Die Jagd wird weiblich
„Ich will wissen, was ich esse“, auf diesem Wege kommen heute immer mehr Frauen zur Jagd. Die Zeiten der verschlossenen Männervereine in grünen Lodenmänteln sind längst Geschichte.
Die Zahl der Jäger in Deutschland wird bald die 400 000er-Grenze durchbrechen – viele davon sind weiblich, Anteil stark steigend. In NRW sind derzeit zehn Prozent Frauen auf der Pirsch, bundesweit rund sieben Prozent. Ablesbar ist die steigende Zahl schon heute an der Zusammenstellung der Schüler bei den Jagdkursen: Frauen bilden in diesen Kursen für das so genannte grüne Abitur nicht selten die Mehrheit. Während noch in den 60er und 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts der Anteil der Frauen bei den Jägern im niedrigen einstelligen Prozentbereich lag, strebt er neuerdings in die Bereiche über 20 und mehr Prozent. Ein Ende des Trends ist nicht abzusehen.
Laut einer Untersuchung des Deutschen Jagdverbandes (DJV) ist die typische Jungjägerin Mitte 30 und kommt aus der Stadt. Sie jagt nicht, weil sie Interesse an Trophäen hat, sondern weil sie die Nähe zur Natur liebt und sich vor allem bewusster ernähren will. „Ich will wissen, was ich esse“, ist eine häufig genannte Begründung bei den Frauen, die Waffentechnik, Biologie, Waldwirtschaft und Spurenkunde büffeln. Bei vielen sind es die Bilder aus Massentierhaltung und tierquälerischen Tiertransporten, die den Ausschlag gaben – Wild für die Küche als Ersatz für billiges und unter schlimmen Umständen erzeugtes Fleisch. Bio in reinster Form, sozusagen.
Dass Frauen bei den Abschlussprüfungen häufiger durchfallen als Männer und einen zweiten oder dritten Anlauf brauchen, liegt nicht an ihren neu erworbenen Kenntnissen. Da sind sie häufig sogar besser. Probleme gibt es jedoch beim Schießen, vor allem mit der Flinte: Die ki- loschweren Waffen scheinen ihnen zu schwer, daher raten Fachleute, von vornherein mit für Frauen konzipierten leichteren Waffen zu üben und auch in die Prüfung zu gehen.
Im Schnitt kommen bundesweit 216 Einwohner auf einen Jäger – in Berlin sind es 1198 Einwohner pro Jäger, in Niedersachsen nur 130. Besonders Menschen aus der Stadt interessierten sich zunehmend für die Jagd, sagte Armin Liese, Sprecher des Landesjagdverbandes BadenWürttemberg in einem Gespräch mit dem „Stern“: „Die möchten wissen, wie das Fleisch auf dem Teller vorher gelebt hat.“
Der Wunsch nach gesunder Ernährung ziehe immer mehr Menschen in den Wald. „Meine Hauptmotivation ist, Beute zu machen, ich will mit einem Stück Fleisch nach Hause kommen“, ist eine häufige Begründung. Fachverbände stellen fest, es gebe in der Gesellschaft einen Trend zu lokalem, regionalem Essen, zu „Slow Food“– also genussvollem, bewussten Essen. „Wildfleisch erfüllt alle diese Kriterien. Und wenn es gut läuft, hören die Tiere nicht einmal mehr den Schuss.“Das stimmt, denn die Kugel fliegt schneller als der Schall. Gleichzeitig werde die Jagd in der Gesellschaft mehr hinterfragt als früher. „Tod ist ein Tabuthema geworden, das Fleisch kommt aus dem Supermarkt. Das Wissen um die natürlichen Zusammenhänge müssen wir vermitteln“, sagte Liese vom Landesverband. Tiere müssten geschossen werden für den Artenschutz, wegen der Wildschäden, der Biodiversität. „Wir verstehen uns als Anwalt des Wildes“, sagte er. Der wachsende Frauenanteil wird in der Szene gerne gesehen. „Eine Frau jagt tendenziell zurückhaltender und hinterfragt das jagdliche Tun in anderer Weise“, sagte etwa Jörg Friedmann in einem Beitrag des Stern, Landesjägermeister aus Baden-Württemberg. Auch schössen Frauen sehr überlegt. „Ich empfinde das als Bereicherung der Jagd.“
„In vielen Belangen sind Frauen die besseren Jäger“, betonte ein Vertreter des Bundesverbandes. Überproportional viele Frauen kämen über den Hund zur Jagd. „Sie legen sich einen Hund zu, weil er hübsch ist, und dann tanzt er ihnen auf dem Kopf rum, will ausgelastet werden.“Dann bildeten sie die Tiere aus – und machten die Jagdprüfung. Rund 62 Prozent der Frauen ma- chen laut Jagdverband DJV einen Jagdschein, weil sie ihren Vierbeiner beschäftigen wollen.
Männer gaben diesen Grund bei der Befragung seltener an. „Weimaraner und Vizsla sind Trendhunderassen, aber eben auch Hochleistungsjagdhunde. Menschen schaffen sich die Tiere an und merken dann erst, dass die Hunde mehr als Spaziergänge um den Häuserblock brauchen“, sagt ein Fachmann des Deutschen Jagdverbandes. Selbst Terrier, die aufgrund ihrer Größe oft als passender Hund für die Stadt gelten, können ohne ausreichende Auslastung zum Problemhund werden. Viele Frauen kommen mit ihrem Hund erst zum Jagdhundetraining, finden dann aber Geschmack an dem Sport und machen den Jagdschein.