Gabriels schwierige Mission in Warschau
Der neue Bundesaußenminister besucht Polen recht spät. Das löst dort Unmut aus.
WARSCHAU Vor seiner Reise nach Moskau landete Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) gestern Nachmittag in Warschau zum Antrittsbesuch. Nach einem Gespräch mit seinem Amtskollegen Witold Waszczykowski machte er die tiefe Verbundenheit der Nachbarländer deutlich. Er sei nun nach Polen gekommen, um zu zeigen, dass Deutschland und Polen Partner seien, sagte der Minister. Er verteidigte auch erneut, dass die Nato neuerdings 4000 Soldaten im Baltikum und in Polen als Sicherung gegen Russland stationiert hat. Er verwies vielmehr auf die Annexion der Krim durch Russland. Gabriel kündigte auch an, dieses Thema werde bei seinem Besuch heute in Russland im Mittelpunkt stehen.
Beide Minister sendeten das Signal europäischer Verbundenheit, bedauerten erneut den bevorstehenden Austritt Großbritanniens aus der EU und kündigten an, das Weimarer Dreieck – die Allianz zwischen Deutschland, Polen und Frankreich – wiederzubeleben. Der polnische Außenminister Waszczykowski kritisierte, dass die westeuropäischen Länder ein Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten vorantrieben. Gabriel räumte ein, dass es ein Europa mit unterschiedlichen Integrationsgraden gebe, und betonte, niemand dürfe sich als Europäer zweiter Klasse fühlen. Er sprach davon, dass Polen bald auch Euro-Land werden solle.
Polen gehört traditionell zu den Ländern, die deutsche Regierungsmitglieder bei ihren Antrittsbesuchen weit oben auf die Liste setzen. Gabriel kam dagegen spät nach Polen. Er stattete unter anderem zuerst den baltischen Ländern einen Besuch ab. Im national-konservativ regierten Polen löste dies Unmut aus. Gabriel wird diese Reihenfolge aber auch nicht zufällig gewählt haben. Vielmehr ist sie ein Zeichen an Polen, dass trotz tiefer Verbundenheit der Länder mit der seit November 2015 amtierenden Regierung auch große inhaltliche Differenzen bestehen. Dazu zählen der Umgang mit der Flüchtlingskrise, die geplante Ostseepipline, die künftig von Russland aus Deutschland mit Gas versorgen soll, und auch die Frage, ob der Pole Donald Tusk abermals zum Vorsitzenden des Europäischen Rats gewählt werden soll. Das liberale Europa schätzt den Polen sehr. Seine eigene Regierung hat einen Gegenkandidaten aufgestellt.
Der Austausch auf wirtschaftlicher, kultureller und politischer Ebene zwischen Deutschland und Polen ist dennoch intensiv. Bei Gabriel selbst gehört die Verbundenheit zu Polen zur Biografie. „Polen ist das Land, das ich am häufigsten besucht habe“, sagte er.