Eingewechselt
Martin Schulz muss eine beispiellose Aufholjagd starten, wenn er Angela Merkel gefährlich werden will. Dass er kämpfen kann, hat der Mann aus Würselen bei Aachen in seinem Leben allerdings schon oft bewiesen.
WÜRSELEN/BERLIN Gut acht Jahre muss es her gewesen sein, etwa zu der Zeit des Rücktritts von Kurt Beck, da wurde Martin Schulz die KFrage schon einmal gestellt. In einer Unterbezirksvorstandssitzung seiner Heimat-SPD im Aachener Land. Ob er denn einmal Kanzlerkandidat werden wolle, wollten sie wissen. „Ja, das würde ich wollen, vor allem aber Kanzler“, habe er damals gesagt, erinnert sich ein Teilnehmer.
Das kann er nun unter Beweis stellen, die Aufholjagd kann begin- steht. Es ist ein weiterer Schritt in der Karriere eines Mannes, der schon einen langen Weg gegangen ist. Einen Weg, der nicht immer gerade war.
Der heute 61-Jährige wuchs in Würselen bei Aachen in einer Welt auf, die geprägt ist vom Spießertum der 50er Jahre, vom rheinischen Katholizismus und vom Braunkohletagebau, in dem Schulz in erster Linie Arbeitsplätze sieht – und nicht eine Umweltbelastung.
Als jüngstes von fünf Kindern interessiert er sich vor allem für Fußball. Wie so viele kleine Jungen will er Profifußballer werden. Ein guter Techniker sei er zwar nicht gewesen, „aber vorbildlich im Einsatz“, meint Schulfreund Dietmar Schultheis. So ehrgeizig sei Martin gewesen, dass er dafür Fouls in Kauf genommen habe, „aber hinterher tat ihm das immer sehr leid“. Eine Knieverletzung vereitelt die Profikarriere.
In diesem geplatzten Traum sehen seine Berater heute eine wichtige Ursache dafür, dass Schulz in den 70er Jahren viel zu viel Alkohol trank. Jahrelang spielt sich ein Großteil seines Lebens in der Dorfkneipe ab, wo damals gefeiert, aber auch leidenschaftlich über Politik diskutiert wird. thentischer auftreten als Gabriel, meint Schultheis, der ihn politisch nahe bei Helmut Schmidt verortet. „Er kommt auch bei Konservativen sehr gut an“, meint er. Beim Neujahrsempfang des Bürgermeisters in Eschweiler etwa, da habe „der Martin“, wie sie ihn hier nennen, Mitte Januar eine Rede vor 600 Leuten gehalten. Alle demokratischen Parteien waren vertreten. Mucksmäuschenstill sei es gewesen im Saal – und am Ende habe er von CDU-Leuten beinahe mehr Zuspruch bekommen als von der eigenen Partei. Nur zu Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft, da meier den Weg ins Bundespräsidentenamt bahnte. „Das war auch ein alter Plan von Martin“, erzählt Schultheis. Vor etwa einem halben Jahr habe Schulz ihm verraten, dass er es gut fände, wenn Steinmeier Bundespräsident würde.
Doch die lange Zeit der Ungewissheit in der Öffentlichkeit strapazierte die Partei zuletzt bis aufs Äußerste. Jetzt sind alle stolz darauf, so lange die Entscheidung hinausgezögert und geheim gehalten zu haben. Auch die Gabriel-Fans, etwa der Chef des einflussreichen rechten Seeheimer Kreises in der SPD-Fraktion, Johannes Kahrs: „Tief in mei-