Goldrausch in den Geisterstädten
Kalgoorlie boomt seit 1893 als Zentrum des australischen Goldrausches und schürft bis heute drei Viertel des Edelmetalls aus Down Under. Drumherum lohnen Touren zu Glücksrittern, Geisterstädten und einer Spelunke mit dem Tod im Regal.
„Wasser ist rar, oft kann das Hotel nur Whisky pur zu trinken anbieten.“So schreibt die Zeitung „West Australian“1895 über den Ort Hannan, das heutige Kalgoorlie. Hunderttausend Glücksritter strömen damals aus ganz Australien und Übersee ins bis zu 50 Grad heiße, staubtrockene Outback 600 Kilometer östlich von Perth, elektrisiert von der Nachricht, dass der Ire Paddy Hannan hier im Juni 1893 einen Klumpen Gold aus der roten Erde gekratzt hat. Gut erhaltene Goldrausch-Architektur erinnert in der 30.000-Einwohner-Stadt bis heute daran: Hotels im Saloon-Stil, schattige Arkaden, Backsteingiebel mit Baujahren wie Brandzeichen und verlockenden „We buy Gold“-Bannern. Falls doch noch mal ein Oberflächen-Schürfer einen Nugget findet.
Eine Kulisse wie aus einer anderen Welt – mitWellblechhütten und einsturzgefähr
deten Stollen
Gold baggert man in Kalgoorlie längst aus einem Riesen-Krater: 3,5 Kilometer lang, 1,5 breit und mit 350 Metern so tief, dass Australiens Superfelsen Uluru komplett reinpassen würde. Vom Aussichtspunkt sehen die 2300 PS starken XXLLkw wie Spielzeuge aus. 220 Tonnen Geröll holen sie pro Tour raus. Daraus wird gerade mal Gold so groß wie ein Golfball gewonnen.
Wo man steht und geht in Kalgoorlie: Schürfer-Vorbild Hannan ist schon da. Gusseisern als Wasserspender: niemand soll hier je wieder dürsten! Er ist Namensgeber für eine Straße, Pubs und das Freilichtmuseum „Hannans North Tourist Mine“. Dazu eine Kulisse wie aus einer anderen Zeit: Wellblechhütten, einsturzgefährdete Stollen und selbstgezimmerte Holzkarren, auf denen Goldsucher Schaufel, Spitzhacke und Zeltplane hunderte Kilometer über Geröllpfade herschoben.
Vorstellbar ist das heute am ehesten bei der Fahrt raus aus Kalgoorlie auf dem Goldfields Highway: In dieser unwirtlichen Landschaft wurden erste, von Glücksrittern aufgeschlagene Zelte fix zu WellblechCamps. Sie mutierten zu Holzdörfern und diese zu Steinstädten. Der Ort Kookynie, zwei Autostunden nördlich von Kalgoorlie, machte diese Entwicklung besonders rasant durch – in nur einem Jahr. 1900 gegründet, drei Jahre später standen 400 Häuser, darunter ein Schwimmbad, sieben Hotels, eine Pferderennbahn, eine Klinik. Und heute? Autowracks verrosten im Gestrüpp, letzte Mauern des Cosmopolitan Hotels stürzen ein. Nur eine Straße längs und eine quer sind noch da, gesäumt von 20 metallenen Erinnerungsschildern wie „Schools out – forever“mit Infos, dass hier Kookynies Schule stand. „Living Ghost Town“nennt sich die einstige Boomtown tapfer auf seinem rostigen Ortseingangsschild.
Living? Wo bitte ist hier ein Hauch von Leben? Vielleicht am Ende der Längsstraße. Ein unter Markisen halb verborgenes Haus mit Tanksäule davor und ziemlich dick aufgetragenem Namen: „Grand Hotel“. Die Dame im blau-weißen Pünktchenkleid hinterm Tresen wird fast erdrückt von hochaufragenden Flaschenregalen um sie herum, mit Mr. Lizard drin, dem ausgestopf- ten Leguan. Margaret Pusey zapft Bier für ihren einzigen Gast und erzählt, dass Kookynie noch zwölf Einwohner hat. Pusey und ihr Mann Kevin sind die Lebensversicherung für ganz Kookynie. Sie bieten hier acht gut gebuchte Übernach- tungszimmer, restaurierten die verfallene Ladenzeile um die Ecke und wohnen drin. Pusey half, die Erinnerungstafeln aufzustellen, schrieb ein Buch über den Ort. Sie und Kevin stammen nicht von hier, haben Kookynie aber quasi adoptiert.
Viele Geisterstädte und Goldrausch-Erinnerungsstätten liegen am „Golden Quest Discovery Trail“, einer insgesamt knapp 1000 Kilometer langen, gut ausgebauten und beschilderten Entdeckerroute für Selbstfahrer. Letzter Stopp kurz vor Kalgoorlie: die „Broad Arrow Tavern“. Auch so ein Goldrausch-Überbleibsel, etwas abseits des Goldfields Highway. Aus dem Schrank hinter der Theke angelt die Barfrau verstaubte Flaschen, sicher 100 Jahre alt, „damals eigens für diesen Pub produziert“, erzählt sie, mit ins Glas gravierten Namen: „Broad Arrow“. „Ach ja, und dann haben wir hier auch noch Asche im Regal“, sagt die Barfrau beiläufig. Asche? „Ja, von dem da auf dem Foto um die Ecke.“
Nach einem Blick in den Nebenraum dämmert’s. Da steht tatsächlich eine Urne in der Bar. Mit der Asche von Hector Pelham, einem langjährigen Stammgast des „Broad Arrow“. Und die Bierdose oben drauf? Die Barfrau grinst: „War seine Lieblingsmarke…“