Erat erklärt Aserbaidschans Fußball
Morgen spielt Deutschland in der WM-Qualifikation in Baku. Der MSV-Mittelfeldspieler weiß, worauf es ankommen wird.
DUISBURG Den Sonntagabend hat Tugrul Erat fest verplant. Natürlich werde er sich das WM-Qualifikationsspiel zwischen Aserbaidschan und Deutschland (morgen, 18 Uhr/ RTL) auf dem heimischen Sofa angucken, sagt der Mittelfeldspieler des Fußball-Drittligisten MSV Duisburg und lässt die weißen Zähne aufblitzen.
Es ist bei Weitem kein gequältes Lächeln, sondern ehrliche Vorfreude. Dabei hätte der 24-Jährige allen Grund, traurig zu sein. Schließlich hätte er die Chance gehabt, in der Hauptstadt Baku gegen sein Geburtsland, den amtierenden Weltmeister anzutreten. Doch den Gedanken daran lächelt der gebürtige Nettetaler direkt weg. „Ich habe schon länger nicht für Duisburg gespielt, weshalb ich auch nicht mit einer Nominierung gerechnet habe“, erklärt Erat, „aber es gibt ja noch ein Rückspiel, und dafür werde ich alles geben, um vielleicht dann dabei zu sein.“
Es wäre sein viertes A-Länderspiel für das Land am Kaspischen Meer, das wirtschaftlich vor allem von seinen Erdöl- und Erdgasreserven profitiert. Und es würde sich auf gewisse Weise auch ein Kreis schließen, denn immerhin war es ein Deutscher, der Erat den Weg nach Aserbaidschan ermöglichte. Sein Name: Bernhard Lippert. Seit 2008 ist der 55-Jährige technischer Direktor
Ende August 2016 in Mönchengladbach: Knapp 30.000 Zuschauer verlieren sich im Borussia-Park beim Abschied für den Fußball-Weltmeister Bastian Schweinsteiger. 22. März 2017 in Dortmund: Knapp 60.000 Zuschauer kommen ins ehemalige Westfalenstadion zum Abschied für den Fußball-Weltmeister Lukas Podolski – an einen Veranstaltungsort, der sonst zuverlässig bestens besucht ist, wenn der Platzwart auch nur das Flutlicht einschaltet.
Die Stimmung in beiden Stadien: Über weite Strecken vornehm gedämpft, höfliche Menschen hüten sich vor zu lauten Gesprächen, um die Spieler auf dem Rasen nicht zu stören. Irgendetwas stimmt nicht bei den Spielen der deutschen Fußball-Nationalmannschaft. Offenbar scheuen die Fans eine Produktenttäuschung. Sie wollen keine Spiele, auf denen A-Nationalmannschaft steht, die aber tatsächlich ein besseres öffentliches Training für Akteure aus der zweiten Reihe sind. Der Bundestrainer hat für solche Umwidmungen eine sportlich sinnvolle Er- beim aserbaidschanischen Fußballverband und für die U21-Nationalmannschaft verantwortlich.
In dieser Funktion wurde er vor vier Jahren auch auf den damaligen Düsseldorfer aufmerksam. Der Grund: Die Großeltern des Deutsch-Türken haben Wurzeln in Aserbaidschan, weshalb er nach kurzer Einbürgerungsphase für das „Land des Feuers“spielberechtigt war. Der Anfang einer besonderen Beziehung. „Bernhard Lippert mochte mich, hat mich immer spielen lassen und ich habe auch einige Tore für die U21 geschossen. Insgesamt hatten wir ein gutes Verhältnis“, erinnert sich Erat. „Zudem hatte er einen guten Draht zum damaligen Nationaltrainer Berti Vogts.“Mit der Empfehlung von drei Toren in nur vier U-21-Spielen debütierte er im März 2014 im Freundschaftsspiel gegen die Philippinen (1:0) für die A-Nationalmannschaft. „Von außen hält man Berti Vogts ja immer für einen harten Hund, aber eigentlich ist eher ein lockerer Typ, der auch mal ein paar Späße und Witze gemacht hat“, sagt Erat.
Neben schönen Erinnerungen hat der ehemalige Bundestrainer während seiner Amtszeit (20082014) aber auch ein fußballerisches Erbe hinterlassen, von dem auch sein Nachfolger Robert Prosinecki heute profitiert. „Berti Vogts hatte ein Defensivkonzept, wo wir eher tief gestanden und mit Kontern gespielt haben“, erläutert Erat. Auch deshalb blieb Aserbaidschan in den ersten drei Qualifikationsspielen gegen San Marino, Norwegen (beide 1:0) und Tschechien (0:0) ohne Gegentor. Unter Prosinecki steht reines Mauern allerdings auf dem Index: „Er möchte vor allem den spanischen Stil spielen lassen, mit vielen Passfolgen – ähnlich dem Tiki-Taka – und immer nach vorn attackieren.“Das verspricht ein interessanter Fußballabend zu werden, wobei Erat auf dem Teppich bleibt. „Die ersten beiden Spiele haben für eine Euphorie gesorgt. Aber man sollte realistisch sein. Gegen Deutschland wird es schwer werden, da denke ich schon, dass sie gewinnen werden“, sagt er augenzwinkernd. Und da blitzen die Zähne wieder.
Der DFB muss seine Ticketpreise überdenken
klärung. Der Terminkalender lässt ihm schließlich sehr wenige Möglichkeiten, nachrückende Athleten unter Wettkampfbedingungen zu testen. Die Ergebnisse solcher Probeläufe müssen ihm herzlich gleichgültig sein. Dem Publikum ist das allerdings so lange nicht herzlich gleichgültig, wie für die Mogelpackung der gleiche Preis entrichtet werden muss wie für das Großereignis mit allen Weltstars. Das erklärt den Mangel an Resonanz.
Die gedeckte Stimmung ist ein Ergebnis der Zuschauerstruktur. Dafür ist in erster Linie der DFB zuständig, der das Vorkaufsrecht für Eintrittskarten an die Mitgliedschaft in einem seltsamen Gebilde koppelt. Es trägt den wenig einladenden Namen „Fan Club Nationalmannschaft powered by Coca-Cola“, und das sagt bereits viel über dieses allzu künstliche Produkt. Es ist ein Teil der Vermarktungsmaschine DFB und schon deshalb in seiner Kreativität im Stadion eher zurückhaltend.
Das passt zum durchschnittlichen Länderspiel-Publikum, das den hohen Preis trotz absehbar nicht ent- sprechender Gegenleistung nicht scheut, weil es den Besuch im Stadion schick findet. Es erwartet Unterhaltung, woran natürlich nichts auszusetzen ist, aber es kommt nicht, um sich selbst zu begeistern. Anders als in der Bundesliga gibt es aber auf den Rängen niemand, der für die Unterhaltung sorgt. Mehr als ein paar Sprechchöre, nach denen „wir die Nummer eins der Welt sind“, die allein eher für Frösteln sorgen, gibt es nicht.
Aus dieser Sackgasse führt nur ein Weg: eine andere Preispolitik. Die bringt auch jene ins Stadion, die nicht in erster Linie unterhalten werden wollen, sondern die auch etwas beitragen möchten. Und der DFB könnte sich als größter Sportverband der Welt mal richtig für seine sozialen Wohltaten feiern lassen. Leisten kann er es sich. Schließlich ist er mit Jahresumsätzen weit jenseits der 200-Millionen-Euro-Grenze nicht eben arm und genießt als eingetragener Verein Steuervorteile. Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: kolumne@rheinische-post.de