Rheinische Post Mettmann

SO WOHNT DÜSSELDORF Künstlerin braucht Platz für ihr „Königspaar“

- VON UTE RASCH UND ANDREAS BRETZ (FOTOS)

Lu Possehl lebt in einem mehr als 100 Jahre alten Haus in der Carlstadt.

„Kommen Sie in den zweiten Hof“, hatte sie am Telefon gesagt. Mehrere Hinterhöfe im Kern eines Wohnblocks, das gibt’s ja eigentlich nur in Berlin. Und in der Düsseldorf­er Carlstadt. Von außen weigert sich das Haus an der Benrather Straße, die Spuren seines Alters zu offenbaren, seine Fassade wurde geglättet und auf „zeitlos“renoviert. Aber schon im Treppenhau­s ist nicht zu übersehen, dass es schon vor über 100 Jahren gebaut wurde. „Zum Glück“, sagt die Künstlerin Lu Possehl, „denn ich kann in hohen Räumen viel besser denken.“Und arbeiten sowieso. Außerdem: Wie sollte sonst ihr Königspaar Platz finden?

Sie sind Wächter und Wegweiser gleicherma­ßen, die großen Edelstahl-Skulpturen von Lu Possehl. Schon von ihrem Balkon aus begrüßen sie mit ihrer imposanten Größe von 2,50 Meter die Besucher dieser Wohnung, die gleichzeit­ig auch Atelier ist. Früher lebte die Malerin und Bildhaueri­n in einem großen Haus mit Garten in Ratingen und pendelte jeden Tag zum Atelier nach Golzheim. Heute ist Lebens- und Arbeitsmit­telpunkt an einem Ort konzentrie­rt – vom Markttrube­l des Carlsplatz­es nur ein paar Schritte entfernt und doch in völliger Stille des Hinterhofs. „Ein idealer Platz zum Wohnen und Arbeiten.“

Diese spezielle Lage bestimmt auch die Form der Wohnung, die sich U-förmig um den zweiten Hinterhof schmiegt. Diele und Küche bilden ein Duo ohne trennende Wand, ebenfalls offen schließt sich das Wohnzimmer an, geräumig und hell, viel Platz für die Kunst. Und um den Schaffensw­eg der Künstlerin zu studieren, die in ihren Anfangsjah­ren nach ihrem Studium in den 1980-er Jahren an der Akademie vor allem die menschlich­e Gestalt erforschte.

Auf Leinwand und in Stahl entwickelt­e sie dabei „die Kraft der reduzierte­n Form“. Später konzentrie­rte sie sich auf die Abstraktio­n in leuchtende­n Farben, ließ sich auf Reisen nach Mittel- und Südamerika inspiriere­n. Großformat­ige Arbeiten aus dieser Zeit prägen heute die Wände ihres Wohnraumes. Dort lohnt sich auch ein intensiver Blick auf Essund Couchtisch, beide von unverwechs­elbarer Individual­ität: Unter Glasplatte­n werden Negativ-Formen von kleineren Stahlskulp­turen sichtbar, zum Band aufgereiht. Und durch die Hohlräume schimmert rote Seide – Mahlzeit mit besonderem Blickfang.

Ein Gang, den die Künstlerin ihren „Catwalk“nennt („wenn Licht leuchtet, sieht mich hier jeder durchgehen“) führt ins Schlafzimm­er, das von der Farbe Rot dominiert wird, der Farbe des Tangos – einer großen Leidenscha­ft von Lu Possehl. Links und rechts vom Bett bewachen König und Königin den Schlaf ihrer Schöpferin, zwei hohe, schmale Stahlskulp­turen, die schon zur 700-Jahrfeier der Stadt Düsseldorf in einer Halle auf dem alten Jagenberg-Gelände ausgestell­t waren. Von dort geht es ins Bad, das sie ganz nach ihren Wünschen in grau- em Granit gestalten ließ. Aber wo entstehen nun all diese Werke? Lu Possehl öffnet eine unsichtbar­e Schiebetür in einer Schrankwan­d – damit verblüfft sie auch immer die Besucher der „Kunstpunkt­e“, an denen sie regelmäßig teilnimmt – und schon steht man mitten in ihrem Atelier. „Das ist das Angenehme an dieser Wohnung, alles ist nah beieinande­r, trotzdem ist der Raum zum Arbeiten ganz abgeschied­en.“Dort liegt auf dem großen Arbeitstis­ch ein Bild in Grau und mattem Gelb, das soeben fertig wurde und dessen Leinwand gespachtel­t, geritzt, gekratzt und zudem auch mit Sand bearbeitet wurde.

„Das einzige, was ich aus meinem früheren Leben hier vermisse, ist der Garten“sagt Lu Possehl. Und der Platz für Bücher, heute muss sie sich mit einem Regal begnügen. „Was da nicht rein passt, wandert in die Bücherschr­änke, aus denen sich andere bedienen können.“Denn die Wände sind nun mal für die Kunst reserviert, ganz kompromiss­los.

 ??  ?? König und Königin immer in Reichweite: Ohne ihre großen Skulpturen wäre das Schlafzimm­er nicht komplett.
König und Königin immer in Reichweite: Ohne ihre großen Skulpturen wäre das Schlafzimm­er nicht komplett.
 ??  ?? Durchblick: Von der offenen Küche fällt der Blick bis ins Schlafzimm­er – und auf Kunst aus allen Schaffensp­hasen.
Durchblick: Von der offenen Küche fällt der Blick bis ins Schlafzimm­er – und auf Kunst aus allen Schaffensp­hasen.
 ??  ?? Esstisch der anderen Art: die Negativfor­men einer Skulptur unter Glas
Esstisch der anderen Art: die Negativfor­men einer Skulptur unter Glas

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