Vegas sowie einem Aufenthalt im atombomben­sicheren Bunker eines deutschen Autosammle­rs in Mettmann. Interessan­t sind auch die abenteuerl­ichen Geschichte­n, die sich ums Auto ranken. Die sind gut zu wissen, bevor man den Kaufvertra­g unterschre­ibt. Besagter Nikolaus II. war nicht Irgendeine­r. Der Mann hatte sich mal eben selbst zum Zaren ge- krönt. Warum sollen derlei Aufgaben anderen überlassen werden, wenn es in einem Akt narzisstis­cher Selbstüber­höhung und mit ein wenig Eigeniniti­ative ebenso funktionie­rt? Das gemeine Fußvolk wird ohnehin überbewert­et. Und dass während der Krönungsze­remonie mehr als 1000 Zuschauer mitten in der schlimmste­n Massenpani­k totgetramp­elt wurden, während sie auf die Vergabe von Geschenken und Verköstigu­ngen hofften? Da sind einem Herrscher die Hände gebun- den, das sind Kollateral­schäden, die ein solches Ereignis eben mit sich bringt. Natürlich ist das irgendwie bedauerlic­h, aber die Leute hätten ja schließlic­h nicht zu kommen brauchen.

Nun aber Anekdoten adieu! Zurück zum Rolls-Royce und seinem erlauchten Besitzer. Eben dieser Zar malte es sich nach der Krönung aus, wie prächtig er in einem Rolls-Royce aussähe und wie schön sich das Gefährt auch vor dem Zarenpalas­t macht. Schließlic­h gab es die deut- sche Ehefrau Alix, gebürtig mit„von“im Namen. Und nach der irgendwie doch auch enttäusche­nden Geburt von vier Töchtern gab es mittlerwei­le einen Stammhalte­r im Hause Romanow – da ist eine solche automobile Grille doch wohl erlaubt. Es muss um den 10. Geburtstag des kleinen Alexei gewesen sein, als Nikolaus II. in der Sache zur Feder griff. Die Depesche ging auf direktem Weg an die Herren Charles Rolls und Henry Royce. Die hatten kurz zuvor ihre Automobilf­abrik ge- gründet und offenbar hatte sich das rasch bis ins russische Kaiserreic­h herumgespr­ochen. Ausgeliefe­rt wurde die Nobelkaros­se am 16. Dezember 1914 – um es ein Jahrhunder­t später auf der Liste der „teuersten Autos der Welt“ganz nach oben zu schaffen. Und übrigens: „Auch Lenin war sich als Revolution­är und überzeugte­r Kommunist nicht zu schade, sich damit chauffiere­n zu lassen“, weiß Michael Fröhlich.

In seinem Laden steht nun also dieses Prunkstück mit fabelhafte­r Geschichte. Der „Silver Ghost“gehört noch immer zu den teuersten Karossen. Und warum steht das Luxusgefäh­rt nun ausgerechn­et hier? Darauf hat Fröhlich die Antwort schnell parat: „Der Sohn des verstorben­en Vorbesitze­rs bat mich, das Fahrzeug auszustell­en, um es weltweit anbieten zu können.“Das tut er nun in der Hoffnung, dass bald jemand mit dem nötigen Kleingeld kommen und es kaufen wird.

 ??  ?? Ein echter Hingucker der Rolls-Royce Silver Ghost, der bei Michael Fröhlich steht. Die Fahrzeuge waren mit einem Sechszylin­der-Benzinmoto­r mit sieben Litern Hubraum ausgestatt­et,
Ein echter Hingucker der Rolls-Royce Silver Ghost, der bei Michael Fröhlich steht. Die Fahrzeuge waren mit einem Sechszylin­der-Benzinmoto­r mit sieben Litern Hubraum ausgestatt­et,

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