Ein Palazzo für die Kunst in Potsdam
Der Milliardär Hasso Plattner hat in Potsdam das Museum Barberini errichten lassen. Dort zeigt der Mäzen nun Teile seiner Sammlung. Der Andrang ist groß und die Kunst ein Genuss – ins Denken kommt man allerdings nicht.
POTSDAM Da ist sie wieder: Die Kunstschlange. Geduldig warten hunderte Menschen auf Einlass. Trotz Wind und Wetter, Eiseskälte und Schneefall. Die Potsdamer wollen dabei sein, wenn ihnen – ohne dass sie einen Steuercent bezahlen müssen – ein milliardenschwerer Mäzen einen Kunsttempel schenkt, ihn bestückt mit seinen privaten Schätzen und ergänzt um einige hochkarätige Leihgaben. Schon bei der Vorbesichtigung im Dezember, als das Haus noch eine leere Hülle und die Kunst nur ein Traum war, stürmten tausende Neugierige durch die Räume. Jetzt, nachdem Kanzlerin Angela Merkel und 600 weitere Prominente das von Software-Unternehmer Hasso Plattner finanzierte Museum Barberini eröffnet haben, ist kein Halten mehr. Ganze Völkerscharen wollen das neue alte Museum, diese Kopie einer Kopie, freudig feiern.
Friedrich der Große hatte das Palais Barberini ab 1771 nach dem Vorbild eines ungleich größeren römischen Palazzo in seiner preußischen Residenzstadt erbauen lassen. Im Bombenhagel von 1945 wurde der barocke Bau zerstört, die DDR ließ den Schutt abtragen und hinterließ lange Zeit eine schmerzliche Lücke auf dem Alten Markt. Nun hat es SAP-Mitbegründer Hasso Plattner, der schon lange nach einer Heimstatt für seine opulente KunstSammlung suchte, wieder aufbauen lassen. Der gebürtige Berliner, der in Mannheim zum Milliardär wurde, ist in Potsdam zum hofierten Gönner geworden. In sein Hasso-Plattner-Institut für Systemtechnik hat er schon 200 Millionen Euro gesteckt. Wie hoch die Kosten für den Wiederaufbau der Palazzo-Fassade, den Ausbau und den Betrieb des Museums Barberini sind, darüber schweigt der Kunstmäzen, der 1972 sein erstes Bild kaufte und seither unzählige Schätze der klassischen Moderne gesammelt hat. Als für das geplante Museum ein hässliches Plattenbau-Hotel abgerissen werden sollte, gingen die Potsdamer, die sich um ihre nostalgisch verklärte DDR-Identität betrogen fühlten, auf die Barrikaden. Nur durch Vermittlung von TV-Promi und Neu- Potsdamer Günther Jauch gelang es, Plattner bei der Stange zu halten und ihm die Rekonstruktion der barocken Palais-Hülle schmackhaft zu machen, dessen modernes Innenleben auf dem neuesten Stand der Museums-Technik ist. 2200 Quadratmeter auf drei Etagen: Hohe, lichte, weite Räume, edler Holzfußboden, Video-Stationen, KunstApps, mattgraue und nachtblaue Wände, auf denen sich die Bilder in ganzer Pracht entfalten können.
„Impressionismus. Die Kunst der Landschaft“ist eine der drei Ausstellungen, mit denen das Museum eröffnet wird. Licht und Farbe, wogende Felder, blühende Bäume: Landschafts-Malerei von Camille Pissarro, Alfred Sisley, Pau Signac und vor allem von Claude Monet, von dem fast die Hälfte der 90 Bilder stammt. Immer wieder flirrende Gewässer, schaukelnde Ruderboote, schillernde Seerosen: Plattner scheint Wasser zu lieben. Doch welche dieser sündhaft teuren und hinlänglich bekannten Bilder von ihm und welche von anderen Sammlern beigesteuert wurden, wird nicht verraten. Geld hat man, darüber spricht man nicht. Die zumeist von barocken Goldrahmen umhüllten Gemälde sind ein Genuss. Man kommt ins Schwelgen. Aber nicht ins Denken. Denn eine kunsthistorische oder gar kritische These wird nicht vertreten. Kunst, so rufen die Bilder, soll schön sein und dem Sammler zur Ehre gereichen. Bei der zweiten Schau, „Klassiker der Moderne“, ist das nicht viel anders. Mit Werken von Max Liebermann und Emil Nolde, Edvard Munch und Vassily Kandinsky, Gerhard Richter und Andy Warhol werden KunstWege, vom Impressionismus über die Abstraktion bis zur Postmoderne, beflissen abgeschritten und Positionen breit bebildert. Ein Warum und Wohin, eine zugespitzte Fragestellung: Fehlanzeige.
Die dritte Ausstellung, „Künstler in der DDR“, wird ganz allein aus Plattners Privat-Sammlung bestückt. Die nach der Wende ein wenig ins Abseits geratene Kunst des sozialistischen Realismus hat es dem kapitalistischen Sammler angetan: Ob Wolfgang Mattheuer oder Bernhard Heisig, Willi Sitte oder Werner Tübke, all die Maler und Bildhauer, die zum Kunst-Establishment der DDR zählten und mit ihren Werken dem ersten Arbeiterund Bauern-Staat auf deutschem Boden ein unkritisches Loblied sangen, sind hier vertreten. Starke Arme und stählerne Blicke, hanebüchene Geschichtsklitterung und bittersüße Revolutionsromantik. Es soll ja Leute geben, die so etwas noch immer mögen. Mal schauen, welche Kunstschätze Hasso Plattner und sein Museum Barberini demnächst noch heben und vorzeigen werden. Der Verein Stadtbild Deutschland hat das Haus kürzlich zum „Gebäude des Jahres“gekürt, weil es der Potsdamer Altstadt etwas von seiner Seele zurückgebe. Die Kunstwelt, so heißt es, habe eine neue, aufregende Adresse. Mag sein. Aber wäre eine aufregende, vielleicht sogar widerborstige Ausstellung nicht auch ein schönes, wünschenswertes Ziel?