„Sicherheitsbedürfnis der Menschen steigt“
Innere Sicherheit in Deutschland ist ein großes Thema. Alltagskriminalität, Cyber Security und Terrorismus sind aktuell die größten Treiber der Diskussion, wie das zweite Rheinische Post-Wirtschaftsforum „Sicherheit in Deutschland“zeigte.
Wolfgang Bosbach ist einer der herausragenden Kenner der Innen- und Sicherheitspolitik in Deutschland. Der CDU-Politiker aus Bergisch Gladbach war lange Jahre stellvertretender Vorsitzender der Bundestagsfraktion der Union und Vorsitzender des Innenausschusses des Deutschen Bundestages und soll unter der neuen nordrhein-westfälischen CDU-/FDP-Regierung eine Regierungskommission zur inneren Sicherheit leiten. Beim zweiten Rheinische PostWirtschaftsforum „Sicherheit in Deutschland“trug Wolfgang Bosbach einige Kernthesen rund um sein Spezialthema vor und stieß damit eine große Diskussion an. „Wir sehen drei große Themen bei der Sicherheit. Das ist zum einen die Alltagskriminalität wie Einbrüche, die zu einem hohen Anteil von organisierten ausländischen Banden begangen wird. Die Aufklärungs- und Verurteilungsquote ist sehr schlecht und es kann nicht die einzige Lösung sein, dass der Staat finanzielle Zuschüsse für den Einbruchsschutz vergibt. Er muss auch für Sicherheit sorgen.“Zum anderen weist der Experte auf die hohe Anzahl an terroristischen Gefährdern mit einem hohen Bedrohungspotenzial in Deutschland hin und fordert, die juristischen Maßnahmen wie den vorbeugenden Unterbindungsgewahrsam zur Verhütung einer un- mittelbar bevorstehenden Straftat auszuweiten. „Und zuletzt geht es um die Datensicherheit. Die digitale Infrastruktur ist ein neues Schlachtfeld, dem wir uns stellen müssen. Wir aber diskutieren in Deutschland politisch fast ausschließlich über den persönlichen Datenschutz“, kritisiert Wolfgang Bosbach. Zudem betont er, dass die Zahl der Rohheitsdelikte und die Angriffe gegen Polizei, Feuerwehr zunähmen; das habe mit einer steigenden Respektlosigkeit zu tun.
Diese neue Bedrohungslage in Deutschland wirkt sich natürlich auch auf die Sicherheitsindustrie aus. „Das persönliche Sicherheitsbedürfnis der Menschen steigt, sie suchen nach individuellen Lösungen. Wir müssen ihnen dafür die Konzepte liefern“, sagt Günter Calaminus, Geschäftsführer der W.I.S.-Gruppe. Uwe Gerstenberg (consulting plus) weist darauf hin, dass die Branche ein Umsatzplus von 24 Prozent für 2016 erwirtschaftet hat und das private Sicherheitsgewerbe mit 270.000 Mitarbeiter mehr Personal beschäftigt als alle öffentlichen Sicherheitsbehörden. „Es fehlen aber aktuell rund 12.000 Mitarbeiter.“
Heinz Sprenger, ehemaliger Leiter der Mordkommission Duisburg und heute Fachhochschul-Dozent und Buchautor, ist der Auffassung, dass die Sicherheitswirtschaft vom Versagen der Politik profitiert, die immer nur reagiere und die Polizei am absoluten Limit arbeiten lasse. Dagegen wendet sich der Düsseldorfer Polizeipräsident Norbert Wesseler. Er sagt: „Personal allein reicht nicht aus. Wir müssen auch über die richtige Ausrüstung sprechen und uns fragen, wie Unsicherheit entsteht.“Darauf hat Stefan Bisanz (consulting plus), öffentlich bestellter Sachverständiger für Personenschutz und Buchautor, eine Antwort: „Jeder redet mit, daher kommt Unsicherheit. Wir müssen die Menschen in der privaten Sicherheitswirtschaft viel stärker qualifizieren und die Struktur der Sicherheitsbehörden überdenken. Denn die Branche wird immer noch stark ausgebremst.“
Bessere Ausrüstung der Polizei fordert auch der Terrorismusexperte Rolf Tophoven, schließlich befinde man sich nach dem Selbstverständnis der Terroristen „im Krieg“, denn wie die Anschläge in Paris gezeigt hätten, operierten Terroristen – neben dem Einsatz mit Bomben und Sprenggürteln – zunehmend auch mit Kriegswaffen, zum Beispiel Kalaschnikows. Christian Scherg von der Krisenkommunikationsberatung Revolvermänner meint in dem Zusammenhang, dass viele Polizeieinheiten falsch organisiert seien und großer Verbesserungsbedarf bestehe – beispielsweise hinsichtlich einer spezialisierten kriminalistischen Ausbildung und des sofortigen Einsatzes. Ebenso ist Scherg der Auffassung, dass die Polizei an ihrer Reputation arbeiten müsse.
Frank Ewald, weltweiter Sicherheitschef der Deutschen Post, bestätigt den Eindruck von Wolfgang Bosbach aus Unternehmenssicht. „Wir erleben eine neue Form der Gewaltkriminalität in Deutschland. Unsere Mitarbeiter sind überall im Einsatz, auch unter Umständen, die eine besondere Aufmerksamkeit der Unternehmenssicherheit bedürfen. Wir werden der steigenden Zahl von bisherigen und neuen Kriminalitätsphänomenen mit neuen Technologien und angepassten Prozessen begegnen.“
Volker Wagner, Vorstandsvorsitzender des ASW Bundesverbandes, sieht in der Krisensituation aber auch Chancen. Sicherheit sei Teil einer umfassenden politischen Diskussion geworden. Jetzt sei die Zeit, versäumte Maßnahmen nachzuholen, ohne gleich Gesetze zu verschärfen.