Er hat „Nafri“gesagt
Das neue Jahr war noch 52 Minuten entfernt, da begann in Köln die erste politische Sprachdebatte 2017. „Am Hauptbahnhof werden derzeit mehrere Hundert Nafris überprüft“, twitterte die Kölner Polizei um 23.08 Uhr am Silvesterabend, Minuten später auch auf Französisch, Englisch und Arabisch. Anlass war das massenhafte Erscheinen junger Nordafrikaner – die Beamten fingen sie ab, aus Sorge, Übergriffe wie 2015 könnten sich wiederholen.
Die Polizeitaktik, aber auch der Tweet lösten heftige Kritik aus. Wo der Unterschied zwischen „Nafri“und „Neger“sei, fragte etwa Satiriker Jan Böhmermann; „entmenschlichend“nannte den Begriff der SPD-Politiker Christopher Lauer. „Völlig inakzeptabel“sei das Wort, schimpfte GrünenChefin Simone Peter. Die Polizei habe „mit ihrem Profil ,Nafris/Nordafrikaner’ nichts anderes getan, als die Realität zu beschreiben“, befand dagegen SPD-Chef Sigmar Gabriel. Polizeipräsident Jürgen Mathies bedauerte einen Tag später, das Wort sei „sehr unglücklich verwendet hier in der Situation“.
„Nafri“ist ein Problemwort, das war schnell klar. Jetzt, nachdem die Welle der Aufregung ein paar Tage durchs Land geschwappt ist, zeigt sich außerdem: Der Streit ist ein Vorgeschmack, was wir im Wahljahr 2017 in Sachen politischer Kommunikation zu erwarten haben.
Doch der Reihe nach. Das Problem ist erstens, dass niemand genau weiß, was „Nafri“bedeutet: „nordafrikanische Intensivtäter“, wie vor allem die Polizei beteuerte, oder „Nordafrikaner“? Eine amtliche Definition gibt es nicht. Der Unterschied ist wichtig – denn entweder geht es um eine relativ fest umrissene Tätergruppe (wie die „Limos“– „linksmotivierte Straftäter“im Polizeijargon) oder um mehr als 100.000 in ihrer Mehrzahl unbescholtene Menschen, die in Deutschland leben. Dann wäre es so unangemessen wie „Russkis“für Russen.
Das Problem bestand zweitens darin, dass „Nafri“für viele abfällig klingt. Nun wimmelt es im Deutschen von durchaus ehrenhaften Kurzwörtern auf -i: Der Hiwi ist ein Studi an der Uni, der seinem Professor zuarbeitet; der Schiri pfeift ein Spiel mit Fußballprofis, die oft Promis sind. Sobald man ins Politische schwenkt, wird es allerdings heikel. Der Ami mag auch neutral oder gar freundlich zu verstehen sein; schon den Ossi führt der Duden als „oft abwertend“. Beim Sozi und der Stasi schwingt die Geringschätzung klar mit, vom Nazi ganz zu schweigen (der von Anfang an als Schimpfwort gemeint war). Kurzwörter auf -i für Personengruppen seien entweder als Koseform oder abwertend gemeint, wobei das Pejorative, also das Negative, oft überwiege, belehrt uns etwa der Münsteraner Germanist Klaus-Michael Köpcke. Und dass „Nafri“nicht als Ausdruck besonderer Wertschätzung in Umlauf ist, dürfte unbestritten sein.
Dass der Begriff „Nafri“neu zur Debatte stand, war deshalb gut. Auch dass die Kölner Polizei für seine Verwendung bei Twitter Kritik einstecken musste, war berechtigt – es ist ein Unterschied, wie man intern spricht und wie öffentlich. Das ist sprachliche Sensibilität und noch kein Überschießen politischer Korrektheit. Deswegen geht auch das in den Online-Kommentarspalten nun massenhaft zu lesende (und von der AfD schon länger zu hörende) Argument fehl, nun solle nach dem Zigeunerschnitzel und dem Negerkuss wohl das nächste Wort auf den Index gesetzt werden. Natürlich sagen Millionen Deutsche Negerkuss. Sollen sie auch weiter, solange ihnen klar ist, warum man trotzdem mit guten Gründen öffentlich nicht mehr von Negern spricht: weil es sich zum Schimpfwort entwickelt hat, vermutlich auch schon immer abwertend gemeint war.
Kontraproduktiv war wie so häufig, wie pauschal die Debatte geführt wurde – von beiden Seiten. Als sei jede Kritik am Polizeieinsatz ein Sakrileg, einer-
Natürlich sagen Millionen Deutsche „Negerkuss“. Sollen sie
auch weiterhin