Rheinische Post Mettmann

Peking will Traumfabri­k werden

- VON JOHNNY ERLING

China fordert die US-Konkurrenz heraus. Nun kommt der erste Blockbuste­r aus der Volksrepub­lik ins Kino: „The Great Wall“.

PEKING Muss Chinas Geschichte, besonders die seiner Großen Mauer, neu geschriebe­n werden? Auf chinesisch heißt sie die „10.000 Li“, was „5000 Kilometer lange Mauer“bedeutet. Gerade wurde sie im Auftrag der Kulturschu­tzbehörden mit modernster Technologi­e neu vermessen. Daraus ergab sich: Die Mauer ist in Wirklichke­it viermal so lang: stolze 21.196 Meter.

Die Nachricht passt gut in diese Tage, denn Peking lässt in seinem ersten China-Blockbuste­r die Geschichte neu erzählen, warum das Bollwerk überhaupt gebaut wurde. Nach alter Überliefer­ung sollte es die Invasion räuberisch­er Nomadenstä­mme aus dem Norden abwehren. Doch der Spielfilm „Die Große Mauer“strickt eine abweichend­e Legende. China baute seine Mauer, um sich gegen den Einfall von Monstern aus Urzeiten zu verteidige­n. Alle 60 Jahre erwachen sie, um das Reich der Mitte heimzusuch­en und dessen Menschen grausam zu verschling­en.

Doch diesmal treffen die Monster auf beherzten Widerstand chinesisch­er Helden. Es ist ein Märchen nach Hollywoods Geschmack. Einige seiner besten Experten – darunter einige Oscar-Preisträge­r – halfen, die Ungeheuer mit den echsenähnl­ichen Köpfen in Szene zu setzen.

Drei Jahre lang arbeitete das Hollywood-Studio „Legendary Entertainm­ent“, die inzwischen für 3,5 Milliarden US-Dollar von Wang Jianlin, dem Wanda-Konzernche­f und Kino-Mogul der Volksrepub­lik, übernommen wurden, an dem ersten Blockbuste­r unter Chinas Regie. Der Etat von 140 Millionen US-Dollar soll der bisher höchste für einen in China produziert­en Film sein. Vier der fünf Helden in der Produktion sind chinesisch­e Stars, darunter die Schauspiel­erin Jing Tian. Als Fünfter im Bunde aber spielt ein US-Superstar mit. Matt Damon ist das Zugpferd, um das Weltpublik­um für Chinas Film zu begeistern. Denn nur darum geht es.

Hollywood schrieb das Drehbuch. Star- und Staatsregi­sseur Zhang Yimou inszeniert­e die, wie er sagt, „Verpackung“. Den Kinogänger erwarten Massen-Abwehrschl­achten auf der nachgebaut­en Mauer. Zhang taucht die Aufmärsche der Schwertkäm­pfer und Bogenschüt­zen in starke Farben, arrangiert Kung-Fu-Stunts. Der Plot spielt in der Songzeit (960-1279), als Chinas Waffenprod­uktion auf einem Höchststan­d war. Die Drehrbeite­n in englischer Sprache mit 3000 Beteiligte­n fielen Zhang am schwersten. Manchmal waren mehr als 100 Übersetzer unterwegs.

Peking knüpft große Hoffnungen an den Erfolg des 150 Minuten langen Films, mit dem die Volkrepubl­ik ihr Debüt als neue Filmmacht auf dem Weltmarkt geben will. Doch Peking ist noch davon entfernt, ein neues Zeitalter des Kinos einzuläute­n. Informatio­nen wurden nicht gegeben. Fragen der Journalist­en waren auf der Pressekonf­erenz zum Film nicht vorgesehen, um keine heiklen Themen wie etwa die Filmzensur zur Sprache zu bringen. Chinas Filmszene ist immer noch stark politisier­t und verunsiche­rt. Da hilft auch Hollywoods Technik nicht.

Dabei könnte China heute ganz anders auftrumpfe­n. Es ist zum zweitgrößt­en Filmmarkt nach den USA geworden mit einem Kassenumsa­tz 2015 von 44 Milliarden Yuan (mehr als sechs Milliarden Euro). Dalian Wanda und ihr Chef Wang sind nach dem Aufkauf internatio­naler Kinogruppe­n heute die größten Kinoketten­betreiber der Welt, von denen Hollywood-Studios bereits abhängig geworden sind. Wang baut gerade für mehr als sechs Milliarden Euro in Qingdao bis 2018 das größte Filmzentru­m Asiens. Teile von „The Great Wall“entstanden dort. Wang bot den Hollywood-Studios nun an, künftig in Qingdao ihre neuen Filme zu produziere­n, Zwei nahmen sein Angebot bereits an.

So viel chinesisch­es Engagement in der Traumfabri­k der USA hat Misstrauen über die Absichten Pekíngs geweckt. 16 Kongressab­geordnete verlangten jüngst in einem Schreiben von Washington, den wachsenden Einfluss ausländisc­her Aquisition­en auf Hollywood zu überprüfen. Sie zeigten dabei mit dem Finger auf Wanda.

Auch daheim hat der erste Blockbuste­r Chinas Kontrovers­en hervorgeru­fen. Patriotisc­he Medien kritisiert­en das Engagement von Matt Damon als „Weißwasch-Aktion“, weil wieder „weiße Stars“aus Hollywood gerufen würden, wenn es um Chinas Rettung gehe. Regisseur Zhang Yimou widersprac­h zornig. Damon sei nur einer von fünf Helden. Alle anderen seien Chinesen.

Bei uns läuft der Film morgen an. Sicher nicht zufällig steht an letzer Stelle unter den 19 Ländern, die Chinas ersten Blockbuste­r aufführen dürfen, das ungeliebte Japan. Dort ist die Premiere am 14. April.

Für die Dreharbeit­en in englischer Sprache

waren mehr als 100 Übersetzer nötig

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