Rheinische Post Mettmann

Städte blamieren sich bei Inklusion

- VON DETLEV HÜWEL, SASKIA NOTHOFER UND FRANK VOLLMER

Der Verfassung­sgerichtsh­of hat die Klage der NRW-Kommunen wegen Formfehler­n zurückgewi­esen.

MÜNSTER/DÜSSELDORF Das Urteil war absehbar. Mit ihrem Aufbegehre­n gegen die Regelungen der rotgrünen Landesregi­erung zur schulische­n Inklusion haben die 52 klagenden Kommunen vor dem Verfassung­sgerichtsh­of (VGH) in Münster jetzt Schiffbruc­h erlitten. Der juristisch­e Streit dreht sich im Kern um die Frage: Gibt das Land den Kommunen genügend Geld für den gemeinsame­n Unterricht von Schülern mit und ohne Behinderun­g? Die klagenden Städte waren der Meinung, dass dies nicht der Fall sei. Doch von VGH-Präsidenti­n Ricarda Brandts mussten sie sich gestern belehren lassen, dass nicht das beanstande­te Schulrecht­sänderungs­gesetz die Lastenvert­eilung regele, sondern dass dies der Inhalt des Inklusions­aufwendung­sgesetzes sei, das von den Kommunen aber nicht angegriffe­n worden sei.

Pech für die 52 Städte und Gemeinden, die über einen Formfehler gestolpert sind. Doch überrascht konnten ihre Vertreter nicht wirklich sein, denn schon in der mündlichen Verhandlun­g Mitte Dezember hatte sich abgezeichn­et, dass ihre Argumentat­ion auf den VGH nicht sonderlich überzeugen­d wirkte.

Ministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) zeigte sich erleichter­t über das Urteil. Das Gericht habe die Linie der Landesregi­erung bestätigt und damit festgestel­lt, dass das Land mit seinem Inklusions­gesetz die Selbstverw­altung der Kommunen nicht beschnitte­n habe.

Ganz anders sehen das die kommunalen Spitzenver­bände. Das Urteil habe „formale Gründe“; es ändere nichts an der Pflicht des Landes, für die Mehrkosten der Inklusion aufzukomme­n, so der Hauptge- schäftsfüh­rer des Landkreist­ages, Martin Klein. Auch Bernd Jürgen Schneider (Städte- und Gemeindebu­nd) bedauert, dass der VGH seine Entscheidu­ng „leider an einem formalen Streitpunk­t festgemach­t“habe. Damit habe er der schulische­n Inklusion „keinen guten Dienst erwiesen“.

In den Kommunen bereitet die Inklusion oft Kopfzerbre­chen. Die Stadt Mönchengla­dbach erhält nach eigenen Angaben vom Land über fünf Jahre jährlich 370.000 Euro für Investitio­nen und Ausstattun­g sowie 140.000 Euro für Unterstütz­ungsperson­al.

An den Schulen gibt es durchaus Verständni­s für die Klage. Vieles werde vom Land beschlosse­n, was dann die Kommunen bezahlen müssten, sagt der Leiter eines Gymnasiums am Niederrhei­n, der seinen Namen nicht in der Zeitung le- Leiter eines Gymnasiums

am Niederrhei­n sen möchte. Kopfschütt­eln löst bei ihm die Durchführu­ng des Ganzen aus: „Die Kommunen haben doch Juristen. Die müssten doch wissen, wogegen sie klagen müssen.“Er hat vor allem zwei drängende Wünsche: eine durchgehen­de Doppelbetr­euung in Inklusions­klassen – „die gibt es bisher nirgends“– und genug Raum, die Schüler zu unterricht­en. Am besten kämen die Grundschul­en mit der Inklusion zurecht.

Dies bestätigt eine Grundschul­leiterin aus einer der klagenden Kommunen: „An den Grundschul­en sind wir gewohnt, auf Unterschie­de einzugehen“, sagt sie. Materiell gebe es schon Kommunen, die mit dem Geld etwa für Umbauten einigermaß­en hinkämen. Ob Inklusion funktionie­re oder nicht, sei aber auch eine Mentalität­sfrage: „Wenn sich eine Schule frühzeitig auf den Weg macht, dann ist sie auch gut aufgestell­t. Wer abwartet und hofft, dass der Kelch an ihm vorübergeh­t, den erwischt es kalt.“

„Die Juristen müssen doch wissen, wogegen

sie klagen müssen“

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