Armin Laschets 100-Tage-Programm
Nicht alles, was der neue Ministerpräsident bis zum 6. Oktober umsetzen will, ist so schnell machbar. Was bis dahin geht und was nicht.
DÜSSELDORF Das Papier markierte den Endspurt im Landtagswahlkampf. Zwei Tage vor der Wahl ließ der jetzige Ministerpräsident und damalige Spitzenkandidat der CDU, Armin Laschet, ein „100-Tage-Sofortprogramm“verteilen. Einen vierfarbigen Druck mit 18 Punkten, die sich unter seiner Regierung sofort ändern sollen. Damals, vor gut sechs Wochen, war es noch ein Wahlkampf-Papier. Jetzt ist es sein erster Prüfstein. Die Zeit läuft. Wird Armin Laschet alle 18 Punkte bis zum 6. Oktober umgesetzt haben?
Gewöhnung schafft Realität. Das ist das Fatale an Entwicklungen, die sich so langsam vollziehen, dass sie kaum Kritik auslösen. Oder an Zuständen, die empörend sind, aber sich scheinbar unserem Einfluss entziehen.
So haben wir uns etwa daran gewöhnt, dass es in Wohlstandsgesellschaften Kinderarmut gibt. Ab und an unterlegen Studien das mit neuen Zahlen. Dann wird darauf hingewiesen, dass arme Kinder schlechtere Chancen in einem Bildungssystem haben, das ohnehin stark von der sozialen Herkunft abhängt. Oder dass allein das Gefühl, nicht dazuzugehören, das Wohl armer Kinder beeinträchtigt. Doch wie bei vielen Problemen, die tief mit der Struktur unseres Systems zu tun haben, führt das nur zu Schulterzucken und unguten Gefühlen. Und verstärkt das Empfinden, dass jeder selbst schauen muss, wo er bleibt. Den damals noch nicht vorhersehbaren Kompromissen des Koalitionsvertrags zum Opfer gefallen ist bereits die Einführung der Schleierfahndung binnen 100 Tagen. Die FDP wollte nicht, dass jeder Bürger praktisch jederzeit kontrolliert werden darf. CDU und FDP einigten sich darauf, dass es dafür zumindest eines Anlasses bedarf. Damit ist das Instrument zeitlich und räumlich beschränkt. Aber auch für diese sogenannte strategische Fahndung muss Laschet wohl das Polizeigesetz ändern. Der künftige Innenminister müsste dafür schon in der nächsten Woche mit dem Entwurf einer No- velle beginnen, der dann mit dem Kabinett abgestimmt, den Verbänden zur Anhörung vorgelegt, durch die Ausschüsse und durchs Parlament geschleust werden muss. 100 Tage sind wenig Zeit für ein neues Gesetz.
Das gilt auch für die Rückkehr zu G 9: Hierfür muss das Schulgesetz geändert werden, was den Apparat der neuen Bildungsministerin Yvonne Gebauer (FDP) in den kommenden Wochen strapazieren dürfte. Die Gymnasialreform wird zudem gekoppelt sein an die angekündigte Einstellungsoffensive bei Lehrern. Und die wiederum an den neuen Landeshaushalt, den Schwarz-Gelb erst im Herbst vorlegen kann. Alles, was mit diesem zentralen Rechnungswerk der neuen Regierung zusammenhängt, ist nach Einschätzung von Insidern kaum innerhalb von 100 Tagen zu stemmen.
Das gilt auch für das 100-TageVersprechen „Wir bringen mehr Polizei auf die Straße“: Der angekündigte Beschluss zur Neustellung von 2300 Nachwuchskräften ist vor der Haushaltsaufstellung kaum seriös machbar. Denkbar ist, dass das Kabinett hierzu ebenso wie zu den Schulthemen und anderen kosten- relevanten Beschlüssen deshalb erst einmal nur Eckpunkte festlegen wird.
Schneller umsetzbar ist hingegen alles, was eine Landesregierung einfach anordnen kann. Die softwaregestützte Erfassung des Unterrichtsausfalls an allen NRW-Schulen etwa oder die Aussetzung der Schließung von Förderschulen. Das ebenfalls versprochene „bessere Baustellenmanagement“will Laschet dem Vernehmen nach mit einer ungewöhnlichen Methode sicherstellen. Weil die notwendigen Firmen hierzulande weitgehend ausgebucht sind, sollen angeblich systematisch auch Firmen aus dem Ausland beauftragt werden.
Eine Großchance für einen ersten Achtungserfolg hat die neue Landesregierung am 7. Juli. Dann tagt der Bundesrat. Schwarz-Gelb will dort die Einstufung von Algerien, Marokko und Tunesien als sichere Herkunftsländer erreichen, um die Anzahl der von dort kommenden Flüchtlinge zu verringern. Die Gelegenheit ist günstig: Aktuell hätte dieses Anliegen im Bundesrat wohl eine Mehrheit. Offen ist, ob die NRW-Regierung es so kurzfristig noch schafft, das Thema dort auf die Tagesordnung zu setzen.
Stolz aufs Auto war gestern